Die Wahl in Großbritannien gibt dem Dax einen Schub, weil sie auch ein Votum gegen einen harten Brexit ist. Mehr noch: Wie schon die bisherigen Wahlen dieses Jahres scheint die Abkehr vom alten Kontinent in Europa gar nicht die dominante Tendenz zu sein.
Zugleich signalisiert das Wahlergebnis, dass die Briten bei den Verhandlungen mit der EU kompromissbereiter sein könnten und nicht auf Krawall gebürstet wie bisher. All das kommt den deutschen Unternehmen zugute, die immerhin (im Dax) an die zehn Prozent Umsatz mit ihrem Großbritannien-Geschäft holen.
Direkt schlägt sich das Wahlergebnis erst im Pfund Sterling nieder. Mit rund 1,14 Euro rangiert es derzeit etwa auf dem Niveau der Tiefpunkte von Januar und März. Das Pfund hat damit zwar reagiert, ist aber nicht zusammengebrochen. Immerhin, im vergangenen Oktober war es schon bis auf 1,08 Euro abgestürzt.
Die Unsicherheit nach der Briten-Wahl ist eine Belastung für das Pfund. Schon in den vergangenen Monaten signalisierten die Zahlen zur britischen Wirtschaft eine deutliche Abschwächung. Das dürfte sich zunächst fortsetzen. Andererseits bleibt am Horizont die Hoffnung, dass die Briten sich nicht so konsequent von Europa verabschieden wollen, wie es sich die britische Regierung in den vergangenen Monaten auf die Fahnen schrieb.
Für das Pfund könnte dies nach der Schaukelpartie der vergangenen Monate eine erneute Schwächephase bedeuten, in der die Briten-Währung noch einmal das Tief von Herbst 2016 auslotet. Langfristig, wenn die Briten kein schlüssiges Brexit-Konzept zustande bringen, könnte es sogar wie Ende 2008 in Richtung Parität zum Euro gehen.
Es sein denn, es findet in Großbritannien ein Wandel statt, der sogar zu einem Exit vom Brexit führt; auszuschließen sind solche Entwicklungen nach den Überraschungen des vergangenen Jahres nicht. Das Pfund Sterling würde dann nach oben schießen. Dieses Risiko, auch wenn es noch so klein sein mag, macht derzeit eine Spekulation auf ein sinkendes Pfund so gefährlich.
In Europa und in den USA bleiben die Zinsen niedrig
Für den Dax kommen derzeit von der EZB gemischte Signale. Einerseits deutet Notenbankchef Mario Draghi an, dass weitere Zinssenkungen wenig wahrscheinlich seien. Andererseits sieht es aber auch nicht nach einer substanziellen Straffung der Geldpolitik aus – besonders angesichts magerer Inflationsdaten. Und da vor allem Öl weiterhin günstig sein dürfte, wird auch kein Inflationsdruck entstehen.
Die Reaktionen am Kapitalmarkt bestätigen dies: Mit 0,25 Rendite liegen die zehnjährigen Bundesanleihen in der Mitte ihrer diesjährigen Schwankungen. Damit ist auf absehbare Zeit weder eine scharfe Zinswende wahrscheinlich noch ein abermaliger Rückgang. In der Umlaufrendite könnte die Spannbreite für die nächsten Wochen zwischen 0,0 und 0,2 Prozent liegen.
Deutlicher unter Druck sind die Renditen in den USA. Mit knapp 2,2 Prozent haben die zehnjährigen Bonds das Niveau von Mitte November erreicht. Angesichts der keineswegs dynamischen US-Wirtschaft ist die Tendenz eher weiter nachgebend.
Schwergewichte im Dax drücken nach oben
Am deutschen Aktienmarkt gab es direkt nach der Wahl einen kräftigen Kursschub. Bisher allerdings ist es dem Dax noch nicht gelungen, bis an das Hoch vom 2. Juni vorzudringen, das bei 12.881 Punkten lag. Im Index selbst besteht unter kurzfristigem Blickwinkel eine Patt-Situation: Nach unten wäre zunächst bis 12.500 Punkte Platz, nach oben bis knapp 12.900.
Welche deutschen Branchen der Brexit treffen könnte
Jedes fünfte aus Deutschland exportierte Auto geht laut Branchenverband VDA ins Vereinigte Königreich. Präsident Matthias Wissmann warnte daher vor Zöllen, die den Warenverkehr verteuerten. BMW etwa verkaufte in Großbritannien 2015 rund 236 000 Autos - über 10 Prozent des weltweiten Absatzes. Bei Mercedes waren es 8 Prozent, bei VW 6 Prozent. BMW und VW haben auf der Insel zudem Fabriken für ihre Töchter Mini und Bentley. Von „deutlich geringeren Verkäufen“ in Großbritannien nach dem Brexit-Votum berichtete bereits Opel. Der Hersteller rechnet wegen des Entscheids 2016 nicht mehr mit der angepeilten Rückkehr in die schwarzen Zahlen.
Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien der viertwichtigste Auslandsmarkt nach den USA, China und Frankreich. 2015 gingen Maschinen im Wert von 7,2 Milliarden Euro auf die Insel. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte weniger gut. In den ersten zehn Monaten 2016 stiegen die Exporte nach Großbritannien dem Branchenverband VDMA zufolge um 1,8 Prozent gemessen am Vorjahr. 2015 waren sie aber noch um 5,8 Prozent binnen Jahresfrist gewachsen. Mit dem Brexit sei ein weiteres Konjunkturrisiko für den Maschinenbau dazugekommen, sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker im Dezember.
Die Unternehmen fürchten schlechtere Geschäfte wegen des Brexits. Der Entscheid habe bewirkt, dass sich das Investitions- und Konsumklima in Großbritannien verschlechtert habe, sagte jüngst Kurt Bock, Präsident des Branchenverbands VCI. Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien ein wichtiger Abnehmer gerade von Pharmazeutika und Spezialchemikalien. 2016 exportierten sie Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich, rund 7,3 Prozent ihrer Gesamtexporte.
Für Elektroprodukte „Made in Germany“ ist Großbritannien der viertgrößte Abnehmer weltweit. 2015 exportierten deutsche Hersteller laut Branchenverband ZVEI Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in das Land, 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich nicht mehr so gut. Nach zehn Monaten verzeichnet der Verband ein Plus bei den Elektroausfuhren von 1,7 Prozent gemessen am Vorjahr. Grund für die Eintrübung seien nicht zuletzt Wechselkurseffekte wegen des schwachen Pfunds, sagte Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des ZVEI.
Banken brauchen für Dienstleistungen in der EU rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Mit dem Brexit werden Barrieren befürchtet. Deutsche Geldhäuser beschäftigten zudem Tausende Banker in London, gerade im Investmentbanking. Die Deutsche Bank glaubt indes nicht, dass sie ihre Struktur in Großbritannien „kurzfristig wesentlich“ ändern muss. Die Commerzbank hat ihr Investmentbanking in London schon stark gekürzt. Um viel geht es für die Deutsche Börse. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Der Brexit macht das Projekt noch komplizierter.
Bei den Einzelwerten indessen sieht das Bild besser aus. Das gilt vor allem für die schweren Werten im Dax, die den Verlauf des Index wesentlich ausmachen:
Bei SAP waren die Zahlen gut, die Aussichten vielversprechend. Wenn der von Analysten für dieses Jahr erwartete Gewinnschub Realität wird, liegt das KGV über 20. Im Zuge der aktuellen Megatrends ist das noch verträglich, technisch ist der Trend voll intakt.
Siemens hat eine gute Chance, sich aus der Konsolidierung der vergangenen Wochen zu lösen. Der Konzernumbau läuft, das internationale Geschäft leidet nicht unter Trump, und die Hinwendung zu immer mehr Software-Aktivitäten kommt an der Börse gut an. Kurstechnisch ist Siemens in einem stabilen und langfristigen Aufwärtstrend.
Marktbericht: Dax von Briten-Wahl unbeeindruckt – Dax startet durch
Die Telekom profitiert vom lebhaften Geschäft ihrer US-Tochter und ihrer starken Marktstellung in der Konsolidierungsphase der Branche. Kurzfristig dürfte sich die Aktie nach dem Kurssprung vom Mai beruhigen, langfristig zeigt der Trend nach oben.
Die Allianz hat die Korrektur der vergangenen Wochen gut überstanden, trotz niedriger Zinsen dreht die Aktie nach oben. Die günstige Bewertung und die hohe Dividende machen das Papier derzeit zu einem Basisinvestment. Der Aufwärtstrend ist voll intakt.
Fazit: Niedrige Zinsen, akzeptable Währungsrelationen und gute Gewinnaussichten sind gutes fundamentales Umfeld, technisch verlaufen die taktgebenden Aktien in stabilen Aufwärtsbewegungen. Der Trend im Dax ist damit weiterhin nach oben gerichtet. Ein Warnsignal gäbe es erst, wenn der Index wider Erwarten in den nächsten Wochen unter 12.500 Punkte rutscht.