Riedls Dax-Radar
Quelle: Illustration: Marcel Reyle

Hoffnung am Aktienmarkt: Vom Ausverkauf zur Jahresendrally

Ergebnisse zum dritten Quartal zeigen womöglich, dass die wichtigsten Dax-Unternehmen besser durch die Krise kommen als befürchtet. Eine erneute Schwäche am Aktienmarkt könnte deshalb sogar zur Kaufgelegenheit werden.

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Im ersten Moment sah es so aus, als ob die jüngsten Inflationsdaten in den USA die Aktienmärkte wieder in den Keller schicken. Schließlich ist die Inflation im September mit 8,2 Prozent etwas höher ausgefallen als erwartet. Dann aber, gleich zu Beginn der offiziellen Handelssitzung in den USA, kam wieder die Hoffnung auf, die Inflation könnte ihren Peak schon überschritten haben. Seit Juni, als die Teuerung 9,1 Prozent erreicht hatte, geht es nun stetig nach unten: erst 8,5 Prozent im Juli, dann 8,3 im August, und nun 8,2 Prozent im September. Ist damit das Schlimmste für Wirtschaft und Märkte überstanden? 

Dem Dax ist in diesem hektischen Umfeld etwas Wichtiges gelungen: Er hat, nachdem er Ende September bei 11.975 Punkten (Tagesschluss) noch einmal auf ein neues Tief abgerutscht war, zuletzt oberhalb dieses Niveaus gedreht und in einer schnellen Rally sogar einen Anstieg auf über 12.500 Punkte geschafft. 

Entscheidende Impulse für den Markt kommen nun von der gerade begonnenen Berichtssaison. BASF hat vor der offiziellen Quartalsmitteilung (die am 26. Oktober veröffentlicht wird) schon die Eckdaten des dritten Quartals bekannt gegeben. In zwölf Prozent Umsatzplus spiegeln sich dabei vor allem höhere Preise wider, also die Inflation. Im vorläufigen Nettoergebnis, das um 27 Prozent auf 909 Millionen Euro zurückgegangen ist, sind hohe Abschreibungen auf die Öl- und Gastochter Wintershall Dea verarbeitet. Zusammen mit dem Nettogewinn von 3,5 Milliarden Euro im ersten Halbjahr hat BASF nun nach neun Monaten insgesamt 4,4 Milliarden Euro verdient. Auch wenn dieser Wert etwas unter den Schätzungen liegt, bedeutet er für die Aktie eine Erleichterung: Zum einen dürfte BASF damit keine Probleme haben, die für das Gesamtjahr durchschnittlich erwarteten 5,2 Milliarden Euro zu erreichen; zum anderen untermauert das die günstige Gewinnbewertung und die hohe Dividendenausschüttung. 

BASF eröffnet damit als erster der wichtigen deutschen Industriewerte die Chance, mit passablen Ergebnissen durch die aktuelle Krise zu kommen. Zugleich hat die Aktie abermals das wichtige Niveau des Coronatiefs bei 39 Euro verteidigt. Sollte die Aktie in den nächsten Wochen noch über den Bereich 45 bis 47 Euro klettern, gäbe sie sogar ein Kaufsignal. 

Gute Aussichten sind beim Indexschwergewicht Linde möglich. Der Industriegasekonzern hat die Erwartungen hoch gelegt und rechnet bisher trotz des teuren Rückzugs aus Russland in diesem Jahr mit einem Gewinnwachstum von zehn bis zwölf Prozent. Steigende Erdgaspreise kann Linde bisher auf die Kunden überwälzen. Sollte sich im dritten Quartal die versprochene Gewinnstärke bestätigen, dürfte Linde trotz allgemeiner Börsenturbulenzen sein Kursniveau zwischen 260 und 300 Euro halten. Das entspräche zwar fast einer 30-fachen Gewinnbewertung; doch Linde würde damit die außergewöhnliche Stabilität seines Geschäftsmodells abermals beweisen. Und so etwas steht angesichts der aktuellen Konjunktursorgen bei Anlegern derzeit hoch im Kurs. 

Gegenwind für Siemens, Airbus im Aufwind, SAP unter Zugzwang

Wechselhaft ist die Situation bei Siemens. Hier haben hohe Abschreibungen auf das Windkraftgeschäft des Ablegers Siemens Energy, der teure Rückzug aus Russland sowie hohe Materialkosten und Lockdownfolgen im Frühjahrsquartal sogar zu einem Verlust geführt. Selbst wenn sich ein solcher Ausrutscher im Sommer nicht wiederholt haben sollte, dürfte Siemens im aktuellen Geschäftsjahr (das am 30. September zu Ende ging) deutlich schwächer als 2021 abgeschnitten haben. Zugleich sind die Erwartungen der Banken für 2022/23 ausgesprochen optimistisch: Hier wird im Durchschnitt mit einem Gewinnanstieg um 66 Prozent gerechnet. Das ist reichlich Optimismus angesichts der Rezessionsrisiken. Immerhin konnten Siemens-Aktien angesichts der im internationalen Branchenvergleich günstigen Bewertung sich wieder über der Marke von 100 Euro erholen. Um über die nächste, wichtige Hürde bei 115 Euro zu kommen, müsste die Unternehmenszahlen allerdings schon positiv überraschen. 

Schwierig werden die nächsten Wochen für SAP. Zum Halbjahr hatte der Softwarekonzern wieder einmal seine Prognose gesenkt. Wenigstens sind damit auch die Erwartungen der Finanzgemeinde gesunken – und damit auch das mögliche Enttäuschungspotenzial. Für 2023 rechnen Banken dann wieder mit einem deutlichen Anstieg des Nettogewinns um 27 Prozent. Einen Freibrief für schwache Ergebnisse haben die Walldorfer also nicht. Sollte SAP im dritten Quartal abermals enttäuschen, könnte sogar die wichtige Unterstützung bei 80 Euro gefährdet sein. Ein positives Signal dagegen wäre es, wenn die Aktie in den nächsten Wochen das Niveau 95 bis 100 Euro überwindet. 

Gemischte Signale kamen bisher vom Flugzeugbauer Airbus. Zum Halbjahr ging das Kerngeschäft mit zivilen Maschinen zurück, dafür legte das Rüstungsgeschäft zu. Seit einigen Wochen nun stabilisiert sich auch das zivile Geschäft wieder. So wurden im September 55 Maschinen an Kunden ausgeliefert, 16 mehr als im August. Allerdings, nach 437 Maschinen bis Ende September wird es für Airbus eng, das gesteckte Ziel von 700 Auslieferungen in diesem Jahr noch zu erreichen. Immerhin sind die Gewinnerwartungen für 2022 nicht zu hoch gesteckt: Banken gehen im Schnitt von einem Rückgang um sieben Prozent aus. Airbus-Aktien sollten damit in der Lage sein, sich in den nächsten Wochen zwischen 90 und 110 Euro zu halten. 

Stabil verläuft das Geschäft der Deutschen Telekom. Dank der erfolgreichen amerikanischen Tochter T-Mobile US konnte zum Halbjahr sogar die Gewinnperspektive leicht angehoben werden. Allerdings, dass vor kurzem der geplante Verkauf von T-Systems gestoppt wurde, ist eine herbe Enttäuschung. Seit vielen Jahren beschert der IT-Ableger den Bonnern Verluste. Zudem wächst im Konzern der Schuldenberg, der mittlerweile eine Höhe von 146 Milliarden Euro erreicht hat. Dank des vergleichsweise krisenfesten Geschäfts und der stabilen Ausschüttung sollten sich Telekom-Aktien weiter im Bereich zwischen 16 und 20 Euro halten. Ein Durchbruch der wichtigen 20er-Marke aber dürfte erst auf der Tagesordnung stehen, wenn die Telekom bei ihren Baustellen T-Systems und Verschuldung substanzielle Fortschritte macht. 

Fazit für den Dax: Im hektischen Umfeld von auf- und abflauenden Inflationsängsten spricht die operative Entwicklung der führenden Dax-Aktien für die Chance einer bevorstehenden Bodenbildung. Allerdings sind die Aktien insgesamt noch nicht so billig, dass es kurzfristig nicht noch einmal tiefer gehen könnte; sogar ein Ausverkauf in den Bereich 11.700 bis 11.500 Punkte wäre denkbar. Auf diesem Niveau kam es in den vergangenen Jahren mehrmals zu wichtigen Wendepunkten im Markt, zuletzt im Oktober 2020. Spätestens von hier aus könnte der Dax dann eine Erholung einleiten, aus der sogar eine kleine Jahresendrally werden könnte – vor allem dann, wenn sich in den großen Volkswirtschaften wie den USA die Inflationsdaten wie zuletzt Schritt für Schritt etwas verbessern.

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