Riedls Dax -Radar
Kommt der Zinsanstieg wackelt es an der Börse - verständlich. Quelle: Marcel Stahn

Für Zinsängste ist es an der Börse noch zu früh

Coronaängste und Chipmangel bremsen die Wirtschaft, die Konjunktur steht auf der Kippe. Doch genau deshalb dürften die Notenbanken nicht zu früh mit der Zinskeule kommen – zum Vorteil für die Aktienmärkte. 

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Wenn sich die Mitglieder der amerikanischen Notenbank in wenigen Tagen in Jackson Hole in Wyoming zu ihrem jährlichen Treffen versammeln, dürfen Anleger mit wichtigen Impulsen für die Geldpolitik rechnen. Und auch wenn dieses Mal keine Vertreter der EZB dabei sein sollten, wird dies für die Zinspolitik weltweit richtungsweisend sein. 

Seit Monaten kommen aus den Kreisen der Fed Signale für ein Ende der ultralockeren Geldpolitik. Das ist alles andere als verwunderlich, schließlich steht die US-Wirtschaft kräftig unter Dampf. Die Erholung nach dem Coronaschock kommt weiterhin schneller als erwartet voran, für dieses Jahr wird ein Wirtschaftsplus von sieben Prozent erwartet. Auch die Arbeitslosigkeit geht zurück, für die Fed ein zentraler Maßstab. Im Juli ist die Quote auf 5,4 Prozent gesunken. Von den 3,5 Prozent, die von der Notenbank als Vollbeschäftigung betrachtet werden, ist dies jedoch noch ein gutes Stück entfernt. 

Eine dämpfende Wirkung könnte das Wiederaufflammen der Coronainfektionen haben. Allerdings, selbst Fed-Chef Jerome Powell weist darauf hin, dass sich viele Unternehmen mittlerweile auf die Pandemie eingestellt hätten. Eine neue Richtung dürfte Corona den Märkten damit nicht geben, allenfalls laufende Trends verstärken oder abschwächen. 

Wann genau die Fed mit ihrem geldpolitischen Schwenk beginnt, wird sie sich bis auf weiteres offen halten. Einig waren sich die Mitglieder der Notenbank darüber bisher nicht. Die Mehrheit dürfte dafür plädieren, etwa gegen Ende des Jahres damit zu beginnen und zunächst die Anleihekäufe zurückzufahren. Bis es dann zur ersten wirklichen Zinserhöhung kommt, dürfte mindestens noch ein weiteres Jahr vergehen. Die meisten Beobachter der Notenbank rechnen 2023 damit. 

Vom Treffen in Jackson Hole könnte dieses Mal weniger eine neue, unerwartete Richtung in der Geldpolitik ausgehen, sondern eher eine Bestätigung des bisherigen Zeitplans. Für die Märkte wäre das dennoch eine wertvolle Indikation, weil sie damit in ihrem Antizipationsprozess vorankommen. Das heißt: Je bedächtiger, nachvollziehbarer und verlässlicher die Fed ihre Zinswende vorbereitet, ankündigt und dann auch durchführt, desto besser werden Aktien und Anleihen dies verkraften. 

Die bisherige Entwicklung sieht vielversprechend aus. Die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen hat sich nach den grassierenden Inflationsängsten im Frühjahr, als sie bis auf 1,76 Prozent gestiegen ist, wieder deutlich abgeschwächt. Seit Anfang Juli pendelt sie zwischen 1,1 und knapp 1,4 Prozent. Sie liegt damit aber nach wie vor deutlich oberhalb der Schwankungen von Herbst 2019 bis Sommer 2020. Das bedeutet: Auch wenn die Renditen sich in den vergangenen Wochen beruhigt haben, vollzieht sich seit eineinhalb Jahren eine typische Aufwärtsbewegung. Bis 2022/23, wenn dann womöglich die erste Zinserhöhung der Fed ansteht, könnten sie in den Bereich 2,0 bis 2,5 Prozent vordringen; ein Niveau, auf dem die Renditen etwa in den Jahren 2015 und 2017 jeweils mehrere Monate lang verharrten. 

