Riedls Dax-Radar
Beinahe unbemerkt hat der Euro einen neuen Höhenflug angetreten Quelle: imago images

Die heimliche Stärke europäischer Märkte und Aktien

Nur noch wenige Prozent fehlen dem Dax bis zu seinen Höchstkursen. Gründe dafür gibt es mehrere – und die machen europäische und deutsche Aktien im internationalen Vergleich derzeit aussichtsreich.

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Es gibt derzeit eine Entwicklung an den internationalen Wertpapier- und Assetmärkten, die nur wenige Beobachter auf dem Schirm haben, die aber für die Anlagepolitik entscheidend ist: Die heimliche Stärke Europas. Der Euro hat binnen sechs Monaten gegenüber dem amerikanischen Dollar von 0,96 auf bis zu 1,10 zugelegt. Das ist nicht nur eine der dynamischsten Anstiegsphasen der vergangenen Jahre; sie kam auch ziemlich überraschend, da die europäische Währung im Zuge des Ukrainekriegs zeitweise schwer unter Druck geriet. Dazu kam eine EZB, die sich zunächst eher für Politik und Klima interessierte, als für ihre eigentliche Aufgabe, die Sicherung der Geldwertstabilität. Das späte und entschiedene Bekenntnis der Währungshüter dazu katapultierte dann den Euro geradezu aus dem Tief. 

Und nicht nur gegenüber dem Dollar. Gegenüber dem britischen Pfund Sterling zieht der Euro seit 2022 nach oben, weil Britannien offensichtlich mit der Abkehr vom Festland nicht so gut zurecht kommt, wie einst erhofft – und wohl auch mehr Probleme als Resteuropa hat, die Folgen steigender Zinsen zu verkraften. Zahlreiche Währungen weltweit, vom Singapur-Dollar über die Indische Rupie bis zur Norwegischen Krone, die lange Jahre gegenüber dem Euro stabil bis stark waren und als lukrative Fluchtmöglichkeit galten, sind seit einigen Monaten ins Hintertreffen geraten. Sogar der Schweizer Franken, der noch im Herbst bis auf 1,05 hochgezogen ist, kämpft derzeit mühsam um die Parität mit dem Euro. 

Das Geld der Eidgenossen wird eingebremst durch die schwerste Bankenkrise seit Jahrzehnten, die sich ausgerechnet auf dem als besonders sicher geltenden Finanzplatz Schweiz abspielt: Der Untergang der Großbank Credit Suisse, die jetzt auf dem Weg der Übernahme durch den ehemaligen Konkurrenten UBS gerettet werden muss. Ob und wie dieser Kraftakt gelingt und welche strukturelle Folgen es für den Finanzplatz Schweiz langfristig hat, wenn es nur noch eine, fast monopolartig operierende Großbank im Lande gibt, bleibt abzuwarten. Für Investoren dürfte es zumindest mittelfristige eine tiefe Verunsicherung bedeuten – die im Gegenzug dazu die Europäische Union in einem helleren Licht erscheinen lässt. 

Banken sind es auch, die den US-Markt wackeln lassen. Hier gibt es in der Geldbranche zwei Phänomene, die in der EU nicht so stark ausgeprägt sind: Die Rolle von Spezialinstituten wie der Sillicon Valley Bank für junge, aufstrebende Unternehmen; und die große Bedeutung von Regionalbanken für die Finanzierung kleinerer und mittlerer Betriebe im weiten Land. In beiden Bereichen geraten US-Institute durch den massiven Zinsanstieg vermehrt in eine Klemme, weil sie durch die inverse Zinsstruktur langfristige Kredite kurzfristig teuer refinanzieren müssen. Ist ihr Kreditportfolio dann auch noch wenig diversifiziert, schnellt das Risiko nach oben. 

Die Commerzbank ist deutscher als die Deutsche Bank

Vom weltweiten Bankenbeben mit nach unten gezogen werden auch die Geldhäuser in der EU. Im Dax erwischte es besonders die Deutsche Bank, weil die mit ihrem umfangreichen Investmentbanking als besonders anfällig für Turbulenzen an den weltweiten Assetmärkten gilt. Deutscher als die Deutsche Bank allerdings ist hier die Commerzbank. Die verlor zwar im Zuge des Bankencrashs im März ebenfalls gut ein Viertel an Börsenwert, ist aber durch ihre breitere Verankerung in der hiesigen Wirtschaft, dem Mittelstandbanking, immer noch mehr als 400 Filialen und einem nicht so umfangreichen Investment- und Derivategeschäft wie die Deutsche Bank jetzt auf der stabilen Seite. 

