Die amerikanische Konjunktur zeigt weiter nach oben, aber sie läuft natürlich nicht so reibungslos, dass die Notenbank einfach die Zinsschraube anziehen kann. Fed-Chefin Janet Yellen skizziert zwar mögliche Zinserhöhungen, lässt sich damit aber wahrscheinlich mehr Zeit als bisher erwartet. Also: Wenn überhaupt, dann dürfte es erst in der zweiten Jahreshälfte einen solchen Schritt geben und nicht schon im Juni.
Yellen ist clever genug, ihre großzügig gedachte Linie weiter zu verfolgen und sich nicht von Tagesschwankungen irritieren zu lassen. Für eine Notenbank ist es entscheidend, dass sie die Initiative behält und auf keinen Fall Getriebene der Markt-Verhältnisse wird.
Einerseits sieht Yellen, wie die Konjunktur langsam vorankommt und Zinserhöhungen langfristig fast zwangsläufig kommen müssen. Umso mehr, da die Fed derzeit von politischer Seite beargwöhnt wird und sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, ihre Macht und Freiheit zu missbrauchen. Diese Perspektive einer irgendwann kommenden Zinserhöhung wird Yellen deshalb auch nur im Extremfall aufgeben, etwa wenn die Konjunktur wirklich schwer einbricht. Diese Gefahr liegt im derzeitigen Umfeld aber nicht vor.
Abwertungswettlauf gegen den Dollar
Andererseits sieht Yellen mit Unbehagen, wie die Notenbanken weltweit den Abwertungswettlauf schüren – und warum soll ausgerechnet Amerika mit seinem starken Dollar dagegen halten und damit einen großen Teil der Rechnung tragen?
Wie teuer das werden kann, spüren die international ausgerichteten US-Konzerne, wenn sie in Dollar kostenträchtig hergestellte Produkte billig in Euro, Yen oder Baht verkaufen müssen. In Einzelfällen, wie derzeit bei Procter & Gamble, rechnen Analysten für 2015 sogar mit sinkenden Gewinnen. Bei den meist schon üppig bewerteten US-Klassikern erweist sich das schnell als Kursbremse.
Das sind die Gewinner und Verlierer der Währungsschwäche
Die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro auf Talfahrt geschickt. Nach Einschätzung von Analysten könnte ein Euro schon bald weniger als ein US-Dollar kosten - erstmals seit mehr als zwölf Jahren. Ein schwacher Euro hilft Firmen aus der Eurozone, die Waren außerhalb des Währungsraums verkaufen wollen. Denn ihre Autos oder Maschinen werden auf den Weltmärkten günstiger - etwa in wichtigen Märkten wie Asien oder Amerika. Die Nachfrage nach Produkten „Made in Germany“ oder anderen Euro-Staaten dürfte anziehen. Schon 2014 verkaufte Deutschland so viele Waren ins Ausland wie nie zuvor. Allerdings: Immerhin 37 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Dort spielt der Wechselkurs keine Rolle.
Mehr Exporte = mehr Produktion = mehr Arbeitsplätze. Ganz so einfach geht es in der Praxis nicht, aber der EZB-Kurs mit Nullzins und Geldschwemme zielt auch in diese Richtung. Allein über den Preis werden Unternehmen aus dem Euroraum dank des niedrigen Eurokurses wettbewerbsfähiger. Somit stehen die Chancen gut, dass sie mehr verkaufen und ihre Fabriken besser ausgelastet sind. Das könnte mittelfristig auch neue Arbeitsplätze schaffen. All das bringt die heimische Wirtschaft voran.
„Das Milliarden-Geschenk“ titelte das „Handelsblatt“ am 22. Januar, als die EZB ihr gigantisches Anleihenkaufprogramm beschloss. Die lockere Geldpolitik der Notenbank könnte exportstarken deutschen Konzernen nach Berechnungen der Commerzbank im laufenden Jahr zwölf Milliarden Euro zusätzlich an Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in die Kassen spülen - allein weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verliert. Vom Euroverfall profitieren demnach vor allem jene Firmen, die Rechnungen und Löhne in Euro bezahlen, aber in Dollar abrechnen.
