Riedls Dax-Radar
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Gold und Bonds machen Hoffnung auf Börsengewinne

Robuste Einzelaktien und die Aussicht auf eine weitere Zinsentspannung stützen den Dax. Bei den nächsten Rücksetzern könnte es neue Kaufgelegenheiten geben. Eine Kolumne.

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Sieben Monate ist es schon her, als die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen mit 4,3 Prozent den höchsten Stand seit dem Niveau von kurz vor der Finanzkrise von 2008 erreicht hatten. Dieser Anstieg, der im Sommer 2020 begann, war die heftigste Zinserhöhungsphase der vergangenen vier Jahrzehnte.

Seitdem nun aber die Inflationsraten in den USA und in anderen Industriestaaten schrittweise zurückkommen, driften auch die Anleiherenditen wieder langsam ab. Seit Wochen pendeln zehnjährigen US-Zinsen richtungslos zwischen 3,3 und 3,6 Prozent. Noch ist die Entscheidung über den weiteren Trend nicht gefallen; aber wenn sie fällt, wird sie die weltweiten Märkte der Bonds, Aktien, Währungen, Edelmetalle und auch den Verlauf der Konjunktur massiv in die eine oder die andere Richtung drängen.

Dabei geben diese Märkte schon jetzt Indikationen, wie diese Entscheidung ausfallen könnte. Das gilt zuallererst für die direkt betroffenen Anleihemärkte. Gut sichtbar ist das am deutschen Anleiheindex Rex, in dem die Kurse öffentlicher Zinspapiere stecken. Im Januar 2022 rutschte der Rex bei 144 Punkten unter eine mehrjährige Unterstützungszone und leitete damit den schwersten Anleihecrash der jüngeren Geschichte ein. Seinen bisherigen Tiefpunkt erreichte der Rex am 8. März 2023 bei 123 Punkten – ein Niveau, das schon in den Jahren 2005, 2009 und 2011 mehrmals zu Kursstockungen und Richtungsänderungen geführt hat. Zugleich fiel der Anleiheindex damit genau bis auf den seit 1982 laufenden, langjährigen Aufwärtstrend zurück.

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von Anton Riedl

Die Stabilisierung, die nun seit Oktober vergangenen Jahres läuft, ist zunächst ein mechanischer Reflex auf die Renditeentwicklung: Je weniger Zinsen es für neue Anleihen gibt, desto attraktiver werden die schon notierten Anleihen – und umgekehrt. Darüber hinaus aber sind Bonds sensible Seismografen, weil Anleiheinvestoren in der Regel ganz besonders auf Sicherheit bedacht sind. Schon im Oktober und November 2021, also kurz vor dem großen Einbruch an den Aktienmärkten, gab der Rex durch neue Tiefpunkte und ein niedrigeres Hoch erste Warnsignale. Aktuell deutet die Entwicklung in die andere Richtung: Durch den Anstieg auf 127 Punkten hat der Rex schon ein höheres Tief ausgebildet; ein erster Schritt zu einer möglichen Wende. Ein zweiter, wichtiger Schritt wäre ein Anstieg über das Niveau von 128 Punkte hinaus.

Vielversprechende Goldrally im dritten Anlauf

Zur heimlichen Stärke der Bonds passt auch eine andere, bemerkenswert robuste und viel beachtete Kurve: Der Goldpreis. Die Mischung aus hohen Inflationsraten, die in den USA um fünf Prozent und in Deutschland um sieben Prozent pendeln, und die rückläufige Zinstendenz haben den Preis für eine Feinunze bis in den Bereich um 2050 Dollar katapultiert. Schon zweimal, im August 2020 und im März 2022, war der Goldpreis so weit vorgedrungen, fiel dann aber in beiden Fällen wieder zurück.

Ob der Goldpreis es dieses Mal schafft, dieses Niveau nachhaltig zu überwinden, ist erst einmal offen. Doch es gibt Hinweise dafür: fundamental die ungebrochen hohen Inflationsgefahren und markttechnisch der nun schon zweimalige Anlauf an das Niveau um 2050. Beides könnte darauf deuten, dass der Goldpreis zwar kurzfristig noch etwas Luft holt, vielleicht bis in den Bereich um 1950 Dollar, dann aber von da aus wieder nach oben dreht um mittelfristig das Niveau 2000 bis 2050 Dollar deutlich hinter sich zu lassen.

Eine dritte Indikation für eine Zinsentspannung kommt vom Aktienmarkt selbst. Während der gesamten Aktienbaisse von Januar bis Herbst 2022 lief der Technologieindex Nasdaq schlechter als die breiter gefassten Kurven von Dow Jones, S&P 500 oder hierzulande der Dax. Seit Anfang 2023 jedoch zeigt der Nasdaq Muskeln. So hat der Nasdaq-100-Index zwischen 10.700 und 12.000 Punkten einen klassischen Boden gebildet, mit dem Anstieg auf 13.000 ein wichtiges Kaufsignal gegeben, das er aktuell mit dem Anstieg auf fast 13.500 Punkten bestätigt. Die stabilen operativen Geschäfte seiner Schwergewichte Apple und Microsoft und deren starke Aktienperformance sind dafür die entscheidenden Triebkräfte.