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Geschäftszahlen und Prognosen der Commerzbank sehen keineswegs nach Bankenkrise aus: Die Bilanzsumme ist mit 477 Milliarden Euro gut austariert im mittleren Bereich: nicht mit zu viel Volumen belastet, das dann wieder mit teurem Eigenkapital unterlegt werden muss – aber umfangreich genug, um bei großen Transaktionen mit dabei zu sein. Die Risikoaktiva sind mit 169 Milliarden weiter auf dem Rückmarsch, und sie sind mit 14,1 Prozent harter, aufsichtsrechtlicher Kernkapitalquote gut unterlegt; gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte.

Die Aufwandsquote im operativen Geschäft hat sich zuletzt deutlich auf 61,8 Prozent verbessert; die Eigenkapitalrendite ist auf 8,7 Prozent gestiegen. Beides ist noch nicht berauschend, zeigt aber, dass die Cobank hier auf dem richtigen Weg ist. Und wenn sie dabei etwas langsamer und vorsichtiger vorgeht, könnte sich das gerade in kritischen Zeichen als Sicherheitsvorteil erweisen. Und auf alle Fälle zählt dazu die Staatsbeteiligung von gut 15 Prozent. Die wird von manchen Topbankern zwar gern als ungeliebt dargestellt, dürfte aber in den Augen von Anlegern und Sparern für die Sicherheit der Bankeinlagen ein substanzieller Vorteil sein. 

Der Dax ist derzeit besser als sein Ruf

Mit gut 15.500 Punkten fehlen dem Dax nur noch fünf Prozent bis zu seinem Allzeithoch. Dem amerikanischen Paradeindex Dow Jones fehlen dazu noch 12 Prozent, dem Technologiebarometer Nasdaq 100 sogar 28 Prozent. Hinter dieser ausgeprägten Stärke des Dax steht eine im internationalen Vergleich seit einigen Monaten erstaunlich robuste Währung; eine konjunkturelle Entwicklung, die trotz Krieg und Energiekrise bisher nicht rezessiv abkippt; Unternehmensergebnisse und Aussichten, die in diesem schwierigen Umfeld insgesamt erstaunlich gut ausfallen; eine Banken- und Finanzbranche, die bisher von Erschütterungen wie in den USA, Großbritannien und der Schweiz verschont geblieben ist; und eine Aktienmarktbewertung, die im internationalen Vergleich eher günstig ist.



Fazit für den Dax

Mit einem Abtaucher auf 14.735 Punkte (intraday waren es am 20. März sogar 14.458 Punkte) hat der Dax wie erwartet zwar eine kurze Korrektur absolviert, drängt seitdem aber wieder nach oben. Bei drei Viertel der Dax-Werte verlaufen die aktuellen Notierungen oberhalb der jeweiligen 200-Tagelinie. Die Aufwärtsbewegung wird also durchaus von der Breite des Marktes getragen – im Gegensatz zur amerikanischen Börse, an der vor allem wieder schwer gewichtige Favoriten wie Apple, Microsoft oder Nvidia im Mittelpunkt stehen.

Spannend ist im Dax dabei die Entwicklung mittelgroßer Aktien, die einen tiefen Fall hinter sich haben. Henkel etwa, die lange unter der schwierigen Situation in Russland gelitten haben und bei denen immer noch nicht klar ist, wie hoch die Belastungen daraus letztlich werden, hat mit dem Anstieg über das Kursniveau um 69 Euro ein vielversprechendes Signal gegeben. Die operative Entwicklung des Düsseldorfer Konsumchemikers ist passabel, auch wenn das Unternehmen in diesem Jahr nur mit kleinem, einstelligen Wachstum rechnet. Dass der viel teurere Konkurrent Beiersdorf derzeit auf Allzeithoch notiert, eröffnet Henkel zusätzlichen Nachholbedarf. 

Wie schnell das gehen kann, hat Wendespekulation Adidas gezeigt. Binnen fünf Monaten ist die Aktie um 70 Prozent gestiegen. Nun, im Bereich um 155 bis 160 Euro, könnte es erst einmal zu einer Konsolidierung kommen, in der Adidas nun operative Fortschritte vorweisen muss. Das dürfte vor allem auf den für Adidas wichtigen Märkten in den USA und China schwierig werden; und aus dem ehemaligen Hoffnungsmarkt Russland haben sich die Herzogenauracher ja kostspielig zurückgezogen. 

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Noch nicht ausgestanden könnte auch die Korrektur bei der Commerzbank sein. Selbst wenn die Bankenkrise hierzulande nicht so stark durchschlägt, dürften Finanzpapiere in den nächsten Wochen eher im Schatten der Anlegergunst stehen. Der Kurs der Cobank hätte dabei Spielraum hinab bis in den Bereich um acht Euro, und der langfristige Aufwärtstrend, der seit 2020 besteht, wäre immer noch intakt. 

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