Riedls Dax-Radar

Der Dax könnte bald seinen Zenit überschreiten

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Im Ölpreis könnte es langsam eine Stabilisierung geben

Vor einer Woche wurde hier an dieser Stelle beschrieben, dass knapp unter 30 Dollar je Fass für den Ölpreis eine theoretische Zielzone der Baisse liegt. Nun haben die Brentnotierungen, nachdem sie dreimal den Boden bei 28 Dollar getestet haben, einen kleinen Sprung nach oben vollzogen. Damit ist natürlich der scharfe Abwärtstrend, der seit Mitte 2014 läuft, nicht einfach beendet. Dennoch sollte man diese Kursbewegung gut im Auge behalten, weil sie mitten in einem Umfeld stattfindet, in dem viele Preisprognosen jetzt schon fest von 20 Dollar und weniger ausgehen.

Noch ist das Überangebot auf dem Ölmarkt enorm. Und durch die Entspannung mit dem Iran dürfte weiteres Öl auf den Markt kommen. Dass Saudi Arabien mittlerweile immer mehr in Bedrängnis kommt, dürfte dem großen Rivalen Iran nicht verborgen bleiben. Die Aussicht auf iranisches Öl ist ein Hauptgrund dafür, dass der Ölpreis mittel- bis langfristig nicht mehr so schnell auf seine alten Höhen vordringt.

Auf der anderen Seite dürfte es in den nächsten Wochen zunehmend Signale dafür geben, dass die Produktion nachlässt. In der amerikanischen Ölindustrie herrscht mittlerweile schwere Krisenstimmung. Investitionskürzungen, Entlassungen und der Verzicht auf neue Erschließungen werden sich früher oder später auch an den Märkten niederschlagen.

Diesen Öl-Konzernen laufen die Anleger weg

So, wie es erst mit langer Zeitverzögerung nach dem Förderboom aus Schiefergestein zum Preisverfall kam, wird es früher oder später zumindest eine Teilerholung geben. Sollte der Ölpreis wiederum in klassischer Weise 38 Prozent seiner vorangegangenen Bewegung (also der Baisse von 115 auf 28, gleich 87 Dollar) aufholen, so ergäbe dies theoretisch einen Anstieg um 33 Dollar auf 61 Dollar. Dann wäre der Ölpreis übrigens gar nicht so weit von dem Durchschnitt entfernt, den die EZB bisher in ihren Rechnungen angenommen hat: 52 Dollar.

So oder so: Die Anzeichen mehren sich, dass der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau nicht mehr widerstandlos nach unten durchrutscht. Dynamische Erholungen sind Kennzeichen einer typischen Bodenbildung. Das durchschnittliche Niveau der Ölnotierungen indes wird auf Monate hinaus ziemlich niedrig bleiben.

Paradigmenwechsel an der Börse?

Im Dax kam es, als vor einer Woche der Kampf um die Zone um 9800 Punkte verloren ging, zu einer schnellen Abwärtsbewegung bis 9256. Seit der EZB-Sitzung und mit der Stabilisierung der Ölpreise läuft eine Gegenbewegung, die bisher an das Niveau um 9800 gekommen ist. Hier dürfte die nächste Entscheidung bevorstehen: Kommt der Dax wieder nachhaltig über die Zone um 9800 (also am besten gleich über 10.000), wäre die akute Gefahr eines schnellen Durchrutschens erst einmal gebannt.

Immerhin: Geht es nach der durchschnittlichen zeitlichen Ausprägung der kurzfristigen Marktbewegungen, wäre sogar eine mehrwöchige Erholung nicht abwegig: August und September zwei Monate Rückschlag, Oktober und November zwei Monate Anstieg, Dezember und Januar zwei Monate Rückschlag.  

Das Problem dabei ist allerdings, dass der Abschwung durch die schwachen vergangenen Wochen an Breite zugenommen hat. