Riedls Dax-Radar

Dax mit Schlagseite

Die Korrektur am deutschen Aktienmarkt geht in die nächste Phase. Der Branchenmix im Dax sollte aber eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte möglich machen.

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Aktienhändler auf dem Parkett der deutschen Börse in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal um 0,7 Prozent gewachsen gegenüber 0,3 Prozent im direkten Vorquartal. Das ist eine bemerkenswerte Beschleunigung. Die Jahresrate liegt bei 1,6 Prozent. Das ist voll im Plan und für die Börsen kein schlechtes Umfeld.

Vier entscheidende Gründe gibt es für das Wachstum: Der stabile und lebhafte Konsum, die florierende Bauwirtschaft (hier half auch das Wetter), die Ausgaben für Flüchtlinge und die niedrige Arbeitslosigkeit. Zum Teil sind das Folgen der extrem niedrigen Zinsen; wenn man für sein Geld nichts mehr bekommt, fällt Konsumieren leicht.

Vergleicht man die allgemeine Wirtschaftsentwicklung mit den Zahlen, die von den Dax-Unternehmen hereingekommen sind, gibt es allerdings eine divergierende Entwicklung. Früher war die Metro der größte und klassische Konsumwert im Dax. Heute ist es noch am ehesten Beiersdorf, zum Teil auch Henkel. Beide profitieren vom robusten Konsum. Dominant im Index aber sind großen Exporteure – und da sieht es moderater aus.

Die Bestverdiener unter den Hedgefonds-Stars
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Autobranche als Hemmschuh

Die zentrale Branche im Dax, die Autoindustrie, immerhin vertreten mit drei führenden Produzenten und einem Top-Zulieferer, hat zahlreiche Probleme. Reihum wird offensichtlich, dass VW keineswegs ein Monopol auf kreative Abgasgestaltung hat; wahrscheinlich haben alle Hersteller mehr oder weniger an bestimmten Schrauben gedreht. Das ist nicht nur aus rechtlichen und marketingtechnischen Gründen bedenklich. Das zeigt, an welche, Grenzen die Branche mittlerweile gestoßen ist.

Für Anleger heißt das: Die Gefahr ist groß, dass die zuletzt guten, auch in vielen Jahresabschlüssen 2015 gesehenen Zahlen, sich so nicht mehr fortschreiben lassen. An den Börsen ist dies der Grund dafür, dass Autoaktien trotz zum Teil günstiger Bewertung, hoher Dividende und keineswegs schwacher Bilanz nicht mehr auf Gegenliebe stoßen.

Die Geschäfte mit Körperpflegeprodukten beim Hamburger Traditionsunternehmen Beiersdorf laufen gut. Auch 2016 soll der Umsatz zulegen. Wachstumschancen sieht der Konzernchef bei Produkten für Männer.

Die Umwälzungen der Branche kommen hinzu: Die Schwellenländer wachsen zwar noch, aber es gibt immer wieder Rückschläge – moderate bisher in China, schwere in Brasilien und Russland. Die Umstellung auf E-Mobilität findet in weitem Ausmaß außerhalb der klassischen Produzenten statt. Die Erfolgsgeschichte von Tesla ist nichts anderes als der offensichtliche Beweis, dass Daimler, BMW und Co. auf diesem Gebiet bisher schlichtweg versagt haben. Ganz abgesehen davon, dass sich die bisherigen Platzhirsche mit Adressen wie Apple oder Google herumschlagen müssen, womöglich als Juniorpartner. Innerhalb weniger Jahre ist die Autobranche von einer Ikone zu einer Industrie des vergangenen Jahrhunderts geworden; fast schon wie einst die Stahlindustrie.

Gesundheitskonzern Johnson & Johnson ist noch immer ein Basisinvestment, aber auch mit Immobilien in Myanmar oder einer Panama-Anleihe winken attraktive Renditen. Aktien, Anleihen und Fonds für die private Geldanlage.
von Frank Doll, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger

Finanzen im Feuer, Hoffnungsträger Pharma und Gesundheit

Die Zeitenwende für die zentrale Industrie im Dax wirkt sich im Index umso stärker aus, da auch andere ehemalige Index-Größen verblichen sind: Die Energieindustrie hat in den vergangenen Jahren mehr als 100 Milliarden Euro Anlegergelder vernichtet. Bei den Banken bringen die beiden führenden Adressen der wichtigsten europäischen Volkswirtschaft, die Deutsche Bank und die Commerzbank, zusammen nicht viel mehr Börsenwert auf die Waage als der ehemalige Turnschuhhersteller Adidas (der aktuell zu den Überfliegern im Index zählt).

