Riedls Dax-Radar

Die Chancen für eine Dax-Erholung stehen 60 zu 40

Schwache Unternehmenszahlen, der starke Euro und der Diesel-Skandal drücken immer mehr deutsche Aktien nach unten. Dennoch, auch wenn es knapp wird, könnte der Dax nach sechs Wochen Korrektur wieder den Dreh nach oben schaffen.

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Diesel-Skandal, schwache Unternehmenszahlen und der starke Euro: Nach sechs Wochen Korrektur könnte der Dax wieder den Dreh nach oben schaffen. Quelle: dpa

Der Auftragseingang von Siemens enttäuscht, Bayer schneidet schlechter ab als erwartet, die Commerzbank macht dicke Verluste – und für die Autoaktien, die selbst nach dem Kursdesaster der vergangenen Monate noch ein Fünftel des Dax ausmachen, ist einfach keine Rettung in Sicht.

Die Dax-Favoriten der Woche

Dann der Euro. Spätestens, seitdem er über das mittelfristige Hoch bei 1,16 Dollar gestiegen ist, wächst die Unruhe. Vor allem am deutschen Aktienmarkt, an dem sich immer mehr Schwächen einschleichen. Kurstechnisch häufen sich Abwärtsdrehungen:

BASF ist weit unter die 200-Tage-Linie gerutscht. Hier gibt es vor allem Probleme mit Wintershall in Libyen. Das ist kein Pappenstiel, denn Wintershall gehört traditionell zu den wichtigsten Gewinnbringern von BASF. Sollte eines Tages auch noch die allgemeine Chemiekonjunktur nachlassen, wäre der Abschwung perfekt.

Fresenius, eigentlich ein Dauerbrenner, hat bei 80 Euro eine richtige kleine Doppelspitze hingelegt. Der nachfolgende Kursrutsch ging nicht nur durch die 200er-Linie, sondern gleich noch unter die Marke bei 70. Die jüngsten Zahlen waren zwar nicht schlecht. Allerdings kommen bei immer mehr Anlegern Zweifel auf, ob sich die massive Übernahmepolitik, die mittlerweile zu 20 Milliarden Euro Schulden geführt hat, auch nachhaltig auszahlt.

HeidelbergCement hat sich seit einem Jahr zwischen 80 und 90 Euro festgefahren. Die Hoffnungen auf große Infrastrukturprogramme und entsprechend steigende Nachfrage nach Baustoffen, Zement und Beton flaut etwas ab. Sollte die Aktie auch unter 80 Euro sacken, wäre das ein Verkaufssignal.

Die Aktien-Dauerbrenner der letzten 10 Jahre

Trauerspiel Deutsche Bank, Baisse-Programm ProSieben

Linde, um die es in den vergangenen Monaten ruhiger geworden ist, hat durch den Rückgang unter das Niveau von 165 Euro ein klassisches Verkaufssignal geliefert. Bei 160 Euro steht der Kampf mit der 200-Tage-Linie auf der Tagesordnung. Im zweiten Quartal hat die Dynamik im Industriegasegeschäft deutlich nachgelassen. Die Fusion mit Praxair ist in Arbeit, Kursphantasie können Börsianer davon derzeit aber nicht ableiten.

Merck ist in einem Zug, ohne wesentliche Gegenbewegung, durch die Unterstützung bei 105 Euro und dann sofort unter die 200-Tage-Linie gesaust. Weltweit stehen Pharmaaktien derzeit unter Druck, selbst Ikonen wie Roche oder Pfizer schmieren ab. Die Hoffnung mancher Investoren, die bisher schon zurückgebliebenen Pharmaaktien könnten sich 2017 zu Favoriten mausern, gehen bisher überhaupt nicht auf.

ProSieben gehört derzeit zu den schwächsten Blue Chips weltweit. Seitdem die Aktie im Dax ist, geht es nach unten. Im Frühjahr gab es noch einmal einen Versuch, bei 40 Euro den Trend zu retten. Doch operativ bleiben Unsicherheiten, vor allem die Hoffnungen auf das Digitalgeschäft sind vage. Spätestens bei 30 Euro muss die Aktie halten. Wenn nicht, hätte sie eine mehrjährige Top-Formation mit erheblichem Baisse-Potenzial abgeschlossen.  

Auch bei der Deutschen Bank wird es gefährlich. Die Untergrenze bei 15 Euro muss verteidigt werden. Zu dieser fragilen Lage der Aktie passen die wenig berauschenden Fortschritte im laufenden Geschäft, die Chef Cryan zuletzt wieder gemeldet hat. Womöglich kommen sogar Reibungen mit dem Aufsichtsrat dazu. Eigentlich ist die Bewertung der Deutschen Bank mit einer Marktkapitalisierung von 31 Milliarden Euro angesichts ihrer Position, ihrer Bilanzsumme und ihrer Historie ein Witz. Doch dass selbst auf dieser gedrückten Basis abermals Kursrisiken entstanden sind, macht das Trauerspiel um die Deutsche offensichtlich. Bisher ist der Markt davon ausgegangen, dass unter Cryan die Wende geling. Was aber ist, wenn es auch diesmal wieder nicht klappt?

Ein Rücksetzer im Euro gäbe dem Aktienmarkt wertvolle Hilfe

Unter besonderem Druck stehen weiterhin die vier Fahrzeugwerte BMW, Daimler, Volkswagen und Continental. Alle vier notieren derzeit unter ihrer 200-Tage-Linie; soeben ist Conti als stabilster der Fahrzeugwerte auch unter diese Grenze gerutscht. Bei Daimler hat die 200er-Linie sogar nach unten gedreht. Eine solche Konstellation bestand Ende 2015. Damals ist Daimler in der Folge von 80 Euro auf 54 gesunken.


Quelle: BCG 2017

Mehr als die Hälfte der Dax-Aktien hat unter mittelfristiger Perspektive Probleme. Kurzfristige Erholungen sind hier zwar immer möglich, doch bis diese Trends – wenn überhaupt­  - wieder nachhaltig nach oben drehen, kann es Monate dauern.

Auf der anderen Seite gibt es im Dax immer noch eine Reihe starker Werte: Adidas, Commerzbank, Allianz (die gerade beim britischen Versicherer Liverpool Victoria einsteigt), Münchener Rück und Vonovia sehen kurzfristig am besten aus; Infineon, Lufthansa, Post sind stabil; E.On und RWE in einer energischen Wende.

Fazit für den Dax: Im internationalen Vergleich ist der Dax wegen seiner Sonderbelastungen (starker Euro, schwache Autos) derzeit Schlusslicht. Die taktgebenden Börsen in den USA notieren stabil am Hoch. Das trägt wesentlich dazu bei, die akute Crash-Gefahr zu reduzieren. Bei 11870 Punkten verläuft derzeit die 200-Tage-Linie, die stetig nach oben drückt. Es wäre gut für den deutschen Aktienmarkt, wenn der Dax spätestens im Bereich 11900 bis 12100 die Kurve bekommt und von da aus zumindest eine Zwischenerholung einleitet.

Nach sechs Wochen Rückgang würde das ins typische Timing passen. Auslöser dafür könnte eine Korrektur im Euro sein, der spätestens im Bereich um 1,20 Dollar auf vermehrten Widerstand stößt. Für dieses positive Szenario dürfen nur die US-Börsen nicht dazwischenfunken. Die Chancen, dass der Dax in den nächsten Wochen wieder den Dreh nach oben schafft, stehen 60 zu 40.

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