Die wie erwartet eingetretene Entspannung bei den amerikanischen Inflationszahlen beflügelt die Aktienmärkte. Auch wenn die Indizes schon vor Bekanntgabe der im Dezember nur noch um 6,5 Prozent gestiegenen Konsumentenpreise losgezogen sind, hat sich der rückläufige Inflationstrend damit abermals stabilisiert. Die Reaktion der Anleihemärkte zeigt, wie substanziell die Erleichterung ist: Die Renditen für zehnjährige amerikanische US-Staatsanleihen haben nach einem kurzen Zwischenanstieg mit 3,45 Prozent nun wieder das Tief vom Dezember erreicht. Da auf diesem Niveau auch die Renditespitzen vom Juni vergangenen Jahres lagen, wäre hier nun ein abermaliger kurzer Renditeanstieg möglich. Insgesamt aber könnte die Entspannung bei den Preisen die zehnjährigen US-Renditen in den nächsten Monaten bis in den Bereich um 3,2 Prozent abdriften lassen.
Auch zehnjährige Bundesanleihen haben sich im Kurs deutlich erholt und ihren jüngsten Renditeausflug über die Marke von 2,5 Prozent schnell beendet. Hier könnte eine Zinsentspannung die Renditen in den nächsten Monaten in die Zone 1,8 bis 2,0 Prozent drücken. Auch wenn die EU bei der Inflationsbekämpfung noch nicht so weit ist wie die USA, gibt es einen gemeinsamen Hoffnungsschimmer: sinkende Preise für Öl und Gas.
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Im Dax macht sich das bei einigen Unternehmen ganz besonders bemerkbar. Kunststoffchemiker Covestro etwa litt im vergangenen Jahr erheblich unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen. Die entsprechenden Erhöhungen zehrten praktisch den gesamten operativen Gewinn auf. Doch 2023 ist eine Erleichterung in Sicht. An den Weltmärkten haben sich die Preise für Erdgas deutlich beruhigt und etwa das Niveau wie vor dem Ukraine-Krieg erreicht. Erdgas ist für Covestro die wichtigste Energiequelle und zugleich Produktionsrohstoff.
Zudem dürften die Preise für petrochemische Rohstoffe, die Covestro umfangreich einsetzt, im Zuge der Ölpreisentspannung ebenfalls deutlich nachgeben. Insgesamt sollte sich das spätestens im zweiten Halbjahr mit Kostenentlastungen bemerkbar machen – und darauf wird an der Börse schon jetzt spekuliert: Mit dem Anstieg über 38 Euro haben Covestro-Aktien ein Kaufsignal gegeben. Mittelfristig liegen die nächsten Ziele um 46 Euro.
Massiv verbessert hat sich auch die Verfassung der BASF-Aktie. Schon die Rückeroberung des Niveaus um 46 Euro war ein wichtiges Stärkesignal. Nun, mit dem Sprung über 51 Euro, gelang der Ausbruch aus einer klassischen Bodenformation. Das positive Kursbild passt zum aufgehellten Umfeld, das sich BASF bietet: Die allgemeine Konjunkturlage stellt sich mittlerweile nicht mehr so düster dar, wie noch vor Monaten befürchtet. Dazu kommen bessere Preise und höhere Margen für chemische Grundstoffe. Die Gasversorgung ist, auch angesichts des milden Winters, aller Voraussicht nach erst einmal gesichert.
Dazu profitiert BASF – genauso wie Covestro – ganz besonders von einer Wiedereröffnung des chinesischen Markts. China ist für BASF mit Abstand der wichtigste Wachstumsmarkt, der aktuell gut 15 Prozent zum Umsatz beisteuert. Der Anteil der Gewinne, zumal im asiatischen Umfeld insgesamt, ist noch deutlich umfangreicher. Derzeit ist in Guangdong eine riesige Chemieanlage in Bau, die der drittgrößte Standort von BASF werden dürfte. Die jüngste Stärke der BASF-Aktie ist auch ein hoffnungsvolles Signal dafür, dass die geopolitischen Spannungen mit China nicht noch weiter eskalieren sollten.