Und erwischt es jetzt wohl gar noch mit den Versicherern die nächste zentrale Branche im Dax? Von der Münchener Rück hat sich Warren Buffett frühzeitig verabschiedet, obwohl er über Jahrzehnte am Geschäft der Rückversicherungen festhielt. Die Münchener Rück fällt derzeit eher durch Krisenwarnungen auf als – wie früher – durch Contenance und Stille Reserven. Besser sieht es bei der Allianz aus: Hier scheint die neue Führung den Schwenk von der klassischen Lebensversicherung hin zu neuen Geschäftsfeldern trotz extrem ungünstiger Zinsen eher im Griff zu haben.

Chemie und Pharma: Interessante Mischung für Anleger

Man darf gespannt sein, wie sich die nächste wichtige Branche im Dax schlägt: die Chemie- und Pharmaindustrie. Grundsätzlich findet eine Aufspaltung statt, wie es sich gut an Bayer zeigt: einfache, klassische Chemie (Lanxess, Covestro) wird ausgegliedert, die vermeintlichen Perlen (Pharma) bleiben im Konzern. Immerhin, der Kampf um die Neustrukturierung (etwa die Hoffnung auf die Agrarchemie) hält für die Branche die Phantasie am Köcheln. So gesehen bieten Chemie und Pharma für Anleger derzeit eine interessante Mischung.

Die Hidden Champions der Börse
Seit 1985 gelang insgesamt 44 US-Unternehmen, ihren Wert um mindestens 10.000 Prozent zu steigern, berichtet das „Wall Street Journal”. Unter den Top-Aktien finden sich Giganten wie Apple, Nike und Philip Morris. Doch nicht wenige der Erfolgsbringer Hidden Champions. So wie... Quelle: AFP
...Gentex Corporation. In den letzten 30 Jahren stieg die Aktie des Automobilzulieferers jedes Jahr im Schnitt um rund 19,1 Prozent. Auf den gesamten Zeitraum gerechnet, stieg die Aktie um 19.095 Prozent. Das Unternehmen stellt unter anderem sich automatisch dimmende Rückspiegel und kamerabasierte Assistenzsysteme für Autofahrer her. Quelle: Imago
Das Logistikunternehmen Expeditors International of Washington hat seinen Firmensitz in Seattle. Seit 1985 erzielt es jährlich im Durchschnitt eine Wertsteigerung von 19,3 Prozent. Insgesamt macht das einen Kursanstieg von 20.127 Prozent in den vergangenen 30 Jahren. Quelle: dpa
Stryker Corporation produziert und verkauft orthopädische und weitere medizintechnische Produkte. Das US-amerikanische Unternehmen erzielte in den vergangenen 30 Jahren eine Wertsteigerung von durchschnittlich 19,6 Prozent pro Jahr. Insgesamt stieg die Aktie um 21.329 Prozent in den vergangenen 30 Jahren. Die Zentrale des deutschen Ablegers Stryker GmbH befindet sich übrigens in Duisburg. Quelle: obs
In den USA hält Monster Beverage Corporation mit Energydrinks nicht nur müde Studenten, sondern auch Anleger wach. Mit einem jährlichen Kurszuwachs von 20,3 Prozent landet der Getränkehersteller auf Platz 14 des Rankings. Insgesamt stiegt die Aktie um 25.323 Prozent. Quelle: AFP
Dass sich trotz des jüngsten Preisverfalls Geschäfte mit dem Erdöl lohnen können, beweist die Holly Frontier Corporation. Der Betreiber von Erdöl-Raffinerien bringt es auf Platz 13 im Ranking. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg seit 1985 jährlich im Schnitt um 20,4 Prozent. Gesamtsteigerung seit 1985: 26.249 Prozent. Quelle: Screenshot
Paychex hat sich auf das Outsourcing von Dienstleistungen bei Betrieben spezialisiert. Insbesondere bietet das Unternehmen Hilfe bei Lohnabrechnungen, Unternehmensbesteuerung und Verwaltungstätigkeiten an – offenbar erfolgreich. In den vergangenen 30 Jahren steigerte Paychex jährlich seinen Wert im Schnitt um 20,4 Prozent. Gesamtsteigerung: 28.432 Prozent. Quelle: dpa

Ein Spezialfall sind die beiden Fresenius-Aktien. Das Unternehmen selbst rechnet sich nicht zur Pharma-Branche, sondern sieht sich im großen Trend Gesundheit. Das stimmt besonders für die Dachgesellschaft Fresenius SE dank breiterem Geschäft besser als für die auf Dialyse spezialisierte Fresenius Medical Care (die zuletzt aber immerhin durch höhere Gesundheitsleistungen in den USA nun auch wieder einen Gewinnanstieg geschafft hat).

