Riedls Dax-Radar
Börsenhändler unter Druck: Der drohende Handelskrieg mit den USA belastet die Börsen.

Der Ausverkauf am Aktienmarkt steht bevor

Mit heftigen Rückschlägen beendet der Dax seine Zwischenerholung. Neue Verkaufssignale deuten auf weitere Kursverluste. Und nun drückt der drohende Handelskrieg mit den USA die Stimmung. Womit Anleger rechnen müssen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Ein brisanter Regime-Wechsel vollzieht sich an den Aktienmärkten. Seit Mitte Februar steigt der Bund-Future. Im Gegenzug gehen die Zinsen am langen Ende zurück; bei den zehnjährigen Bundesanleihen von 0,75 Prozent auf 0,64 Prozent. In den USA bringen die zehnjährigen Treasuries nur noch 2,8 Prozent statt wie in der Spitze knapp drei Prozent. Normalerweise würde eine solche Konstellation die Aktienmärkte beflügeln.

An den Währungsmärkten das gleiche Bild. Der Euro, der von November bis Februar von 1,16 auf 1,25 Dollar geklettert ist, zieht sich seitdem wieder zurück. Normalerweise wäre das eine Entwarnung für den Aktienmarkt hierzulande.

Indessen, die Verluste an den Börsen sprechen eine andere Sprache. Die gewohnte Mechanik der Zinsen und Währungen funktioniert nicht mehr. Das ist typisch für einen Ausnahmezustand, einen Krisen-Modus, in dem die Aktienmärkte zunehmend von Ängsten bestimmt werden.

Die Dynamik zieht kräftig an. Die europäischen Angstbarometer VDax und VStoxx, von denen die erwarteten Kursschwankungen an den Börsen gemessen werden, haben sich in die Bandbreite 20 bis 25 Prozent hochgeschaukelt. Noch etwas weiter rauf ging es mit dem amerikanischen Vix-Index. Ein Wert von 20 Prozent meint hier: Die professionellen Marktteilnehmer (die mit Termingeschäften handeln), rechnen aufs Jahr gesehen damit, dass die Märkte um 20 Prozent steigen oder fallen.

Dieser mittlere Bereich, in den die Volatilität (die erwartete Schwankungsbreite) nun vorgedrungen ist, ist besonders gefährlich: Einerseits signalisiert er ein Ende des ruhigen Aufwärtstrends – da bewegt sich die Vola im Bereich 10 bis 15. Andererseits ist das Angstbarometer noch nicht in den Extrembereich von 40 bis 50 Prozent vorgedrungen, das es in Crash-Phasen an der Börse erreicht. Mit anderen Worten: Der Aktienmarkt ist derzeit zwar schwer angeschlagen, aber noch nicht durch einen Ausverkauf bereinigt.

Ein Handelskrieg wäre ein doppeltes Risiko für die Aktienmärkte

Für den Krisenmodus an den Märkten gibt es einen neuen fundamentalen Grund. Bisher dominierte die Angst vor der scharfen Zinswende. Dazu kamen vor allem in Europa Befürchtungen, ein zu starker Euro könnten den großen Unternehmen das internationale Geschäft erschweren. Ein kurzfristiger Unsicherheitsfaktor ist die Wahl in Italien. Zuletzt gab es, etwa durch die Abschwächung des Ifo-Index, Befürchtungen einer Konjunkturabkühlung in Deutschland. Dazu passen verhaltene Prognosen von immer mehr Unternehmen. Die Enttäuschungen beginnen bei SAP, reichen über Bayer und gehen sogar bis zu einem Dauerläufer wie Beiersdorf.

„Anleger sind besorgt. Es können bald Turbulenzen folgen“

Neu hinzu kommt, ausgelöst durch Trumps Zoll-Vorstöße, die Angst vor einem weltweiten Handelskrieg. Befürchtungen gab es seit Monaten, aber insgeheim hofften viele Marktteilnehmer wohl, es werde letztlich doch nicht so schlimm. Nun kündigt Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium an. Für die Börse ist das aus zwei Gründen gefährlich: Zum einen sind Stahl und Aluminium zentrale Werkstoffe, die in zahlreichen Industriebranchen eingesetzt werden. Sie wirken sich damit auf die Gesamtkonjunktur aus. Zweitens dürfte die EU Gegenmaßnahmen einleiten. Bemerkenswert ist in diesem Beispiel die nervöse Reaktion eines ur-amerikanischen Unternehmens wie Harley-Davidson, das derzeit ohnehin in einer schwierigen Lage ist, die sich durch eventuelle Gegenmaßnahmen der EU noch verschlimmern würde.

Die Gewinnprognosen der Unternehmen werden zurechtgestutzt

Im vergangenen Jahr verdienten die Dax-Unternehmen, wenn man die Nettogewinne auf den Index umrechnet, etwa 760 Euro. Bei dieser Rechnung wird der Dax wie eine einzelne Aktie betrachtet und der Unternehmensgewinn anteilig heruntergebrochen. Bei einem Dax von 13.500 Punkten ergeben 760 Euro Nettogewinn eine Bewertung, die zwischen dem 17- und 18fachen liegt. Eine solche Marktbewertung ist im langfristigen Vergleich zwar fortgeschritten, aber noch nicht utopisch. Es gibt keinen Automatismus, dass ein Aktienmarkt, der eine 17fache Bewertung aufweist, zusammenbrechen muss.

