Riedls Dax-Radar
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Der Bondmarkt wird zum Risiko für die Aktienbörse

Der Dax hält sich, Unternehmen wie Beiersdorf oder Merck entwickeln sich gut. Doch der Anleihemarkt kippt erneut ab – ein Warnsignal für Konjunktur und Aktien. 

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Mit 8,7 Prozent in Deutschland und 8,5 Prozent in der EU bleibt die Inflation derzeit hartnäckig. Die von den Aktienmärkten seit Monaten erwartete Entspannung tritt bisher offensichtlich nicht ein. Dennoch hält sich der Dax gut und ist bis auf einen kurzen Ausrutscher auf 15.150 Punkten fast wieder bis in den Bereich der Februar-Spitzen vorgedrungen. 

Der Aktienmarkt zeigt weiterhin eine innere Stärke, die nach klassischen Regeln durchaus als gutes Signal gewertet werden kann: Ist ein Markt in einem guten Umfeld schwach, ist Vorsicht geboten; ist ein Markt in schwierigen Zeiten stark, ist Zuversicht angebracht. 

Starke Hanseaten mit schwacher Dividende

Ein Grund für diese Zuversicht sind Unternehmen, die sich derzeit ungebrochen gut entwickeln. Im Dax gehört hier ganz besonders Beiersdorf dazu. Der hanseatische Konsumchemiker hat ein stabiles Geschäftsmodell, das sich schon in vergangenen Krisen immer wieder bewährt hat. Nun ist Beiersdorf nach mehrjähriger Wachstumspause sogar wieder der Dreh zu mehr Dynamik gelungen. Beiersdorf kann hohe Kosten für Energie und Rohstoffe so gut verkraften, dass unterm Strich ein leichter Anstieg der Rendite bleibt. Mit 8,8 Milliarden Euro Umsatz und 771 Millionen Euro Nettogewinn war 2022 für Beiersdorf das beste Jahr seiner Geschichte.

Alles andere als rekordverdächtig ist allerdings die Dividende von Beiersdorf. Seit vielen Jahren zahlen die Hanseaten pro Aktie 0,70 Euro. Das mag ein Zeichen von Stabilität sein, zudem gehören mehr als 50 Prozent der Aktien der Familienholding Maxingvest (Tchibo); dazu kommen noch 10 Prozent Anteile im Eigenbestand. Freie Aktionäre sind bei Beiersdorf mit 39 Prozent in der Minderheit. Und die bekommen von der kompletten Ausschüttungssumme von 159 Millionen dann nur 62 Millionen Euro. Für ein Erfolgsunternehmen wie Beiersdorf, das sich Kriterien wie Umweltfreundlichkeit, Vielfalt und Gleichberechtigung auf die Fahnen schreibt, ist das ein echtes Defizit. Erst recht, da Beiersdorf-Aktien mit ihrer Bewertung alles andere als günstig sind. 

Nach ihrem jüngsten Anstieg bis fast aufs Allzeithoch könnten Beiersdorf-Aktien – wie schon oft in den vergangenen Jahren – im März in eine Schwächephase übergehen. Für strategische Käufe dürfte das dann neue Einstiegsmöglichkeiten eröffnen; womöglich im Bereich zwischen 100 und 115 Euro. 

Wachstumspause eröffnet Chancen bei Merck 

Auch der Darmstädter Pharma- und Laborspezialist Merck KGaA hatte 2022 ein gutes Jahr mit 13 Prozent mehr Umsatz (22,2 Milliarden Euro) und einem Anstieg des operativen Gewinns in gleicher Dynamik. Vor allem konnte Merck die erwarteten Rückgänge aus dem Geschäft mit Coronaprodukten ausgleichen. Aktionäre bekommen mit 2,20 Euro 35 Cent mehr Dividende. 

Dennoch ist Merck für 2023 vorsichtig. Die Darmstädter erwarten zwar noch ein leichtes bis solides organisches Umsatzwachstum, der Gewinn aber könnte schrumpfen. Gründe dafür sind der weitere Rückgang bei Coronaprodukten und der mögliche Abschwung im Halbleitergeschäft. An seiner Expansion hält Merck fest, sowohl durch Übernahmen als auch durch organisches Wachstum. Das mittelfristige Ziel, bis 2025 auf rund 25 Milliarden Euro Umsatz zu kommen, ist realistisch. 

Mit einem Börsenwert von 78 Milliarden Euro, einer 3,4-fachen Bewertung des in diesem Jahr möglichen Umsatzes, sind Merck-Aktien weder auffallend günstig noch überteuert. Die beiden Risiken, vor denen Merck derzeit warnt (Coronarückgang, Zyklik im Chipgeschäft) dürfte die Aktie durch den Kursrückgang Anfang 2022 und dann die Verluste seit Januar dieses Jahres schon zu einem guten Teil vorweggenommen haben. 

