Riedls Dax-Radar
Gefahr für Dax und Co. Quelle: Illustration

Fünf Risiken für deutsche Aktien

Die jüngsten Kursverluste im Dax waren heftig, die Marke von 13.000 Punkten wurde innerhalb kürzester Zeit durchschlagen. Die Gefahren für den Dax nehmen zu.

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Weltweit sind die meisten Preiskurven in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Aktien, Anleihen, Immobilien, Kunstgegenstände, Oldtimer. Seit gut einem Jahr drehen auch die Rohstoffe wieder nach oben. Öl notiert um 70 Dollar, obwohl es Hinweise gibt, dass die anziehende Produktion aus Schiefergestein das Angebot erhöhen sollte und damit die Preise dämpfen. Dieser Effekt kann in den nächsten Wochen durchaus eintreten, doch die Nachfrage steigt angesichts der weltweiten Hochkonjunktur ebenfalls. Das globale Wirtschaftswachstum beträgt derzeit fast vier Prozent.

Risiko 1: Die Inflation kommt wieder

Kupfer ist seit eineinhalb Jahren von 4600 Dollar die Tonne auf 7000 Dollar gestiegen, Aluminium seit einem Jahr von 1700 auf 2200 Dollar. Beide Trends, die wichtigsten Preiskurven für Industriemetalle, zeigen ungebrochen nach oben. In der zweiten Reihe sieht es nicht anders aus, nur wird das weniger beachtet – von Kautschuk bis Kunststoff, von Edelstahl bis Silizium.

Die gefühlte Inflation ist seit Monaten höher als die offiziell ausgewiesene. Doch auch die zieht nun langsam an. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Hinweis im jüngsten Statement der Fed: Die US-Notenbank wolle zwar die Inflation in Richtung zwei Prozent bringen. Es sei aber kein Vorteil, wenn die Inflation darüber hinaus enteile. Für Aktienmärkte sind Inflationsraten nicht per se negativ. In heftigen Inflationsphasen kann auch der gegenteilige Effekt auftreten und Aktien werden als Sachwert attraktiv. Dennoch dürfte die Rückkehr der Teuerung nach langen Jahren der Stabilität mit Unbehagen gesehen werden – vor allem, weil dies Folgen hat.

Risiko 2: Die Zinsen steigen

Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen sind auf 0,7 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Mitte des Jahres 2015. In den USA hat die Rendite zehnjähriger Treasuries 2,8 Prozent erreicht; so viel wie 2014 nicht mehr.

Lange Zeit haben sich die Märkte mehr an der Politik der Notenbanken orientiert als an den wirtschaftlichen Realitäten. Doch seitdem die Konjunktur immer stärker anzieht, geraten die Notenbanken in Erklärungsnöte. Die Lücke zwischen der Geldpolitik und den Entwicklungen in der Wirtschaft wird immer größer. An den Wertpapiermärkten wird diese Lücke nun geschlossen. Deshalb drehen die Renditen am langen Ende, das die Notenbanken weniger beeinflussen können, nun nach oben.

Der gefährliche Effekt des Zinsanstiegs besteht weniger darin, die Konjunktur abzuwürgen. Klassisch betrachtet wären deutlich höhere Renditen angesichts der aktuellen Wirtschaft ohne weiteres möglich. Die eigentliche Gefahr ist ein Kursrutsch an den Asset-Märkten – und überall da, wo hohe Schulden und Kredite im Spiel sind, etwa bei Immobilien.

Die weltweiten Anleihemärkte haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Hausse ohnegleichen hinter sich gebracht. Schon einmal gab es den Ansatz einer großen Wende, doch der wurde durch die extreme Geldpolitik nach der Finanzkrise zunichtegemacht. Nun läuft der zweite Versuch einer Zinswende. Wie angeschlagen die heimischen Anleihemärkte mittlerweile sind, zeigt der Anleiheindex Rex. Stärker noch als 2012/2013 dreht er nun nach unten. Bemerkenswert ist, dass es aus charttechnischer Sicht 2017 zwei langfristige Verkaufssignale gab: Zum einen ist er weit unterhalb die nun sinkende 200-Tage-Linie gerutscht, zum anderen wird dies durch die Kreuzung der schnelleren 100er-Linie bestätigt. Diese Signale, die zur fundamentalen Entwicklung passen, werden von großen, marktführenden Investoren am Rentenmarkt durchaus gesehen.

Für den Aktienmarkt wäre eine langfristige Baisse am Anleihemarkt eine schwere Hypothek. Ein längeres Auseinanderdriften beider Märkte hat es bisher noch nicht gegeben.

