Riedls Dax-Radar
Quelle: Illustration: Marcel Reyle

Drei Favoriten für den nächsten Aufschwung

Powerhouse Siemens, Turnaround Fresenius und Dauerläufer Qiagen stützen den Aktienmarkt. Ein Kauf ist verlockend – nach einer allgemeinen Marktkorrektur. Eine Kolumne.

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Es ist ein gutes Zeichen für Wirtschaft und Wertpapiermärkte, wenn ein großer Industrie- und Technikkonzern wie Siemens seine Prognosen anhebt. Das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres 2022/23 (bis 30. September) lief besser als erwartet und nun rechnet Siemens mit bis zu zehn Prozent Umsatzplus statt vorher mit sieben Prozent. Basis ist ein Auftragspolster, das mit 102 Milliarden Euro so stark ist wie nie zuvor. 

Diese Stabilität in schwierigen Zeiten ist eine Bestätigung für die große strategische Linie, die Siemens nun schon seit einigen Jahren eingeschlagen hat: Im Konzern selbst rücken die jungen, renditestarken Geschäftsfelder wie digitale Produkte, Automatisierung, smarte Infrastruktur und Software in den Mittelpunkt; als Satelliten kommen dazu ausgegliederte Spezialgebiete wie Medizintechnik oder Neue Energien. Clever dabei: An der aussichtsreicheren Medizintechnik Healthineers ist Siemens mit Mehrheit beteiligt, profitiert also davon direkt; das schwierige Energiegeschäft dagegen ist über Siemens Energy nur noch über eine Beteiligung von 35 Prozent angebunden. 

Allerdings, die Probleme der Energietochter mit ihrem spanischen Windkraftgeschäft um Gamesa sind so langwierig und tief greifend, dass es bei Siemens trotz der lockeren Anbindung zu Abschreibungen in Milliardenhöhe gekommen ist. Kein Wunder, dass unter Finanzinvestoren der Ruf immer lauter wird, Siemens solle sich komplett von seinen Ablegern lösen und ganz auf Hightech konzentrieren. 

Die bisherige Entwicklung bei Siemens vom Industrieklassiker zum Technikkonzern zeigt, dass diese weitere Konzentration in den nächsten Jahren keineswegs ausgeschlossen ist. Ob langfristig ausgerichtete Unternehmensstrategien sich aber immer gleich eng an die Wünsche von Investoren anlehnen sollen, ist angesichts schwankender Stimmungen und Bewertungspräferenzen an den Börsen eine heikle Frage. 

Zudem ist Siemens in den vergangenen Jahren an der Börse keineswegs schlecht gefahren. Seit der Hightechkrise um die Jahrtausendwende hat sich die Aktie in einem langfristigen Trend stetig nach oben entwickelt, wenn auch unter hohen Schwankungen. Der gesamte Kursverlauf ist dabei wesentlich konsistenter als bei anderen großen Traditionsunternehmen wie Mercedes-Benz, BASF, Volkswagen oder Bayer. Dass Siemens von der Bewertung aktuell eher am unteren Rand seiner historischen Bandbreite gehandelt wird, bietet Spielraum für weiteren Kurszuwachs. 

Mit 50 Prozent Plus seit vergangenem Herbst gehört Siemens derzeit zu den Top-Performern unter den weltweiten Blue Chips. Ob es kurzfristig noch bis zum alten Hoch bei 158 Euro geht, dürfte knapp werden. Auch Siemens-Aktien sind mittlerweile massiv überhitzt und verlaufen fast 30 Prozent über ihrer 200-Tagelinie. Das ist der größte Abstand, den die aktuelle Kursnotierung von Siemens von diesem mittel- bis langfristigen Durchschnitt erreicht hat seit Juli 2007 – also in der Hausse direkt vor der Finanzkrise. 

Siemens-Aktien müssen deshalb nicht wie damals in eine schwere Baisse kippen. Dennoch ist es ratsam, auf diesem Niveau lieber vorsichtiger zu agieren. Siemens-Aktien könnten bis in den Bereich 130 oder 120 Euro abdriften und am insgesamt positiven Kursbild würde dies nichts ändern. 

Spekulatives Kurspotenzial durch Umbau von Fresenius

Eine komplett andere Entwicklung ist mittlerweile bei Fresenius entstanden. Eigentlich war die Kombination aus Kerngeschäft Dialyse und zugeordneten Gesundheitsdienstleistungen seit fast zwei Jahrzehnten an der Börse ein Erfolgsmodell. Der weltweit zunehmende Anteil älterer Menschen und der damit steigende Bedarf an Dialyse und medizinischen Leistungen war die Basis für langjähriges Wachstum. Der Knick allerdings kam in den Jahren 2015 bis 2018, lange schon vor der Coronakrise. Verantwortlich dafür waren teure Übernahmen, mit denen Fresenius nicht den erwarteten operativen Erfolg hatte, finanziell seine Mittel aber stark strapazierte. 

Das Problem dabei ist die spezielle Struktur der Fresenius-Gruppe, mit der die Gründerfamilie über die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung ihren Einfluss sichert, die notwendige Expansion aber finanziell letztlich nicht mehr leisten kann. Verstärkt wurde die Krise dann durch rückläufige Erstattungen im wichtigen US-Dialysegeschäft und den Folgen der Coronapandemie. 

Jetzt geht es darum, unter dem 2021 angetretenen Chef Michael Sen den kompletten Konzern neu zu strukturieren. Aller Voraussicht nach dürfte dabei, wie die WirtschaftsWoche ausführlich beschrieben hat, Ableger FMC erst einmal in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. 

Für Aktien von Fresenius und FMC steckt darin ein enormes, aber spekulatives Erholungspotenzial. 16 Milliarden Euro Börsenwert für Fresenius und 13 Milliarden Euro für FMC sind eigentlich viel zu wenig für einen der größten Gesundheitskonzerne weltweit. Allerdings, ein Spaziergang wird die Erholung nicht angesichts der Schwierigkeiten um Patientensicherheit, steigenden Finanzierungskosten und knappen öffentlichen Kassen. Auch der amerikanische Fresenius-Konkurrent Baxter International ist derzeit in einer schwierigen Verfassung. 

Bei der Spekulation auf ein Comeback dürfte die Muttergesellschaft Fresenius wegen des breiter angelegten Geschäfts und der engeren Bindung an die Else-Kröner-Stiftung die weniger risikoreiche Wahl sein. FMC hingegen könnte, wenn die Erholung wirklich gelingt, das größere Potenzial bieten. 

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