Riedls Dax-Radar

Die maue Wirtschaft ist gut für die Börsenkurse

Die Wirtschaft wächst verhalten, doch das hilft den Aktienkursen. Zusätzlicher Schub kommt von technologischen Mega-Trends, von denen immer mehr Unternehmen beflügelt werden.

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Quelle: dpa

Dass die amerikanische Notenbank die Leitzinsen unverändert lässt, verwundert nicht. Dennoch sind die Aktienmärkte als Reaktion darauf zunächst kräftig gestiegen: Etwas deutlicher in Europa und speziell im Dax, nicht ganz so dynamisch in den Vereinigten Staaten. Offensichtlich sind die Märkte von der Linie der Notenbank angetan, oder anders ausgedrückt: Insgeheim hat der eine oder andere vielleicht doch eine Zinserhöhung befürchtet.

Nun, für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl im November, ist wieder alles offen. Die Fed bleibt bei ihrer Linie: Wenn die Wirtschaftsdaten dafür sprechen, dann wird sie die Zinsen erhöhen. Die nächste Möglichkeit hätte sie im Dezember. Doch, und das lässt sich zwischen den Zeilen lesen, ob die Wirtschaft in den USA dann wirklich so robust ist, wird immer zweifelhafter.

Seit Wochen mehren sich die Anzeichen dafür, dass nicht nur die amerikanische Wirtschaft, sondern weltweit die Konjunktur abflaut. Jüngste Prognoseherabsetzungen kommen von der OECD, die dafür unter anderem den Brexit verantwortlich macht. Auch sie warnt vor einer geringeren Dynamik in Europa und Amerika.

Dramatisch ist die Wirtschaftsschwäche noch nicht, völlig vom Tisch sind Zinserhöhungen keineswegs. Dennoch, nachdem die Notenbank selbst in den vergangenen, besseren Monaten nicht an der Zinsschraube gedreht hat, dürfte sie es erst recht dann nicht tun, wenn sich das Umfeld eintrübt.

Das wahrscheinlichste Szenario besteht darin, dass es ein Wachstum auf kleiner Flamme gibt, vielleicht nur 0,5 Prozent bis 1,0 Prozent pro Jahr. Dieses Umfeld wird die Zinsen am Boden halten und allenfalls kurzfristige Sprünge zulassen, die aber schnell wieder ausgeglichen werden. Eine echte Zinswende ist in diesem Umfeld wenig wahrscheinlich.

Neues Hoch im Nasdaq-Index

Zu den wichtigsten Stabilisatoren der weltweiten Aktienmärkte gehören derzeit die großen amerikanischen Technologieunternehmen. Apple, Microsoft, Google, Amazon oder Facebook sind mittlerweile nicht nur vom Börsenwert schwerer als die meisten Dow-Klassiker. Sie legen in den meisten Fällen auch eine Wachstumsdynamik an den Tag, die immer unabhängiger von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wird. Und genau das spiegelt sich in der wichtigsten Technologiekurve wider, dem Nasdaq-100-Index.

Chancenreiche Aktien für den Trend zur digitalen Fabrik

Mehrmals hat die WirtschaftsWoche in den vergangenen Monaten auf die brisante Situation im Nasdaq-Index gewiesen: Später als viele andere Indizes hat die Nasdaq-Kurve, die ihr altes Hoch in der Jubel-Hausse 2000 am 24. März bei 4816 Punkten im Tagesverlauf hatte, ein neues Hoch geschafft. Gestern (Donnerstag, 22. September 2016) ist sie bis auf 4891 Punkte gestiegen. Das ist nach der klassischen Drei-Prozent-Regel noch nicht nachhaltig, dennoch spricht die Dynamik dafür, dass sich Technologieaktien nun neues Terrain erschließen.

Hauptgrund dafür ist, dass die führenden Unternehmen in einer aussichtsreichen und zum Teil hochdynamischen Entwicklung stehen. Mehrere große Wachstumstrends kommen zusammen: Digitalisierung, Internet der Dinge, Social Media, Onlinehandel, Big Data, neue Mobilität – und mittendrin stehen die Protagonisten, von Alphabet bis Microsoft, von Amazon bis Facebook.