Für die Aktienmärkte wäre ein solcher Anstieg, kein Problem. 2017 war ein gutes Aktienjahr, 2015 ein durchwachsenes. Solange der Zinsanstieg bis dahin nicht überhastet stattfindet, wird mit einem solchen Renditeniveau weder die Konjunktur abgewürgt, noch den Märkten wichtige Liquidität entzogen. Das plausibel vorzubereiten ist die zentrale Aufgabe des Treffens in Jackson Hole. 

Entspannungssignale von den Rohstoffmärkten

Zur Entwarnung bei den Inflationserwartungen und damit auch bei den Zinsen tragen die Rohstoffmärkte bei. Hier kommt es nach den massiven Preissteigerungen der vergangenen Monate mittlerweile immer mehr zu deutlichen Korrekturbewegungen. Rohöl der Sorte Brent hat knapp vor der 80er-Marke gedreht und ist mit derzeit etwa 65 Dollar wieder in die Preisbandbreite vom Frühjahr zurückgefallen. Kupfer konnte sich nicht über 10.000 Dollar je Tonne behaupten; Palladium, Platin und Silber stehen schon seit mehreren Monaten unter Druck; allenfalls Gold hat sich in den vergangenen Tagen wieder deutlich von seinen Tiefpunkten entfernt. Ein Ende der weltweiten Rohstoffhausse dürfte mit diesen Korrekturen nicht eingeleitet sein. Eher schon passt diese Entwicklung zur nachlassenden Dynamik der Konjunktur – was wiederum den seit Monaten vorgezeichneten Szenarien der Notenbanken entspricht. 

Auch an den Aktienmärkten hat sich die Anstiegsdynamik verlangsamt. Der Dow Jones ist zuletzt wieder unter die Marke von 35.000 Punkten gerutscht, der Nasdaq-100-Index unter 15.000 und der Dax unter 16.000 Punkte. 

In der Entwicklung der einzelnen Dax-Branchen spiegelt sich das ebenfalls wider. Volkswagen, BMW, Daimler, Continental, BASF und Henkel, also die Konjunkturwerte, sind schwächer. Auf der anderen Seite fließt das Geld in die defensiven Klassiker; in Deutsche Telekom, E.On, RWE und Deutsche Post. Merck und Linde sind weiterhin die beiden Dax-Werte mit der besten Performance; bei Fresenius wächst die Hoffnung auf einen Turnaround nach den Coronarückschlägen. Siemens, Infineon und SAP, die Technikwerte, sind auf kurzfristigem Konsolidierungskurs, aber insgesamt in guter Verfassung. 

Fazit für den Dax: Die robuste, wenn nun auch abflauende Konjunktur und die dazu wieder aufkommenden Coronasorgen sollten Inflations- und Zinsängste im Zaum halten. Dass die Notenbanken ausgerechnet in dieser Situation nun mit dem Zinshammer kommen, ist unwahrscheinlich. Die Korrektur bei den konjunktursensiblen Aktien dürfte sich fortsetzen, die Stärke der Defensiven sollte das im Indexdurchschnitt aber weitgehend ausgleichen. Die Technologietitel vollziehen eine klassische Konsolidierung in einer langfristigen Aufwärtsbewegung. 

von Georg Buschmann, Frank Doll, Martin Gerth, Heike Schwerdtfeger

Nach dem kurzen Ausflug bis knapp über 16.000 ist der Dax wieder auf bis zu 15.600 Punkte abgerutscht. Das ist kein Drama, eine ähnliche Entwicklung gab es Ende Mai, als der Index zunächst auf ein neues Hoch vorstieß, dann aber im Juni und Juli noch einmal unter die davor überwundenen Hochpunkte sackte. Auch jetzt ist die mittelfristige Aufwärtstendenz intakt. Bei 15.400 Punkten verläuft die nächste wichtige Unterstützung, bei etwa 15.300 liegt die Untergrenze der Schwankungen seit Frühjahr. Diese beiden Kursmarken sollten möglichst in den nächsten Wochen nicht unterschritten werden – auch wenn zur 200-Tagelinie bei 14.620 dann immer noch etwas Luft wäre. 

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