Nun geht es darum, wo die Notierungen Boden finden könnten, um von da aus dann ihre langfristige Aufwärtsbewegung fortzusetzen. Eine erste Station im Bereich der 200-Tagelinie zwischen 170 und 180 Euro ist gerade erreicht. Von hier aus könnte schon eine Erholung möglich sein. Ein weiterer Rückgang unter 160 Euro wäre zwar in einer hektischen Marktphase nicht ausgeschlossen, sollte sich dann aber letztlich als Abstaubergelegenheit erweisen. 

Düstere Aussichten in der Chemiebranche 

Am anderen Ende der Performance-Skala im Dax rangiert derzeit die Chemie. Wie schwierig das Geschäft angesichts teurer Rohstoffe, hoher Energiepreise und sinkender Nachfrage wird, zeigt sich zuallererst am Marktführer BASF, dessen Aktien derzeit deutlich unter Druck stehen. Doch auch Spezialisten wie Covestro bläst der Wind ins Gesicht. Für seine Kunststoffvorprodukte braucht Covestro reichlich teure Energie. Allein im vergangenen Jahr kam hier eine Rechnung von 1,8 Milliarden Euro zusammen; das waren 800 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. 

Im vergangenen Jahr hatte Covestro sein operatives Ergebnis auf 1,6 Milliarden Euro fast halbiert. Dazu kamen Wertberichtigungen und Abschreibungen, die netto dann zu 272 Millionen Euro Verlust führten. Die Nachfrage aus wichtigen Kundenbranchen wie Bau, Möbel und Elektrik schwächt sich ab; besser läuft es bei Produkten für die Autoindustrie. Insgesamt rechnet Covestro 2023 mit einer anhaltend schwierigen Entwicklung. 

Covestro-Aktien haben sich nach ihrem jüngsten Kursrutsch wieder etwas stabilisiert. Dennoch ist es kein gutes Signal, wenn die bisher günstige Gewinnbewertung und die hohe Dividendenrendite vor allem auf optimistische Erwartungen zurückzuführen sind und nicht auf echte Ergebnisse. Die Umsatzbewertung von 0,5 ist moderat, könnte sich aber in einer schwierigen Marktphase noch weiter verringern. Womöglich findet die Aktie erst wieder im Bereich 36 bis 38 Euro den nächsten Halt.

Anleihen krachen auf das Niveau von 2011 

Während der Deutsche Aktienindex sich trotz heftiger Inflationszahlen gut hält, haben die Kurse am Anleihemarkt seit Wochen wieder nach unten gedreht. Seit Mitte Januar hat sich die Rendite für die in Europa führenden zehnjährigen Bundesanleihen von 2,0 auf 2,7 Prozent erhöht. Spiegelbildlich ist das Anleihebarometer Bund Future von 140 auf 131 Prozent gesunken. Der Anleiheindex Rex ging von 128 auf 123 Punkte zurück. Er notiert damit so tief wie zuletzt 2011. 

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Diese Schwäche am Anleihemarkt signalisiert nicht nur einen anhaltenden Inflationsdruck. Sie ist auch ein Zeichen dafür, dass die Notenbanken Fed und EZB in den nächsten Monaten wahrscheinlich weiterhin kräftig auf die Geldbremse treten und die Zinsen womöglich länger und weiter heraufsetzen, als bisher erwartet. 

Ob die Notenbanken dann bei einem möglichen Abkippen der Konjunktur wirklich schnell umsteuern, bleibt eine heikle Frage. Darauf jetzt schon zu spekulieren, dürfte angesichts hartnäckiger Inflationssignale verfrüht sein. 

Fazit für den Dax: Noch immer hält sich der Deutsche Aktienindex stabil über der Marke von 15.000 Punkten. Der seit Oktober bestehende Aufwärtstrend ist zwar schon leicht verletzt; angesichts der inneren Stärke des Aktienmarkts muss es deshalb aber nicht automatisch zu einem Absturz kommen. 

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Der Abstand zur Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage, die derzeit bei 13.782 Punkten verläuft, ist nach wie vor groß und signalisiert weiterhin einen überhitzten Markt. Ein Rückschlag, etwa bis in den Bereich um 14.500 Punkte, ist damit noch nicht vom Tisch. Erst recht nicht, wenn die Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen bis ins Frühjahr womöglich in Richtung 3,0 Prozent klettern sollten. 

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