Riedls Dax-Radar
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Der Dax hängt Dow Jones und Nasdaq ab

Trotz Schuldenkrimi, Zinserhöhungen und Bankpleiten drehen deutsche Aktien nach oben – und der Dax erreicht gar ein neues Rekordhoch. Wie geht es nun weiter?

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Mit einem Tagesplus von 0,8 Prozent auf 16.292 Punkte hat der Dax am Freitag sein Allzeithoch erreicht. Das markierte er bisher Mitte November 2021 mit 16.290 Punkten, wenn man die Tageshöchstkurse heranzieht. Anfang 2022 erreichte er noch einmal ähnlich hohe Niveaus. Am 5. Januar 2022 gab es mit 16.271,75 Punkten bislang den höchsten Tagesschlusstand.

Seit dem Tief Ende September hat der Dax in einer mittelfristigen Trendbewegung von 11.976 Punkten aus um mehr als ein Drittel zugelegt. Die gesamte Baisse des Jahres 2022 ist damit praktisch ausgeglichen.

Normalerweise vollziehen sich Abwärtsbewegungen dynamischer als Aufwärtsphasen – dieses Mal aber ist es umgekehrt: Während die Abwärtsbewegung neun Monate dauerte, brauchte der Dax für den Ausgleich nur siebeneinhalb Monate. Das ist ein Beleg für die robuste Verfassung des deutschen Aktienmarkts.

Auch die Marktbreite stimmt. In Amerika wird darüber diskutiert, dass nur wenige Aktien die Aufwärtsbewegung tragen und die Börse deshalb anfällig sei. Hierzulande jedoch drängt die überwiegende Mehrzahl der Dax-Werte nach oben: Bei 27 von 39 Einzelaktien (die Porsche AG ist noch nicht lange genug an der Börse) verlaufen die aktuellen Kurse deutlich über der 200-Tagelinie. Das ist eine Hausse-Quote von 70 Prozent.

Allen voran tragen Einzelwerte wie SAP. Hier honorieren Anleger mittlerweile den strategischen Schwenk ins Cloudgeschäft. Zugleich schüren abklingende Zinsgefahren die Hoffnung auf ein Comeback des umfangreichen Venture-Capital-Geschäfts von SAP. Siemens hat im Gleichschritt mit dem Dax bei 158 Euro sein Allzeithoch von Januar 2022 erreicht, zuletzt beflügelt von einem verdreifachten Jahresgewinn und erneut hochgesetzten Prognosen. Zudem gibt es Hoffnung beim Ableger Siemens Energy und dessen Problemtochter Siemens Gamesa. Allein die Stärke der beiden Technologieflaggschiffe SAP und Siemens ist ein positiver Ausweis für den deutschen Aktienmarkt.

Im Mittelfeld kommen vielversprechende Erholungen dazu. Die Deutsche Post leidet zwar im operativen Geschäft unter dem Rückgang von Frachtraten und den Unsicherheiten des Handels von und nach Asien. Doch die Aktie hat dies durch die Kurshalbierung von September 2021 bis September 2022 vorweggenommen. Das gibt Spielraum für positive Überraschungen und macht eine Fortsetzung der jüngsten Aufwärtsbewegung möglich.

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Henkel zieht wie entfesselt nach oben, seitdem der Düsseldorfer Konsumchemiker nach langen Monaten einen Modus gefunden hat, sich von seinen russischen Geschäften zu lösen. Mit dem Anstieg über 69 Euro gab die Aktie ein Kaufsignal, das für einen längeren Bestand der jüngsten Aufwärtstendenz spricht. Konkurrent Beiersdorf ist bei Notierungen um 127 Euro schon seit Wochen auf Hausse-Terrain.

Sogar Absturzkandidaten wie Adidas und Fresenius kommen wieder auf die Beine. Bei Adidas sind das nicht nur die Folgen des Chefwechsels von Kasper Rorsted zu Björn Gulden; die Erholungstendenz bei Marktführer Nike zeigt, dass die Sportartikelbranche weltweit den Weg aus dem Tief findet, in das sie durch Corona, Inflation und geopolitische Krisen gestürzt ist.

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Fresenius kommt mit der Neustrukturierung um seine Ableger Dialyse (FMC), Kliniken (Helios), Arzneimittel (Kabi) und Gesundheitsdienstleistungen (Vamed) bisher zwar erst langsam voran. Mit einem Absturz auf 15 Milliarden Euro Marktkapitalisierung für einen der größten Gesundheitskonzerne weltweit hat die Börse die Probleme allerdings reichlich diskontiert. Ähnlich wie im Fall Henkel könnte es bei weiteren Erfolgen im Umbau zu einem schnellen Kursanstieg kommen.