Doch nun könnte sich in dieser Rechnung etwas Entscheidendes ändern. Bisher sind die meisten Banken davon ausgegangen, dass sich der dynamische Aufwärtstrend der Nettogewinne 2018 und 2019 fortsetzt. Im Durchschnitt liegen die Prognosen der Banken für dieses Jahr bei 960 Euro und für 2019 bei 1050 Euro. Rechnerisch wäre das allein für dieses Jahr ein Plus von 26 Prozent.

Klassische Verkaufssignale

Man muss kein Hellseher sein, um angesichts der Zinsunsicherheiten, der Euro-Avancen und der politisch-wirtschaftlichen Turbulenzen an solchen Prognosen zu zweifeln. Das gilt auch für die Banken selbst. Die Informationen, die derzeit aus Geschäftsberichten, von Bilanzpressekonferenzen und bald aus den Hauptversammlungen kommen (und die angesichts der aktuellen Unsicherheiten auch bestimmt nicht rosig sind), fließen direkt in neue Hochrechnungen ein. Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Gewinnprognosen zurechtgestutzt werden.

Klassisches Verkaufssignal im Dax

Was derzeit an den Aktienmärkten stattfindet, ist nichts anderes als ein grundlegender Anpassungsprozess. Die hohen Erwartungen an Konjunktur, Unternehmensgewinne und den scheinbar endlosen Aufwärtstrend an den Börsen werden relativiert. Gemessen an den bisherigen 2018er-Prognosen (960 Euro) erreichte der Dax in der Spitze (bei 13.600 Punkten) eine Gewinnbewertung von 14. Wenn nun die Gewinne nur 800 Euro erreichen sollten und die Bewertung bei 14 bleibt, ergäbe das nur noch einen fairen Dax von 11.200 Punkten. Und sollten die Gewinne in diesem Jahr wider Erwarten sogar bei 760 Euro stagnieren, ergäbe eine 14-fache Bewertung nur noch einen Dax von 10.600 Punkten.

Die fünf spannendsten Aktien im Index

Krisen-Phasen an den Aktienmärkten sind dadurch gekennzeichnet, dass es zu Übertreibungen kommt. Die hektischen Verluste dieser Tage sind ein Vorgeschmack darauf, wie eine Ausverkaufsphase an den Börsen aussehen könnte. Wenn der Dax drei Prozent an einem Tag verliert und die Volatilität im Bereich um 25 liegt, dann kann es auch zu Tagesverlusten von fünf und mehr Prozent kommen, wenn die Vola wie in einem Crash üblich, 50 Prozent und mehr erreicht. Erst wenn der Aktienmarkt eine solche Ausverkaufsphase durchstanden hat, ist er bereinigt und reif für einen nachhaltigen Anstieg.

In der ersten Phase des Abschwungs ist der Dax in 13 Tagen (gemessen an den Tagesschlusskursen) von 13.560 auf 12.107 Punkte gesunken. Das waren 10,7 Prozent Verlust. Die Erholungsphase brachte in elf Tagen einen mageren Anstieg auf 12.527. Dieser Anstieg blieb weit unterhalb der 200-Tagelinie liegen, die derzeit langsam nach unten dreht. Eine solche Konstellation ist ein klassisches Verkaufssignal.

Dax ist reif für den Abverkauf

Sollte der Dax in der nun angelaufenen zweiten Abwärtsphase typischerweise ähnliche Verluste erleiden, ergäbe ein nochmaliger Rückschlag von 10,7 Prozent ein Niveau um 11.200 Punkte. Das kurzfristige Zeitfenster für diese Modellrechnung ginge bis zum 15. März.

Natürlich gibt es kein Gesetz, das den Dax bis Mitte März in Richtung 11.000 zwingt. Dennoch deuten sowohl die fundamentale wie die technische Verfassung der Märkte darauf, dass die deutsche Börse noch nicht reif ist für Neuengagements. Dieses Bild zeigt sich auch bei immer mehr Einzelaktien: Bayer enttäuscht durch schwächere operative Ergebnisse und Schwierigkeiten bei der Monsanto-Übernahme. Nachdem die Aktie vor einigen Wochen in den Abwärtstrend gekippt ist, sind Notierungen zwischen 85 und 80 Euro möglich, auf dem Niveau der 2016er-Tiefpunkte.

Die ertragsstärksten deutschen Aktien

Bei Fresenius wächst die Unsicherheit um die Akorn-Übernahme. Die operative Entwicklung ist nicht schlecht, deshalb könnte sich die Aktie im Bereich um 60 Euro wieder stabilisieren. Gewinner der aktuell lebhaften Aktiengeschäfte ist die Deutsche Börse, derzeit die technisch stärkste Aktie im Dax. Für Neukäufer sind die aktuellen Notierungen aber schon zu weit gelaufen. Bei Daimler kommen immer mehr Gründe ans Licht, warum die Aktie seit Monaten auffallend günstig ist. Ein schlechtes Investment ist Daimler deshalb nicht. Dennoch dürften Anleger bis auf weiteres mehr Freude an der Dividende haben als am Kurs. Für Wiedereinsteiger wird die Aktie womöglich erst zwischen 65 und 60 Euro interessant.

Ein Dauerthema ist die Deutsche Bank. Im allgemein schwachen Umfeld fällt sie mit ihrer schlechten Performance kaum noch auf. Ein Grund, sie jetzt zu kaufen, ist das nicht. Ein nochmaliger Rückschlag in die Zone um 10 Euro ist nicht ausgeschlossen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%