Risiko 3: Der Euro steigt

Die meisten Anleger, professionelle wie private, haben sich die Währungsverhältnisse ganz anders vorgestellt, als sie sich jetzt darstellen. Spätestens seitdem der Euro über 1,16 Dollar gestiegen ist, hat er eine große Wende vollzogen. Der Anstieg zunächst bis 1,20 Dollar verlief mustergültig, ebenso die nachfolgende Rückreaktion auf die Ausbruchszone um 1,16 Dollar.

Was Anlegern 2018 die Partylaune verderben könnte
Aggressive Zinserhöhungen der US-NotenbankenWegen des kräftigen US-Wachstums könnte die US-Notenbank die Zinsen schneller anheben als gedacht. Analysten rechnen bislang meist damit, dass die Fed den Schlüsselsatz 2018 wie von ihr signalisiert drei Mal anhebt. Eine aggressivere Straffung der Geldpolitik würde die Renditen der Staatsanleihen nach oben treiben, sagt Portfolio-Manager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview. Dadurch würden Bonds zu einer ernstzunehmenden Anlage-Alternative zu Aktien. Quelle: REUTERS
Anstieg der InflationAls möglichen Auslöser für eine raschere Straffung der Geldpolitik sehen Experten einen kräftigen Anstieg der Inflation. "Dies könnte für die Aktien- und Anleihemärkte zu einem Wendepunkt werden", betonen die Analysten der Bank of America Merrill Lynch. In Europa könnte die anziehende Teuerung die Diskussion um einen raschen Ausstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) aus ihrem Anleihe-Ankaufprogramm befeuern. Quelle: dapd
WahlenDie für März erwartete Parlamentswahl in Italien ist für Raphael Chemla, Leiter Finanz- und Hochzinsanleihen beim Vermögensverwalter Edmond de Rothschild, das größte politische Risiko in Europa. Ein Sieg der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung würde Anleger nervös machen. In den USA werden im Herbst Teile des Kongresses neu gewählt. "Sollten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat oder in beiden Kammern verlieren, wäre das ein großer Belastungsfaktor für die Märkte", warnt John Praveen, Chef-Anleger des Vermögensberaters Prudential. Denn damit werde es für US-Präsident Donald Trump schwerer, seine Wahlversprechen umzusetzen. Quelle: dpa
Politische SpannungenWiederaufflammende Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sowie im Nahen Osten sind nach Ansicht von Keith Leiner, Chef-Analyst des Vermögensverwalters SunTrust, ebenfalls große politische Risikofaktoren für die Aktienmärkte. "Außerdem schwingt das Pendel weltweit in Richtung Populismus und Nationalismus." Quelle: dpa
Überzogene BewertungenViele Firmen erhoffen sich zwar durch die jüngst beschlossenen US-Steuersenkungen zusätzliche Gewinne im kommenden Jahr. Einige Experten bezweifeln jedoch, dass der Anstieg ausreicht, um die bereits hohen Aktienbewertungen zu rechtfertigen. Im US-Index S&P 500 liegt das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 18,5. Das bedeutet, dass der Aktienkurs den Gewinn je Aktie um das 18,5-fache übertrifft. Das ist der höchste Wert seit 2002. Im Dax liegt das KGV mit 16,2 ebenfalls über dem langjährigen Mittel von rund 15. Das Risikobarometer der Citigroup signalisiere eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der Aktienkurse 2018, sagt Tobias Levkovich, Chef-Anlagestratege für die USA bei der Großbank. Quelle: AP
Turbulenzen bei Bitcoin & Co.Die große Unbekannte für die Aktienmärkte ist die Entwicklung des Bitcoin. Der Kurs der Cyber-Devise stieg bis Mitte Dezember 2017 auf fast 20.000 Dollar. Diese Aufwärtsdynamik verpuffte jedoch im neuen Jahr, der Bitcoin fiel wieder auf rund 7000 Dollar. Mitte Februar notierte die Kryptowährung wieder um die 10.000 Dollar. Die Schwankungen spiegeln wider, dass große Unsicherheit unter den Anlegern herrscht und immer mehr professionelle Anleger auf dem engen Markt mitmischen, die ihr Portfolio jenseits des Aktienmarktes breiter aufstellen wollen. Quelle: REUTERS

Es ist müßig, darüber zu streiten, ob es sich um eine Euro-Stärke oder eine Dollar-Schwäche handelt. Angesichts steigender Zinsen in den USA und robuster Wirtschaft sollte der Dollar eigentlich anziehen. Er tut das aber nicht, weil zum einen die Zinsen in Europa ebenfalls steigen – womit der Zinsunterschied nicht größer wird. Zum anderen ist dies die Folge einer politischen Auseinanderentwicklung: Während Amerika unter Trump in die globale Isolation abgleitet und nichts gegen einen schwächeren Greenback hat, entwickelt sich Europa gar nicht so schlecht.