Große Technologietrends

Auch dahinter, die nächste Gewichtsklasse im Index, kommt in Bewegung: Intel ist gerade mit Macht dabei, beim Chip-Absatz verlorenes Terrain wieder aufzuholen; Biotechniker Amgen hat eine prall gefüllte Pipeline von mehr als 30 neuen Medikamenten und Anwendungen; Cisco wird bei der wachsenden Bedeutung der Netz-Infrastruktur wieder eine Schlüsselrolle spielen, so wie Comcast beim Thema Kommunikation.

All das deutet darauf hin, dass die großen Technologietrends, die sich in den US-Unternehmen manifestieren, für die Börsen entscheidender sind als die Antwort auf die Frage, ob die Wirtschaft nun um 0,5 Prozent oder um 0,9 Prozent wächst. Und ein Ende dieser Trends ist nicht im Sicht – im Gegenteil: Selbst wenn man sich an bescheidenen Prognosen orientiert, dürften diese Entwicklungen weit über das Jahr 2020 hinausreichen.

Mix aus Technologie und klassischer Industrie

Die Zugkraft der großen Trends zeigt sich auch im Dax. Infineon, SAP und Siemens sind Favoriten der vergangenen Monate und der nächsten Jahre. Continental und Daimler kommen dazu, weil diese Unternehmen mittlerweile bei weitem mehr sind als alte Auto- oder Reifenhersteller. Beide stecken in einem Shift hin zu den großen Trends auf Basis ihrer klassischen Stärke. Je mehr ihnen diese Verbindung gelingt, sie integrierte Technologie- und Industriekonzerne werden, desto unabhängiger werden sie von den Schwankungen einer wackligen Wirtschaft.

An der Börse kommt das doppelt an: Zum einen stützt und glättet es Wachstums- und Gewinnzahlen; zum anderen werden solche Erfolgsunternehmen auch mit einer höheren Bewertung belohnt. Dass beide, Continental und Daimler, dennoch günstige KGVs im Bereich um zehn haben, deutet auf das weitere Potenzial dieser Aktien.

Die technische Verfassung spricht für die Fortsetzung der großen Hausse

An beiden Aktienmärkten, im Dow wie im Dax, verläuft die Entwicklung derzeit im Rahmen der Erwartungen: Der Dax ist der entscheidenden Untergrenze um 10.000 bis 10.100 zwar näher gekommen, hat sich davon aber wieder flugs entfernt. Die hohe Dynamik der jüngsten Erholung ist ein wichtiges Signal für die Marktstärke. Vorbei ist die Zitterpartie zwar noch nicht, doch es ist durchaus möglich, dass der Absacker vom 15. September das für diesen Monat erwartete Tief erst einmal war. Der Anstieg über 10.300 war so wichtig, weil er die kleine, negative Doppelspitze von August und September wieder neutralisiert.

Zusätzlich vollzieht sich nun die Stabilisierung der 200-Tage-Linie. Sie wird in den nächsten Tagen bei knapp über 10.000 Punkten langsam nach oben drehen. Gemeinsam mit einem deutlich höheren, aktuellen Indexstand ist das aus technischer Sicht das klassische Bild einer beginnenden Aufwärtsentwicklung. Auch im Dow sieht es eher gut als schlecht aus. Das Niveau um 18.000 (hier waren von November 2015 bis Juni 2016 zahlreiche Hochspitzen) wurde exakt verteidigt, die 200er-Linie drückt bei 17.600 langsam von unten hoch.

Fazit: Die wacklige Wirtschaft hält die Zinsen am Boden und sorgt nebenbei dafür, dass der Optimismus wahrlich nicht überschäumt. Für die Aktienmärkte ist das ein klassisches Hausse-Umfeld. Große Trends, von der Digitalisierung bis zur neuen Mobilität, stützen zusätzlich. Die technische Verfassung in Dow und Dax ist intakt aber nicht überschäumend. Auch das lässt Spielraum für positive Überraschungen. Natürlich: Vom Tisch sind die großen Unsicherheiten nicht; vor allem der Ausgang der US-Wahl, der durch die jüngste Schwäche von Clinton offener denn je ist. Dennoch, an den Märkten sprechen derzeit mehr Argumente für eine Fortsetzung der großen Aufwärtsbewegung als für deren Ende.

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