Riedls Dax-Radar Fünf Risiken für Anleger – und fünf neue Chancen

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Der Börsentrend ändert sich nicht von allein

Fünftes Risiko: Nach zehn Jahren Hausse werden Kursstürze immer wahrscheinlicher

Der Weltaktienindex MSCI World, der auf Dollarbasis berechnet wird, hat seit dem Finanzkrisentief Anfang 2009 mehr als 220 Prozent gut gemacht. Das ist die zweitlängste durchgehende Haussephase der vergangenen fünf Jahrzehnte. Noch etwas länger hat nur der durchgehende Aufschwung von der Ölkrise 1973/74 bis zum Crash von 1987 gedauert (die breite Konsolidierung im MSCI von 1987 bis 1992 ist hier als eigene Phase zu sehen).

Es gibt keinen Automatismus an der Börse, der die Länge eines Aufschwungs begrenzt. Legendär ist die Hausse im japanischen Nikkei-Index, die von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis Anfang der Neunzigerjahre reichte. Dennoch, auch dieses Beispiel zeigt, dass Märkte danach zu heftigen Gegenbewegungen neigen: Noch immer rangiert der Nikkei-Index weit unter seinem einstigen Hoch bei 39.000 Punkten.

Der Dax hat in den vergangenen zehn Jahren in der Spitze 270 Prozent gewonnen. Das ist länger als in den vorangegangenen Hausse-Phasen von 1982 bis 1990, von 1992 bis 2000 und von 2003 bis 2007.

Von sich aus ohne substanziellen Grund haben die Aktienmärkte noch nie einen großen Trend gedreht. Weder 1987, als Verkaufsprogramme in New York zu einem 21-Prozent-Tagescrash führten, noch im Finanzkrisen-Crash, dem Missbrauch mit aufgeblasenen Wertpapieren sowie falsche Versprechungen und Hoffnungen auf einen endlosen Aufschwung am Immobilienmarkt vorausgingen. Entscheidend wird letztlich sein, wie sich die Konjunktur weiter entwickeln kann. Und hier ist für Anleger auch jetzt noch nicht alles verloren.

Erste Chance: Die US-Konjunktur wird nicht so schwach wie befürchtet.

Große Ängste entwickeln die Aktienmärkte derzeit vor einem möglichen Abschwung der US-Wirtschaft. Der wäre in der Tat sehr gefährlich, denn das stabile Wachstum Amerikas ist seit mehreren Jahren die wichtigste fundamentale Untermauerung der aktuellen Hausse. Dass durch den Handelskonflikt dabei China mit im Clinch ist, macht die Gefahr noch größer, denn der langfristige Aufschwung Chinas ist der asiatische Motor der Hausse.

Als „mäßig bis moderat“ hat die amerikanische Notenbank das US-Wachstum zuletzt bezeichnet. Wahrscheinlich werden es in diesem Jahr rund drei Prozent plus. Vorboten, dass es 2019 etwas weniger wird, gibt es – etwa auslaufende Effekte der Steuerreform oder rückläufige Neubauverkäufe. Ein Automatismus in eine Rezession hinein aber gibt es nicht. Ähnlich wie in den zuletzt schwächeren Jahren 2011 oder 2016 könnte die US-Konjunktur etwas abbremsen und bei rund 1,5 bis 2,0 Prozent Wachstum landen. An den Aktienmärkten kam es in diesem Umfeld zu typischen Korrekturverlusten von rund 20 Prozent.

Zweite Chance: Die US-Notenbank Fed kann flexibel gegensteuern

Im Gegensatz zur Zwangslage der EZB, die ihr geldpolitisches Pulver verschossen hat, hat die Fed in den vergangenen Jahren eine kluge und erfolgreiche Geldpolitik betrieben. Janet Yellen gebührt das Verdienst, die Zinswende Ende 2015 eingeleitet zu haben. Achtmal hat die Fed mittlerweile die Leitzinsen heraufgesetzt. In Kürze, zur Sitzung am 18. und 19. Dezember, könnte es zum neunten Mal soweit sein. Für nächstes Jahre werden nach bisheriger Lesart drei weitere Erhöhungen erwartet.

Allerdings, ausgemachte Sache ist das keineswegs. Die jüngsten Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell deuten darauf hin, dass die Notenbank durchaus ein Auge für die offenen Flanken der wirtschaftlichen Entwicklung und der Märkte hat. So könnte es vielleicht noch im Dezember zu einer kleinen Erhöhung kommen – jedoch garniert mit der Aussage, dass weitere Zinserhöhungen nur dann anstehen, wenn die Wirtschaft wirklich überschäumt.

Weil die Fed nach acht Zinserhöhungen genug Spielraum hat, könnte sie eine mögliche Schwächephase der US-Wirtschaft frühzeitig abfangen. Und sie hätte auch Spielraum, nach einer längeren Zinspause dann die Erhöhungen gegebenenfalls fortzusetzen.

Dritte Chance: Die Megatrends Digitalisierung, Internet und neue Mobilität sind ungebrochen

Im Mittelpunkt der jüngsten Börsenturbulenzen stehen die großen Technologieaktien, die den Aufschwung der vergangenen Jahre besonders getragen haben. In Amerika sind das vor allem Apple, Amazon, Microsoft, Google/Alphabet oder Facebook; im Dax am ehesten SAP und Infineon, mit Einschränkungen Siemens (wegen der engen Verbindung zur klassischen Industrie) und durchaus ein Überflieger wie Wirecard.

Die Entwicklungen bei den einzelnen Technologie-Protagonisten sehen indessen unterschiedlich aus. Während bei Amazon, Microsoft, SAP und Alphabet die großen Trends an den Börsen weitgehend intakt sind, ist Facebook ernsthaft angeschlagen. Apple ist unentschieden, hier könnte die hohe Abwärtsdynamik der vergangenen Wochen weitere Kursrisiken signalisieren.

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