Auf den ersten Blick sind nationalistische Tendenzen in Osteuropa und separatistische im Westen eine Gefahr für Europa. Andererseits ist der alte Kontinent damit wirtschaftlich mehr denn je in Bewegung. Osteuropa blüht wirtschaftlich geradezu auf, Aktienmärkte und Währungen sind robust. Und der Brexit hat immerhin die Diskussion um Steuern und Standortbedingungen neu entfacht.

Die Stärke des Euro deutet darauf hin, dass der Aufschwung vor allem gegenüber dem Dollar nicht so schnell zu Ende sein dürfte. Zwischen 1,25 und 1,30 Dollar könnte sich der Euro in den nächsten Wochen einpendeln. Für deutsche Aktien ist das ein klarer Nachteil im internationalen Geschäft. Bei den Gewinnprognosen der Unternehmen wird das in den nächsten Wochen und Monaten zu Rückstufungen führen.

Risiko 4: Die Überspekulation in den USA

Die US-Börsen haben eine der längsten und dynamischsten Aufwärtsphasen aller Zeiten hinter sich. Spiegelbildlich zur ersten, schnellen Erholung nach der Finanzkrisenbaisse zeigt der Dow Jones klare Zeichen der Überhitzung. In einer solchen Marktphase sind schnelle Korrekturen immer möglich, auch ohne wesentliche Veränderung der Nachrichtenlage.

In der Hausse der vergangenen Tage hat sich der Dow Jones fast so weit vom langfristigen 200-Tage-Durchschnitt entfernt wie zur Jahrhunderthausse. Die jüngsten Rückschläge kommen insofern nicht überraschend.

Immerhin, in den vergangenen vier Jahrzehnten kam es nur ein einziges Mal vor, dass die Aktienmärkte nach einer steilen Kletterpartie unmittelbar nach unten gestürzt sind. Das war in der Asienkrise 1998. Im Normalfall findet vor einer Baisse zunächst eine mehrmonatige Schaukelpartie statt, nach der dann die Entscheidung fällt – Fortsetzung der alten Hausse oder neue Baisse.

Im Dow Jones verläuft die 200-Tage-Linie derzeit bei etwa 22.700 Punkten. Der Dow hätte genügend Spielraum für eine heftige Korrektur, ohne den großen Trend zu brechen.

Risiko 5: Schwächesignale an europäischen Börsen

Die europäischen Börsen sind günstiger bewertet als die amerikanischen und sie sind in den vergangenen Monaten nicht so heiß gelaufen. So gesehen hätten sie eigentlich widerstandsfähig sein sollen. Dass sie das aber nicht sind, ist ein Warnsignal. Offensichtlich wirken sich die Risiken stärker aus als vom Markt bisher angenommen.

Unter den Einzelwerten gibt es schwere Rückschläge. Derzeit erwischt es die Deutsche Bank, weil sie abermals mit hohen Verlusten enttäuscht. Auch wenn die Deutsche Bank für die Dax-Tendenz nicht mehr maßgeblich ist, wäre eine erneute Krise des einstmals wichtigsten Geldhauses der Republik ein Unruheherd.

Selbst Siemens und SAP gehen in die Knie. Bei den Versorgern ist die Erholung ins Stocken geraten, die Telekom kämpft mühsam mit der wichtigen Untergrenze um 14 Euro, Bayer und Merck haben regelrechte Abwärtsformationen gebildet.

Deutsche Aktien sind angeschlagen, schnelle Verkäufe bei hohen Volumina sollte kein Anleger auf die leichte Schulter nehmen. Von der Saisonalität ist Februar bis März eine schlechte Zeit – vor allem nach einem guten Januar. Bei 12.750 Punkten verläuft im Dax eine wichtige Unterstützungszone. Es ist gut möglich, dass der Index dieses Niveau zunächst anläuft.

Von hier aus sollte dann eine deutliche Erholung einsetzen. Erst in deren Verlauf wird sich entscheiden, ob die große Hausse weitergeht oder nicht. Ein späterer Rutsch unter 12.750 wäre ein langfristiges Verkaufssignal.

Immerhin, die Grundstabilität, die vor allem der Dow Jones immer noch hat, sollte auch den Dax vor der Baisse bewahren.

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