Riedls Dax-Radar
Börse: Zeit für eine Kurserholung im Dax Quelle: REUTERS

Diese Werte zeigen, wie wackelig die Erholung des Dax ist

Sinkende Zinsen und immer mehr widerstandsfähige Einzelwerte lassen den Dax nicht ins Leere fallen. Es besteht eine reelle Chance auf einen mehrwöchigen Kursanstieg - doch Risiken bleiben.

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An den Kapitalmärkten findet eine Hausse statt, über die keiner spricht, die aber für die Börsen entscheidend ist: Amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Restlaufzeit sind in den vergangenen zwei Monaten um fünf Prozent im Kurs gestiegen. Die vielbeachtete Rendite der zehnjährigen Bonds, für professionelle Anleger eine der zentralen Kurven für die Bewertung von Geldanlagen, ist von 3,2 auf fast 2,5 Prozent zurückgegangen.

Die Angst vor steigenden Zinsen, die der Wirtschaft und den Unternehmen die Luft abschnüren könnten, war in den vergangenen Monaten das zentrale Argument der Skeptiker. Nun hat sich die Situation am langen Zinsende deutlich entspannt. Und auch am kurzen Ende sind die Renditen zurückgekommen; zweijährige Bonds bringen weniger als 2,4 Prozent. Die gefürchtete inverse Zinsstrukturkurve (bei der es für kürzere Anlagen mehr gibt als für längere) besteht damit immer noch nicht. Auch zehnjährige Bundesanleihen sind mitgezogen, die Rendite liegt hier mittlerweile nur noch bei 0,15 Prozent.

Die Entspannung bei den Zinsen ist vor allem auf die schwächeren Konjunkturaussichten zurückzuführen. Durch den Basiseffekt der letztjährigen Steuerreform in den USA, den Handelsstreit und nun auch die Folgen des Shutdowns im Haushalt wird die US-Wirtschaft Anfang 2019 deutlich am Schwung verlieren. Dazu kommen die Folgen des Crashs auf dem Ölmarkt, hier ist der Preis für ein Fass Brent in drei Monaten von 85 Dollar auf nicht viel mehr als 50 Dollar zusammengebrochen. Das trifft die USA als eines der größten Ölförderländer schwer.

von Frank Doll, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger

Der Anstieg der Staatsanleihen hat auch mit dem Sicherheitsbedürfnis vieler Anleger zu tun, nachdem die Aktienmärkte ins Wanken gekommen sind und über immer mehr Schwellenländern dunkle Wolken aufziehen. Dennoch ist es für die Aktienbörsen entscheidend, dass es eben nicht zu dem von vielen befürchteten scharfen Zinsanstieg gekommen ist, sondern sogar das Gegenteil davon eingetreten ist.

Mit anderen Worten: Einer der wichtigsten Motoren des bisherigen Börsenaufstiegs, die großzügige monetäre Versorgung, ist nach wie vor am Laufen. Wenn nun dazu auch noch die Konjunktur nicht allzu stark wegbricht, könnte sich mittelfristig wieder das alte Goldilocks-Szenario einstellen: moderates bis stabiles Wachstum bei niedrigen Zinsen. Die Kursrückgänge an den Börsen wären damit noch immer nicht das Ende der langfristigen Hausse, sondern eine Korrektur, wenngleich mit heftigem Ausmaß.

Warten auf Entspannung mit China und das Ende des US-Haushaltsstreits

Es wird ziemlich knapp, ob sich dieses positive Szenario in den nächsten Monaten durchsetzt. Der Dax ist bisher in die erwartete Kursspanne zwischen 10.600 und 10.200 Punkten eingetaucht, schloss am Freitagabend gar mit dem größtem Tagesgewinn seit eineinhalb Jahren bei 10.767 Punkten. Nun kommt es auf die Stabilisierung an. Wie wacklig das wird, zeigt sich an mehreren großen Einzelwerten:

SAP erreicht zwischen 85 und 80 Euro den langfristigen Aufwärtstrend, der seit der Finanzkrise besteht. Die wachsenden Erfolge im Cloud-Geschäft sprechen für eine gute operative Entwicklung. Für den Gesamtmarkt wäre es ein großer Vorteil, wenn SAP-Aktien von diesem Niveau aus bald wieder nach oben drehen würden.

Die spannendsten Aktien der Woche

Bei der Allianz geht es um die Unterstützung bei 170 Euro. Bisher hat sie gehalten. Auch hier, wie Sie im großen Jahresausblick aller Dax-Werte in WirtschaftsWoche 53/2018 lesen konnten, sind die geschäftlichen Perspektiven vielversprechend, Bewertung und Dividendenrendite auf einem interessanten Niveau.

Bayer hat exakt das anvisierte Niveau um 60 Euro erreicht und verteidigt es nun seit mehreren Wochen erfolgreich. Eine positive Meldung im Glyphosat-Streit stützt den Kurs derzeit zusätzlich.

Volkswagen ist bis auf die Unterstützung bei 135 Euro abgerutscht. Meldungen über vermehrt klagende Kunden stehen gegen insgesamt gute Absatzzahlen.

BASF hat bei 60 Euro fast das tiefe Niveau von Anfang 2016 erreicht. Auch hier dürfte die fundamental günstige Bewertung zunehmend Käufer ansprechen.

Nicht gehalten hat bei Siemens die Marke von 100 Euro. Bisher ist es deshalb allerdings noch nicht zu außergewöhnlichen Verkäufen gekommen. Ein kurzfristiger Anstieg könnte die Aktie wieder aus der Gefahrenzone bringen.

Insgesamt zeigt die Entwicklung der führenden Einzelaktien im Dax, dass am deutschen Aktienmarkt im Bereich knapp über der 10.000er-Marke zunehmend wieder Käufer kommen. Dazu passt die Entwicklung im Dow Jones, der im ersten Rutsch um Weihnachten das angepeilte Niveau um 22.000 Punkten getestet und bisher verteidigt hat. Für eine Bodenbildung steht noch ein zweiter Tiefentest aus. Der muss nicht mehr ganz so weit runtergehen, optimal wäre eine Stabilisierung spätestens um 22.500 Punkten.

Klassischer Zeitpunkt dafür wäre Mitte Januar. Hier läuft normalerweise die Jahresendrally aus und geht bis Anfang März in eine schwächere Phase über. Durch die desaströse Entwicklung der vergangenen Wochen könnte das Spiel dieses Mal genau anders verlaufen: Abschwung von Anfang Dezember bis Mitte Januar, dann Erholung bis Anfang März.

Die Chancen auf dieses positive Szenario sind zwar knapp, aber es gibt sie. Auslösende Momente könnten eine Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China werden und ein Ende des Haushaltsstreits um Trumps Mauerbau.

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