Problemfälle im Dax gibt es natürlich auch. Aktien des Wohnungskonzerns Vonovia haben sich im Zuge massiver Zinserhöhungen und Risiken bei der Bewertung von Immobilienbeständen mehr als gedrittelt. Bei Kursen von bis zu 15,66 Euro sackte die Aktie (kapitalbereinigt) bis auf das Niveau, zu dem sie 2013 als Deutsche Annington an der Börse startete. Auch wenn jetzt der Abstieg aus Indizes wie dem Euro Stoxx droht, könnte die Aktie allein schon durch eine technische Reaktion zwischen 15 und 20 Euro eine Stabilisierung einleiten.

Bei der Commerzbank kommt es zu Kursabschlägen, weil Skeptiker wie die Bank of America ein Ende des Rückenwinds steigender Zinsen befürchten und die Aktie in den vergangenen Jahren zudem weit gelaufen sei. Indes, der Börsenwert von 12 Milliarden Euro ist für eine mittlerweile wieder rentable Bank mit einer Bilanzsumme von 470 Milliarden Euro keineswegs überzogen. Sollte die Cobank wie von Analysten erwartet in diesem Jahr wirklich netto zwei Milliarden Euro verdienen und weiterhin 50 Eurocent oder mehr je Aktie ausschütten, wäre sie zudem günstig bewertet und dividendenstark. Und die Beteiligung des Bundes, der noch mit 15,6 Prozent an Bord ist, dürfte in Zeiten von Vertrauenskrise und Bankenproblemen ein Bestandsvorteil sein. Selbst wenn die Aktie in den nächsten Wochen bis auf acht Euro abrutscht, wäre der seit 2020 laufende Aufwärtstrend weiterhin intakt.

US-Risiken verlieren ihren Schrecken

Mit dem kompletten Ausgleich der Baisse von 2022 hat der Dax etwas zustande gebracht, das die amerikanischen Börsenkurven Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq 100 bisher noch nicht geschafft haben. Der Dax hat sich damit weder vom amerikanischen Haushaltsstreit noch von den Problemen mittlerer und spezieller amerikanischer Banken nach unten ziehen lassen. Das heißt nicht, der Dax wäre immun gegen einen amerikanischen Default oder neue US-Bankpleiten. Es bedeutet aber sehr wohl, dass beide Risiken hierzulande überwiegend als amerikanische Probleme eingestuft werden: der Haushaltsstreit als vor allem politisch motivierte Auseinandersetzung im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahlen; und die Bankenkrise als eine Folge des schnellen Zinsanstiegs auf letztlich nicht resistent genug ausgerichtete Portfolios an Krediten, Beteiligungen oder Wertpapieren. Die jüngsten operativen Erfolge der Deutschen Bank und zum Teil auch die der Commerzbank zeigen, dass ausgerechnet die oft von Angelsachsen als wenig smart belächelten deutschen Geldhäuser für solche kritischen Phasen besser gerüstet sind.

Fazit für den Dax: Nach vier Wochen Seitwärtsbewegung gelang dem deutschen Aktienmarkt wieder der Sprung nach oben. Von möglichen Korrekturbewegungen, etwa bis 15.300 oder gar 14.800 Punkten, ist im Augenblick nichts zu spüren. Deutlich oberhalb der 200-Tagelinie, die derzeit bei 14.356 Punkten verläuft, drängt der Dax weiter nach Norden. Bei jedem der jüngsten Rücksetzer – im Dezember 2022, im März 2023 und zuletzt Anfang Mai – hat der Dax seinen Abstand zu dieser inneren Route des mittel- bis langfristigen Trends vergrößert. Das kennzeichnet einen Markt, dessen Dynamik weiter zunimmt. Der 200-Tage-Durchschnitt dreht dabei selbst mit Nachdruck nach oben, das unterstützt das positive Marktmomentum.

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Natürlich sind auch im Dax nach einer solchen Kletterpartie Rückschläge möglich – vor allem, wenn es aus Amerika doch unerwartet schlechte Nachrichten geben sollten. Dennoch dürften diese Rückschläge weiterhin nur kurzfristige Korrekturen in einer stabilen Aufwärtsbewegung sein. Insofern ist es derzeit wenig sinnvoll, Gewinne frühzeitig mitzunehmen oder den Markt zu shorten. Eine massive Abwärtswelle im Dax dürfte erst drohen, wenn die Zone zwischen 14.500 bis 14.800 Punkten nicht mehr halten sollte; und davon ist der Deutsche Aktienmarkt derzeit weit entfernt. Im Gegenteil: Die robuste Marktverfassung und die bis in den Hochsommer hinein positive Marktzyklik macht sogar neue Rekordkurse möglich.

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