Riedls Dax-Radar
Statue

Die Börse ist reif für eine Gegenreaktion

Nach fast 40 Prozent Verlust könnte im Dax eine Zwischenerholung anstehen. Je mehr Boden die Aktienkurse dabei gut machen, desto geringer ist die Gefahr eines zweiten Absturzes im späteren Jahresverlauf.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mit Stützungsmaßnahmen und Liquiditätssicherungen, die es in einem solchen Ausmaß noch nie gegeben hat, stemmen sich die Notenbanken gegen den Absturz von Konjunktur und Märkten. Dazu kommen Hilfsprogramme der Regierungen in einem Umfang und in einer Schnelligkeit, die noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen wären. Das alles sind zwar untrügliche Zeichen dafür, wie ernst die aktuelle Krise ist. Es ändert aber nichts daran, dass diese Maßnahmen früher oder später greifen.

Sollte die Konjunktur in den großen Industrieländern nun, wonach es aussieht, durch den Coronaschock um 20 Prozent abstürzen, so wären die Verluste an den Börsen, die weltweit im Durchschnitt etwa bei 40 Prozent liegen, keineswegs unrealistisch überzogen.

Börsen übertreiben immer, weil sie durch die Erwartungen an die zukünftige Entwicklung entweder durch Gier nach oben getrieben oder durch Angst nach unten gedrückt werden. Je mehr sich dann durch Fakten eine neue Lage herauskristallisiert, desto eher pendeln sich dann auch die Kurse auf einem neuen Niveau wieder ein.

Drei bis vier Wochen panischer Absturz und Verluste im Bereich zwischen 35 und 45 Prozent – das sind die typischen Ausmaße der größten Crash-Bewegungen der neuzeitlichen Börsen in den Jahren 1929 und 1987. In beiden Fällen kam es im Anschluss an den akuten Crash erst einmal zu einer Beruhigung, in der sich Börsen und Anleger neu orientierten. Auch jetzt, nach ähnlichen Verlusten in Dax, Dow Jones und anderen großen Marktbarometern, dürfte diese Phase an den Aktienmärkten einsetzen.

Was im Vergleich zu 1929 besser läuft

Im Gegensatz zu 1929 gibt es heute drei wichtige Unterschiede, die für die nächsten Monate entscheidend werden können:

Erstens sind die Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen wesentlich koordinierter und umfassender als Ende der Zwanziger- und Anfang der Dreißigerjahre. Diese Maßnahmen werden in den nächsten Monaten ihre Wirkung entfalten und sind eine wichtige Hilfe bei der Neuorientierung an den Börsen.

Zweitens ist der Taktgeber der Krise, die Virusbedrohung, ein exogenes Phänomen, das Wirtschaft und Märkte mit voller Wucht getroffen hat. Nachdem die Bedrohung über viele Monate unterschätzt wurde, gibt es hier in praktisch allen betroffenen Ländern mittlerweile so einschneidende politische Maßnahmen, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Zudem dürfte es nur eine Frage von Monaten sein, bis das Virus durch Medikamente und Impfstoffe bekämpft werden kann.

Drittens gibt es eine ganze Reihe führender Unternehmen, die die Krise zwar spüren, deren Geschäftsmodell aber keineswegs gebrochen ist. Vor allem die großen Digitalisierungs- und Internetunternehmen gehören hierzu: Apple, Amazon, Microsoft oder SAP. So sind bei vielen Technologietiteln die Verluste bisher nicht nur wesentlich geringer als bei den Werten der Old Economy. Der Nasdaq-100-Index, der bisher die wichtige Zone um 7000 Punkten erfolgreich verteidigt, hält immer noch den seit 2016 laufenden Aufwärtstrend. Im Technologiemarkt spielt sich damit immer noch nur eine Korrektur ab und nicht eine Trendwende nach unten.

Reif für eine Gegenreaktion

Der Dax hat bisher im Xetra-Verlauf am 19. März ein Tief bei 8258 Punkten und gemessen am Schlussstand am 18. März ein Tief bei 8442 Punkten ausgebildet. Die an dieser Stelle ins Auge gefasste Untergrenze 8000 bis 8200 Punkte hat damit bisher gehalten. Die Verteidigung dieser Basiszone ist so wichtig, weil sich hier in den Jahren 2000 bis 2016 zahlreiche Hoch- und Tiefpunkte gebildet hatten. Zudem verläuft in diesem Bereich auch der langfristige, seit 1982 bestehende Aufwärtstrend; wobei es bei so langjährigen Projektionen nicht auf einige hundert Punkte mehr oder weniger ankommt.

Aktuelles Fazit für den Dax: Die Dramatik der Virenkrankheit ist offensichtlich, ein Wachstumseinbruch von 20 Prozent und mehr wird erwartet, Hilfsmaßnahmen in historischem Ausmaß laufen an und an den Märkten hat eine Jahrhundertpanik stattgefunden. All dies spricht dafür, dass die Börsen reif sind für eine Gegenreaktion.

Dafür gäbe es sogar ein theoretisches Idealziel: Gemessen am Xetra-Schluss die 10.382 Punkte, mit denen der Dax am 27. Dezember 2018 nach einer sechsmonatigen Baisse ein mittelfristiges Markttief gebildet hat. Je näher der Dax in den nächsten Wochen bis zu diesem Punkt vordringt, desto geringer ist die Gefahr, dass er in einer zweiten Absturzphase im späteren Jahresverlauf dann doch noch unter die 8000er-Zone rutscht. Kommt er bei seiner Zwischenerholung sogar deutlich über die 10.382 Punkte hinaus, wäre das ein echtes Entwarnungssignal.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%