Allein die Diskussion um Aufspaltung kann die Performance von Bayer erhöhen
Auch Aktien von Bayer gehören aktuell zu den Favoriten im Dax. Verantwortlich dafür sind aber weniger die Hoffnungssignale in der Chemie, bei der für die Leverkusener vor allem die Agrarchemie im Mittelpunkt steht. Kurstreibend ist vielmehr der Einstieg der beiden aktivistischen Investoren Inclusive Capital und Bluebell Capital. Dabei geht es zum einen um einen möglichen externen Nachfolger des spätestens 2024 ausscheidenden aktuellen Chefs Werner Baumann, zum anderen um mögliche Auf- und Abspaltungen des Bayer-Konzerns. Beides könnte erheblich dazu beitragen, den Gesamtwert der Bayer-Unternehmen zu erhöhen.
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Zwar haben die aktivistischen Investoren nur kleine Aktienanteile, sie fungieren aber zunehmen als Sprachrohr für andere, größere Investoren, die angesichts des Kursdesasters von Bayer ziemlich frustriert sein dürften. Ob die jüngsten Aktionen nun zu Auf- oder Abspaltungen führen oder nicht – allein die laufende Diskussion wird Bayer massiv unter Druck setzen, seine Performance an der Börse zu erhöhen.
Dazu kommt eine ganze Reihe von Trittbrettfahrern an der Börse, die im weiten Umfeld eines Führungswechsels die Chance für eine Umstrukturierung von Bayer sehen. Gemessen an einem Jahresumsatz von mehr als 50 Milliarden Euro ist für einen Pharma- und Agrarchemiker ein Börsenwert von 53 Milliarden Euro geradezu ein Discount – zumal Bayer die enormen Belastungen durch das Monsanto-Debakel mittlerweile weitgehend verarbeitet haben dürfte; und feste Großaktionäre, die sich einer Aufspaltung widersetzen könnten, hat Bayer auch nicht.
Fazit für den Dax: Das zuletzt angepeilte Kursniveau von 14.800 bis 15.000 Punkten hat der Dax mit Leichtigkeit erreicht und sogar übertroffen. Angetrieben wird der Markt von einer ganzen Reihe starker, zentraler Einzelaktien wie BASF, Allianz, Bayer, BMW, Deutsche Telekom, Mercedes-Benz, Münchener Rück, Siemens und selbst SAP. Dazu kommen dynamische Erholungsbewegungen bei RWE, Adidas, Continental, Porsche AG und starke Spezialaktien wie MTU und Sartorius. Selbst Vermieter Vonovia startet – mitten in der Angst vor einer neuen Immobilienkrise – die deutlichste Comeback-Bewegung seit seinem Absturz. Da fällt es kaum noch ins Gewicht, dass Industriegasekonzern Linde, mit 150 Milliarden Euro Börsenwert immer noch schwerste Dax-Aktie, im Zuge seiner anstehenden Indexflucht zuletzt merklich nachgegeben hat.
Bei 79 Prozent aller Dax-Aktien verlaufen die aktuellen Kurse mittlerweile oberhalb ihrer 200-Tagelinie. Allein in der vergangenen Woche hat sich die Marktbreite damit von einer verhalten positiven in eine ausgesprochen robuste Verfassung verbessert. Diese Stärke indes muss keineswegs dazu führen, dass der Dax nun in diesem Tempo weiterklettert. Sie ist aber eine gute Basis dafür, dass der Index die nächste, anstehende Korrekturphase glimpflich überstehen könnte.
Mit der Stabilisierung bei 14.000 Punkten hat der Dax einen klassischen Dreh oberhalb der nun bald steigenden 200-Tagelinie zuwege gebracht. Mit dem Anstieg über 14.500 wurde dieser Trend bestätigt, im Bereich um 15.000 hat der Index nun die Tiefspitzen der Top-Formation von 2021 bis Anfang 2022 erreicht. Angesichts der zuletzt deutlichen Kursgewinne dürfte es nun im gesamten Bereich 14.500 bis 15.200 erst einmal zu einer Konsolidierung kommen. Die allerdings könnte dann angesichts der robusten Marktverfassung nur eine Zwischenstation für weitere Zugewinne werden.
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