Riedls Dax-Radar
Quelle: Marc-Steffen Unger, PR [Montage]

Die Notenbanken könnten die Börsen kippen lassen

Deutsche Post und Hannover Rück liefern gute Zahlen, Continental macht Hoffnung auf den Turnaround. Dennoch dürften steigende Zinsen den Optimismus bald bremsen. Eine Kolumne.

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Bisher konnte sich der Dax erstaunlich gut gegen Rückschläge behaupten. Fast sah es so aus, als ob die großen Kapitalmarktrisiken an ihm abperlten. Doch die Entscheidung, ob der Dax die Dynamik der vergangenen Monate aufrechterhalten kann, dürfte unmittelbar bevorstehen. Am 16. März ist die nächste Sitzung der Europäischen Notenbank EZB, am 22. März die der amerikanischen Fed. Es darf davon ausgegangen werden, dass sich beide Notenbanken, die wichtigsten Geldhüter der Welt, über ihre weiteren Schritte abstimmen. 

Die EZB hat schon angekündigt, dass es eine Erhöhung um 0,50 Prozentpunkte geben werde. Das Überraschungsmoment dürfte hier eher beim Wording und den zusätzlichen Ankündigungen liegen. Bei der US-Notenbank rechnen die meisten Beobachter mit einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte; die Wahrscheinlichkeit, dass es dennoch 0,50 Prozentpunkte werden könnten, nahm zuletzt etwas zu. 

Dafür sind vor allem zwei Entwicklungen verantwortlich: Die insgesamt stabilere Entwicklung der Konjunktur, die eben nicht wie ursprünglich befürchtet, in eine schwere Rezession abkippt; und die Hartnäckigkeit, mit der die Inflation bleibt. Zwar sind in Europa und in den USA die extremen, zum Teil zweistelligen Preisspitzen überwunden, doch im erhöhten mittleren Bereich geht es nur noch zäh voran.

Vom Wunschziel der Notenbanken, das im Bereich um zwei Prozent liegt, sind mittlere Inflationsraten von fünf und mehr Prozent jedenfalls weit entfernt. In Deutschland lag die Inflation im Februar noch bei 8,7 Prozent. Jetzt schon den Kampf gegen die Geldentwertung abzubrechen, käme einer Kapitulation gleich. Und das können sich die Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantik gar nicht erlauben. 

Zum einen ist dafür die Wirtschaft robust genug; zum anderen begegnen sie damit auch der Kritik, sie seien mit ihrer einst sehr expansiven Politik mitverantwortlich für die aktuelle Geldflut. Als Anleger jetzt schon darauf zu setzen, dass die Notenbanken von ihrem Eindämmungskurs abweichen, dürfte eindeutig zu früh sein.

Zuverlässige Lieferung von der Deutschen Post 

Wie widerstandsfähig die Wirtschaft derzeit ist, zeigt im Dax etwa die Deutsche Post. Mehr als 94 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr sind ein Plus von 15 Prozent; netto blieben 5,4 Milliarden, gut sechs Prozent über Vorjahr. Für die weiteren Aussichten gibt sich Post-Chef Frank Appel vorsichtig. Wahrscheinlich gebe es erst wieder 2025 einen Gewinn in der Größenordnung von 2022. 

Die moderaten Prognosen der Post, die auch im Umfeld der aktuellen Lohnverhandlungen einzuordnen sind, sind für die Aktie keine schwere Belastung. Mit Notierungen von bis zu 42 Euro haben sich Post-Aktien gut vom Septembertief bei knapp 30 Euro erholt. Ein Rücksetzer in den Bereich 37 bis 35 Euro wäre eine klassische Gegenreaktion, mit der die neu eingeschlagene Aufwärtsbewegung bestätigt werden könnte. Die jüngste Erhöhung der Dividende und die Fortsetzung der Aktienrückkäufe sind dafür gute Vorzeichen. 

Rückversicherungen sind ein Wachstumsmarkt

Auch die Hannover Rück ist auf Rekordkurs. Schon im vergangenen Jahr kletterte der Gewinn trotz Ukrainekrieg, Überschwemmungen in Australien und Hurrikans in den USA auf 1,4 Milliarden Euro. Für 2023 planen die Niedersachsen einen Anstieg des Nettogewinns auf 1,7 Milliarden Euro – obwohl es mit dem Erdbeben in der Türkei schon einen ersten Großschaden gibt, den die Hannoveraner für sich auf rund 200 Millionen Euro beziffern. 

