Riedls Dax-Radar
Der Dax ist zum Handelsstart am Donnerstag erstmals seit 2016 unter die 10.000-Punkte-Marke gerutscht Quelle: dpa

Dax unter 10.000: Die Endphase des Ausverkaufs läuft

Mit dem Rutsch unter das Niveau von 10.000 Punkten macht sich Aufgabestimmung am Aktienmarkt breit. Das spricht dafür, dass nun kurzfristig Tiefpunkte ausgelotet werden. Anhaltspunkte verraten, wo die liegen könnten.

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Die Panik an den Aktienmärkten ist mittlerweile so groß, dass die Stimmungsindikatoren das Angstniveau der Finanzkrise erreichen. Damals kam es weltweit zu einer schweren Wirtschaftskrise, in Deutschland kippte das Wachstum von plus ein Prozent auf weniger als minus fünf Prozent.

Am Donnerstag hatte der Dax zu Handelsschluss bei 9.161,13 Punkten gelegen – und damit mehr als zwölf Prozent im Minus. Zwar startete er am heutigen Freitag mit einem Plus von mehr als drei Prozent in den Handel. Allerdings: Der Dax hat seit der Spitze mehr als 30 Prozent verloren. Das entspricht fast den bisher größten Kursstürzen von 2001 und 2008. So gesehen steigt die Chance, dass der Ausverkauf nun in die Endphase übergeht.

Entscheidend wird die Entwicklung in den USA, vor allem im Dow Jones, weil der die plakativste und am meisten beachtete Börsenkurve weltweit überhaupt ist.

Die täglichen Extrempunkte mitgerechnet, hat der Dow Jones in der ersten Abwärtsphase von 29.570 auf 24.680 genau 16,5 Prozent verloren. Nach der Zwischenerholung auf 27.100 begann am 5. März die zweite Abwärtsphase. Wenn die – idealtypisch – noch einmal das gleiche Ausmaß annähme, ergäbe sich ein Projektionsziel von 22.600 Punkten im Dow Jones. Das ist übrigens etwa das Niveau, das auch Goldman Sachs in seiner jüngsten, nach unten revidierten Prognose angibt. Im weiten Bereich um 22.000 Punkten liegt zudem das Tief 2018; außerdem begann auf diesem Niveau 2017 eine besonders dynamische Phase der Hausse. Mit 22.400 Punkten notieren die Dow-Futures aktuell etwa auf diesem Niveau.

Die extremen Bewegungen, die alle Börsenindizes im Augenblick vollziehen, sind typisch entweder für die Anfangsphase oder die Endphase eines Crashs. Da der Corona-Crash nun schon in die dritte Woche geht, spricht vieles dafür, dass es sich nun um die Endphase dieses akuten Crashs handelt.

Im Dax liegen die vergleichbaren Tiefpunkte noch etwas weiter unten. Hier bestehen zwischen 8800 und 8200 zahlreiche Unterstützungen. Diese Zone sollte der Worst Case für die kurzfristige Abwärtsdynamik sein. Wobei die extreme Intensität der Kursschwankungen dazu führt, dass solche Marken auch nur für wenige Minuten angelaufen werden können.

Mit einem solchen Crash preist der Aktienmarkt den Absturz der Weltwirtschaft von mehreren Prozentpunkten ein. Ein solches Szenario lässt sich angesichts der Ballung der aktuellen Krisen (Coronavirus als Auslöser, Branchen-, Konjunktur- und Rohstoffkrisen als Folgen) natürlich nicht ausschließen, stellt aber ohne Frage ein extrem negatives Szenario dar. Ein solches Szenario ist genauso unwahrscheinlich wie der Traum vom bruchlosen, ewigen Wirtschaftswachstum.

Wesentlich wahrscheinlicher ist in der Realwirtschaft ein mittelschweres Szenario. Bei dem bekommt das Wachstum im ersten Halbjahr zwar einen schweren Schlag, die Geschäftszahlen der Unternehmen brechen ein und die Zahl der Pleiten nimmt zu, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben geht aber dennoch weiter. Nach dem schweren Wirtschaftseinbruch 2009, in dem die Wachstumsrate unter minus fünf Prozent krachte, erholte sie sich 2010 in Deutschland wieder auf plus 4,1 Prozent.

Fazit für die kurzfristige Entwicklung: Der Aktienmarkt hat ein Panikniveau wie in den größten Krisen der vergangenen 100 Jahre erreicht. Das ist, bei allem Respekt vor dem Corona-Virus und dessen wirtschaftlichen Folgen, eine sehr extreme Sichtweise. In der Regel werden Extreme dieser Art an den Börsen früher oder später korrigiert. In den nächsten Tagen ist dazu mit konzertierten Aktionen der Notenbanken zu rechnen. Als technische Stütze für die Kurse werden dann auch die Eindeckungskäufe derjenigen Baissiers fungieren, die in den vergangenen Tagen mit Short-Aktionen hohe Buchgewinne gemacht haben, die auch erst einmal materialisiert werden müssen. Dazu kommen vermehrt Käufe kaltblütiger Investoren, die ja nach wie vor auf riesigen Cash-Beständen sitzen – wie Warren Buffett mit seinen dreistelligen Milliardenbeträgen.

Im Dow Jones sollten sich die Notierungen im weiten Bereich um 22.000 Punkten schrittweise stabilisieren. Nachdem im Dax die erste Stabilisierung oberhalb von 10.000 Punkten nicht gelungen ist, könnte die akute Phase des Crashs nun zwischen 9700 und (maximal) 8200 auslaufen.

Trost aus wirtschaftshistorischer Perspektive: Nach der schwersten Epidemie in der Geschichte der Menschheit, der großen Pest von 1348 bis 1352, folgte mit Renaissance und wirtschaftlichem Aufstieg in Städten und Territorien eine der produktivsten Phasen der Weltgeschichte. Und auch wenn das neue Virus wohl nicht ganz so schlimm ist wie die große Pest, wird es gute Wirtschafts- und Börsenzeiten nach Corona geben.

Mehr zum Thema: Die Furcht vor einer Pandemie belastet die Börsen und verunsichert Anleger. Das muss nicht sein. Die WirtschaftsWoche hat die besten Geldmanager getroffen, befragt und bewertet. Wie sie ihre Depots schützen, welche Aktien Chancen bieten – und wie viel Glück sie brauchen.

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