Als Stabilisator für den Dax erweisen sich die Unternehmen, die zur Jahrtausendwende ihren Börsendurchbruch hatten, dann eine lange Reinigungskrise durchmachten, jetzt aber zu den weltweit führenden Unternehmen gehören: IT, Telekom,  High-Tech. SAP, Infineon und die Telekom gehören mittlerweile im Dax zu festen Größen, die zudem wenig konjunkturempfindliche Gewinne liefern. Dass selbst Teile von Siemens hier zuzurechnen sind, spricht für die dauernde Wandlungsfähigkeit dieser Industrieikone.

Die größten Chemiekonzerne der Welt
Platz 10 - PPG Industries (USA) Quelle: AP
Linde Quelle: dpa
Platz 8: Air Liquide (Frankreich) Die Erfindung von flüssiger Luft legte den Grundstein für einen Weltkonzern. Im vergangenen Jahr kam der französische Chemieriese auf einen Umsatz von 19,08 Milliarden Dollar. Quelle: obs
Platz 7: Henkel (Deutschland)Weltweit ist der Düsseldorfer Konzern bekannt für seine Marken Persil, Pril oder Pritt. Mit einem Umsatz von 19,69 Milliarden Dollar spielt der Dax-Konzern auch unter den internationalen Chemieriesen vorne mit. Quelle: dpa
Platz 6: Dupont (USA)Der komplette Name des amerikanischen Chemieriesens lautet „E I Du Pont de Nemours“. Das geht zurück auf die französischen Gründer, die in die USA emigriert waren und dort 1802 begannen, Sprengstoffe zu produzieren. Heute macht das Unternehmen in über 80 Ländern weltweit einen Umsatz von insgesamt 24,6 Milliarden Dollar. 2017 erfolgte die Fusion mit dem Rivalen Dow Chemical zum größten Chemiekonzern der Welt. Quelle: dpa
LyondellBasell Industries (Niederlande) Quelle: REUTERS
Platz 4 - Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien) Quelle: SABIC

Vergleicht man den Branchenmix im Dax mit der Aufteilung an anderen, großen Märkten, dann sind die Aussichten für Anleger mittelprächtig: Sie sind im Dax besser als im Euro Stoxx, der immer noch stark von angeschlagenen Finanzwerten und trägen Energiekonzernen belastet wird. Sie sind aber nicht so gut wie im Dow Jones, der von einem Mix starker Konsumwerte, führender Pharmaunternehmen und High-Tech-Ikonen gestützt wird – auch wenn bei letzteren vor allem Apple derzeit etwas außer Tritt geraten ist.

Dax-Spielraum bis 9500 Punkte, Dow robust, Nasdaq wacklig

Kurskorrektur im Dax ausloten, hieß an dieser Stelle vor einer Woche die Devise. Daran hat sich bis zur Stunde nichts geändert. Nachdem der Dax wieder unter die Marke von 10.000 gerutscht ist und den Aufwärtstrend von Februar bis Anfang Mai gebrochen hat, dürfte sich die laufende Korrektur fortsetzen. Es wird immer knapper, ob 9800 Punkte halten. Die nächste Auffangzone läge dann bei 9500. Vom Zeitfenster sieht es weiter so aus, als ob der Dax im Rahmen einer klassischen Korrektur vier bis sechs Wochen dafür in Anspruch nimmt. So gesehen könnte er Ende Mai bis Anfang Juni seine nächsten Tiefpunkte sehen.

In stärkerer Verfassung ist nach wie vor der Dow Jones, der sich mit einem Stand um 17.700 gut über der wichtigen Unterstützungszone um 17.200 hält. Allerdings ist der Nasdaq 100 schwächer, er ist schon unter die 200-Tage-Linie gerutscht. Das könnte ein Warnsignal sein, dass die US-Konjunktur vielleicht doch nicht so robust ist, wie bisher erwartet. Womöglich wird das erst offensichtlich, wenn die neue politische Führung zu ihrem Start dann Inventur macht.

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