Die soliden Ergebnisse und selbstbewussten Prognosen zeigen nicht nur, wie gut die Rückversicherer mit solchen Großkatastrophen umgehen – finanzielle Absicherung von Risiken ist schließlich ihr Kerngeschäft; sie zeigen auch, dass Sicherheit in turbulenten Zeiten ein gefragtes Gut ist und damit ein struktureller Wachstumsmarkt. 

Aktien der Hannover Rück, die zuletzt fast bis an ihr Allzeithoch bei 193 Euro geklettert sind, könnten nach dem starken Zugewinn seit Sommer problemlos eine Korrektur verkraften. Bei 170 Euro verläuft die 200-Tagelinie, hier wäre eine erste Auffangstation. Im Zuge einer größeren allgemeinen Korrektur könnten auch Kurse im Bereich um 160 Euro möglich sein. Dann wäre die Aktie der Hannover Rück auch fundamental günstig und rentabel. Als Dividende plus Sonderausschüttung gibt es für 2022 sechs Euro je Aktie.

Heißer Reifen in Hannover 

Zu den Aktien im Dax, die weit von ihren einstigen Höhen entfernt sind und großen Nachholbedarf haben, gehört Continental. Der niedersächsische Zulieferer kam bisher mit den großen Herausforderungen der Autobranche – Coronarückschlag, Konjunkturabkühlung, Elektrifizierung – nicht besonders gut zurecht. Mit Kursverlusten von mehr als 75 Prozent seit 2018 lief die Aktie deutlich schlechter als die der großen Autohersteller.

Bei der operativen Entwicklung indes könnte nun der Tiefpunkt erreicht sein. Im vergangenen Jahr brach der Nettogewinn um 95 Prozent auf 67 Millionen Euro ein. Gründe dafür waren der Aufwand für den Rückzug aus Russland sowie hohe Kosten für teure Rohstoffe und Energie. Als besondere und große Belastung kamen Abschreibungen und Wertminderungen dazu, die Conti vor allem wegen steigender Zinsen vornehmen musste. Sie betrugen insgesamt mehr als 850 Millionen Euro. 

Auch für 2023 steckt hierin ein Risiko. Zwar zieht der Automarkt weltweit wieder an, die Auftragslage von Conti ist gut und die Margen legen leicht zu. Den Löwenanteil des Gewinns bringt das hochrentable Reifen-Geschäft. Contis Marktposition ist hier so stark, dass mittlerweile neun der großen E-Autohersteller auf Pneus aus Hannover setzen. 

Sollten die Zinsen jedoch noch einmal eine Etage höher klettern, könnten weitere, bisher nicht geplante Abschreibungen drohen. Conti-Aktien sind zwar angesichts des in diesem Jahr womöglich um zehn Prozent steigenden Umsatzes und deutlich höherer Nettogewinne nicht teuer, dürften wahrscheinlich dennoch erst wieder bei einem Rückschlag interessant werden. Der könnte in den nächsten Wochen bis in den Bereich um 70 Euro gehen. 

Fazit für den Dax: Hartnäckige Inflationszahlen, die Aussicht auf weiterhin restriktive Notenbanken und die bis zuletzt weit gestiegenen Aktien machen eine Korrektur immer wahrscheinlicher. In den USA signalisieren die führenden Aktienindizes, Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq für die nächsten Wochen einen kritischen Verlauf. Der Dax hat dagegen mit 15.653 Punkten (Schlussstand am 6. März) sogar noch einmal ein neues, mittelfristiges Hoch erreicht. 

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Für eine mögliche Korrektur besteht genug Spielraum. Die 200-Tagelinie, die derzeit erst bei 13.818 Punkten verläuft, dürfte in einigen Wochen auf über 14.000 hochziehen. Selbst wenn der Dax im Frühjahr auf 14.500 abdriftet, wäre damit die im Herbst eingeschlagene Aufwärtsrichtung immer noch intakt.

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