Riedls Dax-Radar
Quelle: dpa

Diese drei Stützen untermauern den Aufwärtstrend im Dax

Mit SAP, Linde und Siemens kommen die wichtigsten Dax-Unternehmen besser als erwartet durch die Krise. Selbst Daimler macht Anlegern Hoffnung – Milliardenverlusten zum Trotz. Rückschläge im Dax sollten oberhalb der 12.000er-Marke wieder aufgefangen werden.

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Das Coronatief vom 18. März liegt nun schon mehr als vier Monate zurück. Und seitdem hält auch der Anstieg an den Aktienmärkten an. Die meisten Indexkurven sind dabei viel weiter gestiegen, als selbst Optimisten zu hoffen wagten. Im Dax gab es dabei zwei kurzfristige Korrekturphasen (von Mitte April bis Mitte Mai und Anfang Juni), dennoch ist der Erholungstrend bisher ungebrochen.

Wichtigste Stütze dieser Erholung ist die extrem großzügige Geldversorgung der Notenbanken. Anschaulich zeigen das die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen: Sie gehen seit März immer wieder in den Bereich um 0,6 Prozent zurück – unterbrochen nur von einem vorübergehenden Anstieg im Juni (der dann auch sofort zu einem Rücksetzer an den Aktienmärkten führte).

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den USA im November ist eine Änderung der Notenbankpolitik nicht zu erwarten. Zudem trägt die heftige Entwicklung, die Corona in den USA nimmt, ebenfalls dazu bei, dass die Fed extrem expansiv bleibt, selbst wenn die Konjunktur nun langsam wieder in Tritt kommt – und dafür mehren sich die Anzeichen.

Wichtige Signale kommen von den Rohstoffmärkten. Beim Öl ging die Erholung bisher planmäßig bis auf 45 Dollar für ein Fass der Nordseesorte Brent hoch. Das ist das Tief aus dem Jahr 2017. Obwohl die Elektromobilität – das zeigen besonders die zuletzt ansehnlichen Zahlen von Tesla – ihren Siegeszug fortsetzt, wird Öl noch für Jahrzehnte ein geschätzter Rohstoff bleiben. Eine Preisstütze ist derzeit die Aussicht in der wichtigen Abnehmerbranche Chemie, die nach dem Coronatief wieder eine Belebung erfährt. In den nächsten Wochen könnte sich der Preis für ein Fass Brent zwischen 40 und 53 Dollar einpendeln – und somit auf dem Stand des Tiefs von Ende 2018.

Bemerkenswert ist die jüngste Entwicklung des Kupferpreises: Seit dem Coronacrash sind die Notierungen je Tonne von 4600 Dollar auf mehr als 6500 Dollar gestiegen. Motor dieser Hausse ist die Aussicht auf eine allgemeine wirtschaftliche Erholung und zusätzliche Nachfrage durch die E-Mobilität und neue Techniken wie 5G. Zudem stößt die Förderung an Grenzen. Es wird immer aufwendiges, hochwertiges Erz aus der Erde zu holen.

Die Preiskurven von Öl und Kupfer sind eine Bestätigung für den Erholungskurs der allgemeinen Konjunktur und dafür, dass große Trends wie die Elektromobilität mit Macht begonnen haben. Beides sind fundamentale Stützen für den Aufschwung an den Aktienmärkten.

Die operative Entwicklung der einzelnen Dax-Unternehmen passt zu diesem Trend, das zeigen die bisherigen Zahlen und Prognosen zum zweiten Quartal 2020, das besonders stark von Corona geprägt war:

SAP, das wichtigste Unternehmen im Dax, hat die positive Einschätzung seines führenden Softwaregeschäft bestätigt. Die Aktie bleibt eines der stärksten Investments hierzulande. Das wichtige Cloudgeschäft von SAP legt um rund 20 Prozent zu, das Betriebsergebnis steigt auch im schwierigen Corona-Quartal stärker als erwartet. Die klassischen Lizenzerlöse sind zwar rückläufig, doch die planbaren Umsätze nehmen weiter zu. Das ist vor allem für die langfristige Entwicklung der Aktie eine wichtige Triebkraft. Bei ihrer Erholung ist SAP sogar über das Vor-Corona-Hoch gekommen, das bei 130 Euro lag. Kurzfristige Rücksetzer bis dahin sind Nachkaufgelegenheiten.

von Frank Doll, Anton Riedl, Hannah Krolle

Linde und Siemens, mit jeweils zehn Prozent Gewicht im Index zweit- und drittschwerste Aktie, entwickeln sich ebenfalls stabil. Linde hat, wie SAP, ebenfalls neue Höchstkurse erreicht. Das Unternehmen hat dank seiner langfristigen Lieferverträge die Coronaphase gut überstanden, derzeit profitiert das Unternehmen von der weltweit steigenden Nachfrage nach Wasserstoff. Die Quartalszahlen kommen am 30. Juli, sie sollten zumindest passabel ausfallen.