Wer Waren oder Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, muss sich auf höhere Kosten einstellen. Denn wichtige Rohstoffe wie etwa Öl werden international in Dollar gehandelt. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar an Wert verliert, werden solche Importe für Abnehmer im Euroraum tendenziell teurer. Deshalb sei ein schwacher Euro für die Exportnation Deutschland auch nur auf den ersten Blick erfreulich, kommentiert der Außenhandelsverband BGA: „Ohne die niedrigen Rohstoffpreise würde der schwache Euro tiefe Spuren in unserer Importrechnung hinterlassen und somit auch die Verkaufspreise im Export erhöhen.“ In Deutschland wäre der Preisrückgang bei Benzin und Heizöl in den vergangenen Monaten noch deutlicher ausgefallen, wenn der Eurokurs nicht so stark nachgegeben hätte.
Urlaube in der Schweiz oder in die USA werden teurer, wenn der Euro gegenüber anderen wichtigen Währungen an Wert verliert. Ende Januar rechnete der Bundesverband deutscher Banken (BdB) vor: Die Kaufkraft eines Euro in der Schweiz betrage nur noch etwa 55 Cent. Das heißt: Waren und Dienstleistungen waren dort zu diesem Zeitpunkt im Schnitt fast doppelt so teuer wie in Deutschland. Auch für Reisen in andere Nicht-Euroländer wie Großbritannien oder die Türkei müssen Verbraucher aus Euroländern tiefer in die Tasche greifen. Auf der anderen Seite wird für Amerikaner oder Chinesen ein Trip nach Berlin, Athen oder an die Côte d'Azur attraktiver.
Für den Ausbau ihrer Geschäfte außerhalb des Euroraums müssen Unternehmen aus dem Euroraum tendenziell mehr Geld in die Hand nehmen. Wer etwa eine Fabrik in China oder in den USA errichten will und dies in der jeweiligen Landeswährung bezahlt, legt in Euro gerechnet künftig drauf.
Während die US-Notenbank Fed ihre Geldschleusen absehbar wieder schließen will, fährt die EZB einen genau entgegengesetzten Kurs. Das erhöht die Gefahr, dass es zu einem „Währungskrieg“ kommt. Mit ihren milliardenschweren Anleihenkäufen habe die EZB „eine Tür geöffnet, hinter der die Gefahr eines Abwertungswettlaufes lauert“, kritisierte BGA-Präsident Anton F. Börner. Die Erfahrung zeigt, dass es in solchen Fällen nur Verlierer gibt.
Für Anleger hierzulande heißt das: Die Geldpolitik der Fed dürfte großzügig bleiben, aber dennoch früher oder später auf eine leichte Zinserhöhung hinauslaufen. Da davon in Europa vorerst keine Rede sein kann, bleibt der US-Zinsvorteil wie er jetzt schon ist, bestehen - mindestens. Das hält den Dollar oben und wird für den Euro außer einigen Zwischenreaktionen nicht viel übrig lassen. Gut möglich, dass es erst im Bereich der Parität zu einer längeren Kraftprobe kommt.
Ein Euro langfristig nur noch 0,90 Dollar?
Wenn man das Euro-Dollar-Verhältnis nach der klassischen Chartanalyse betrachtet, ergibt sich folgendes Bild: Mit dem Rutsch unter 1,20 Dollar hat der Euro eine riesige Abwärtswende nach unten abgeschlossen, die ihren Anfang im Jahr 2003 hat. Dass der Euro seit diesem schweren Verkaufssignal wie ein Stein fällt, gibt dieser Formation eine hohe Aussagekraft.
Geht es nach diesem Schema weiter, läge das theoretische Mindestziel für den Euro bei rund 0,90 Dollar. Ein solches Ziel wird nicht in einem Zug erreicht, zumal der Abschwung nun schon seit Frühjahr 2014 läuft. Insofern sollte spätestens bei der Parität (das werden allein schon die Spekulanten austesten wollen) eine Gegenbewegung einsetzten, die vielleicht wieder in den Bereich 1,12 bis 1,15 Dollar gehen könnte. Danach müsste ein zweiter Abschwung erfolgen, eben in Richtung 0,90 Dollar.
Dass der Euro-Abschwung nach einer Abwärtswende von mehr als zehn Jahren nicht einfach nach einigen Monaten vorbei sein dürfte, ist naheliegend. Insofern unterstützt die technische Analyse die grundlegende Skepsis gegenüber dem Euro voll und ganz. (In der aktuellen WiWo lesen Sie ausführlich die Hintergründe über das entsprechende Comeback des Dollars.)