Riedls Dax-Radar

Der Börse droht eine neue Zitterpartie

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Den Briten-Schock haben europäische Aktien noch nicht ausgeglichen

Dennoch, den Brexit haben weder der Dax noch der Euro Stoxx bisher ausgeglichen. Wer meint, es handle sich nur um eine politische und damit kurzlebige Erscheinung, verkennt die Dramatik der aktuellen Lage. Schon im April hatte der Dax einen Kletterversuch gestartet, der aber misslang. Dafür hätte dann Ende Mai der zweite Anstieg gelingen müssen. Doch dieser zweite Versuch wurde durch die Brexit-Turbulenzen zunichte gemacht.

Bisher hat der Dax nicht einmal das Brexit-Gap (also den ersten Schock nach der Abstimmung) geschlossen. Dazu müsste er bis auf 10.200 Punkte steigen. Erst dann kann man darüber diskutieren, ob der Brexit an der Börse überwunden sei oder nicht. Aktuell hat der Dax nicht einmal den unteren Rand dieses Gap erreicht.

Wo die großen Brexit-Baustellen sind

Ein Blick auf die Einzelwerte zeigt den Grund der Schwäche. Nur acht von 30 Aktien des Dax notieren derzeit oberhalb ihrer 200-Tage-Linie. Das ist stabile Abwärtstendenz. Und diese acht sind zudem die üblichen Defensivkandidaten: Adidas, Beiersdorf, Fresenius, FMC Merck, Vonovia und (etwas näher an der Konjunktur) Henkel und Infineon. Die tragenden Trendpapiere im Dax (Allianz, Daimler, BASF oder Bayer) sind dagegen weiter angeschlagen und verlaufen in kurz- bis mittelfristigen Abwärtsbewegungen.

Gefährliche Stärke der Krisenbarometer Dollar, Gold und Bund

Weitere Warnungen kommen hinzu. Noch im Mai bewegte sich der Euro im oberen Bereich der Bandbreite zum Dollar, die seit eineinhalb Jahren zwischen 1,06 und 1,16 Dollar verläuft. Diese Nähe zu 1,16 Dollar wäre eine wichtige Voraussetzung dafür gewesen, dass der Euro nach seinem dramatischen 2014er-Verfall (immerhin von 1,40 auf 1,05 Dollar, das sind 25 Prozent Währungsabwertung) eine partielle Erholung gestartet hätte – vielleicht bis in den Bereich 1,20/1,25 Dollar. Dieses ausgeglichene Niveau, mit dem sowohl die europäische als auch die amerikanische Wirtschaft hätte leben können, ist mit dem Brexit in weite Ferne gerückt.

Diese Aktien fahren Achterbahn

Das zweite Krisenbarometer, das anschlägt, ist der Goldpreis. Mit plus 30 Prozent seit Jahresanfang erlebt Gold derzeit die stärkste Phase seit der Jubelhausse 2011. Aus technischer Sicht dürfte zwar im Bereich 1350 bis 1400 Dollar eine Konsolidierung einsetzen, dennoch zeigt die wiedererwachte Dynamik generell nach oben. Weder die Ukraine-Krise noch die Diskussion um Griechenland hatte solche Auswirkungen auf den Goldpreis.

Anleger flüchten in Gold, Tabak und Alkohol

Die dritte Krisenkurve, den Bund Future, hat der Brexit auf ein All-Time-High katapultiert. Im Gegenzug sind die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich gerutscht. In der Umlaufrendite wurden in der Spitze bisher minus 0,29 Prozent erreicht. Wirtschaftlich gerechtfertigte Zinsen, die man derzeit vielleicht zwischen ein bis drei Prozent verorten könnte, sind auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Nach klassischer Sicht werden damit gefährliche Fehlallokationen provoziert, die wiederum in die nächste Krise führen. Das Zittern am britischen Immobilienmarkt und der Crash britischer Immo-Aktien ist darauf ein Vorgeschmack.

Fazit zum Dax: Wenn keine größeren politischen Negativnachrichten dazwischenkommen, sollte der Dax den Versuch starten, das Brexit-Gap zu schließen. Im ersten Anlauf könnte er dabei in den nächsten Tagen bis auf 9800 Punkte kommen. Sollte er das nicht schaffen, wäre das ein schlechtes Vorzeichen für die gefährlichen Monate August und September. Ein Rutsch unter 9200 Punkte könnte schnell einen Absturz bis 8700 zufolge haben – und dann geht es darum, ob der ganz große Trend hält.

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