Das Comeback des Nasdaq ist aus zwei Gründen besonders wichtig: Es signalisiert eine mögliche Zinsentspannung, weil Technologieunternehmen hier als besonders sensitiv gelten; und es ist ein Zeichen dafür, dass die alten Megatrends um Digitalisierung, Internet, Software oder Automatisierung langfristig weiter nach oben zeigen. Dass die klassischen Indizes seit einigen Wochen dagegen wieder etwas schlechter laufen und dies auf eine konjunkturelle Schwäche deutet, passt durchaus in das Szenario tendenziell rückläufiger Zinsen.

SAP übernimmt wieder Führungsrolle im Dax 

Die Aufteilung in stärkere Technologiewerte und schwächere Konjunkturwerte zeigt sich in Ansätzen auch im Dax. Das gilt schon für den bis vor kurzem dynamischen Anstieg von Infineon im Zuge des weltweiten Chipaufschwungs. Besonders bemerkenswert aber ist das Comeback von SAP. Seit Oktober hat Deutschlands wichtigster Technologiekonzern 50 Prozent Kursplus erzielt. Da SAP mit aktuell 142 Milliarden Euro auch der größte Dax-Wert ist, beflügelt das den Index ganz besonders.

SAP kam dabei nicht nur der wachsende Erfolg in seinem Cloudgeschäft zugute. SAP ist auch, was vielfach wenig beachtet wird, eine sehr zinssensitive Aktie. SAP hat mit seinem kalifornischen Ableger Sapphire eines der wichtigsten Venture-Capital-Unternehmen der Technologiebranche. Und hier führte der Zinsanstieg im vergangenen Jahr zu massiven Abschreibungen, die dann über das Finanzergebnis schwer auf die Nettogewinne von SAP durchschlugen. Ein möglicher Rückgang der Zinsen, der Venture-Unternehmen besonders zugute käme, würde also auch hier zu einer wichtigen Entlastung führen. Im SAP-Kurs könnte sich dann langfristig auch der operative Erfolg des Cloudgeschäfts angemessen widerspiegeln.

Fazit für den Dax: Seit drei Wochen pendelt der Deutsche Aktienindex zwischen 15.700 und 16.000 Punkten. Das ist zwar, vor allem nach dem dynamischen Anstieg von Mitte März bis Mitte April, durchaus eine Form der Korrektur, doch von kräftigen Rücksetzern ist bisher nichts zu spüren. Auch die meisten Einzelwerte sehen gut aus: Die Allianz etwa, die im ersten Quartal den operativen Gewinn von 3,0 auf 3,7 Milliarden Euro deutlicher als erwartet erhöhen kann, hat bei Kursen zwischen 210 bis 220 Euro das Topniveau der vergangenen fünf Jahre erreicht. Die günstige Bewertung und die hohe Dividende machen langfristig noch mehr möglich. Rücksetzer in den Bereich 200 bis 210 Euro könnten Neukäufer anlocken.

BMW-Aktien sind als erste unter den großen Autoherstellen auf ein neues, mittelfristiges Hoch geklettert. Der zuletzt hohe Tagesverlust ist auf den Dividendenabschlag zurückzuführen, der wegen der letztjährigen Expansion in China (die Übernahme des Gemeinschaftsunternehmens BBA) besonders hoch ausfällt. Kurzfristig könnte das Niveau zwischen 90 bis 100 Euro Ausgangspunkt für eine neue Kletterpartie werden.

HeidelbergCement gelingt es zunehmend, hohe Preise für Rohstoffe und Energie über gute Verkaufserlöse auszugleichen. Zudem ist der öffentlich geförderte Infrastrukturbau stark genug, den schwachen Wohnungsbau auszugleichen. Clever und zukunftsweisend ist die Umpositionierung in HeidelbergMaterials und die betonte Ausweitung des Geschäfts in Richtung Nachhaltigkeit. Die Heidelberger machen damit aus dem Klimanachteil der energieintensiven Zementindustrie langfristig eine Chance. Kurse um 60 Euro könnten Nachkaufmöglichkeiten eröffnen.

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Dem Dax sollte die mögliche Entspannung auf der Zinsseite und die stabile Entwicklung zahlreicher Einzelwerte helfen, das Korrekturniveau der vergangenen Wochen weiter zu verteidigen. Und selbst wenn er bis Mitte des Jahres dann doch noch etwas deutlicher nachgeben sollte, hätte er bis in den Bereich 14.800 oder 14.500 Punkte Spielraum, ohne die seit Herbst vergangenen Jahres eingeleitete Aufwärtstendenz zu verletzen.

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