Ein neues Hoch haben Siemens-Aktien zwar noch nicht erreicht, dennoch ist der Anstieg über die 100er-Marke ein wichtiges Signal. Bei Siemens entstehen reichlich Reserven durch den Umbau des Konzerns. Das Windkraftgeschäft profitiert von der Förderung, die Digitalsparte entwickelt sich nach Plan, die Medizintechnik ist stabil, das schwierige Kraftwerksgeschäft wird via Börse ausgelagert. Je mehr Siemens als Technologieunternehmen wahrgenommen wird, desto deutlicher sollte der Bewertungsaufschlag für die Aktie ausfallen. Ein Kursanstieg bis zum Dezemberhoch bei 120 Euro dürfte in den nächsten Wochen möglich sein.

Ebenfalls stabil ist die Geschäftsentwicklung bei der Münchener Rück. Zwar schlagen Schadenszahlungen im Zusammenhang mit Corona im bisherigen Jahresverlauf mit 1,5 Milliarden Euro zu Buche. Wenn es wie bisher keine besonderen Großschäden gibt und die Wertpapiermärkte zumindest stabil bleiben, sollten auch im Krisenjahr 2020 zwei Milliarden Euro Nettogewinn bleiben. Damit könnte das Unternehmen leicht abermals wie bisher 9,80 Euro je Aktie an Dividende bezahlen. Und langfristig wäre der Weg für die Aufnahme der Aktienrückkäufe geebnet. Aktien der Münchener Rück könnten in diesem Jahr durchaus noch einmal bis zu ihrem Top um 280 Euro klettern.

Schwieriger sieht die Lage bei einem anderen Schwergewicht aus: bei Daimler. Das Unternehmen ist wegen des Produktionsstillstands im zweiten Quartal mit 1,9 Milliarden Euro in die roten Zahlen gerutscht, der Umsatz ist um ein Drittel gesunken. Das Nutzfahrzeuggeschäft ist schwer angeschlagen. Da nun harte Sparmaßnahmen starten, die in der Regel zunächst Geld kosten, dürfte es für Daimler 2020 mit einem Nettogewinn eng werden. Hoffnung macht die wiederauflebende Nachfrage nach klassischen Mercedes-Fahrzeugen und Elektroautos. Auch die geplanten Einsparungen und die Einnahmen im Industriegeschäft werden von Analysten honoriert. Trotz der Kurserholung der vergangenen Monate bezahlt die Börse jeden Euro des Geschäftsjahresumsatz nur mit rund 25 Cent. Dennoch: Nach der schnellen Aufholjagd der vergangenen vier Monate könnte der Anstieg zwischen 41 Euro (Sommertief 2019) und 54 Euro (Novemberhoch 2019) erst einmal an Grenzen stoßen.

Fazit für den Dax: Die Stützungspolitik der Notenbanken, die allgemeine Konjunkturerholung nach dem Coronaschock und die ansehnliche Geschäftsentwicklung der wichtigsten Dax-Unternehmen untermauern den Aufwärtstrend an den Börsen. Seit Anfang Juni hat der Dax nicht nur wieder die Durchschnittslinie der vergangenen 200 Börsentage überwunden. Dieser mittelfristige Signalgeber hat seitdem sogar wieder leicht nach oben gedreht – das ist ein positives Bild.



Natürlich sind nach mehr als vier Monaten Kletterpartie kurzfristige Rückschläge möglich. Auslöser könnte etwa eine Verschnaufpause an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq werden, wo der 100-Index erst einmal den deutlichen Anstieg über die 10.000er-Marke verarbeiten muss – bevor er dann seinen großen Aufwärtstrend fortsetzen dürfte. Auch der Dax hat für eine Verschnaufpause genug Spielraum: Selbst, wenn er bis auf die 200-Tagelinie bei 12.200 Punkte zurückfiele, wäre sein mittelfristiges Hausse-Szenario weiterhin intakt.

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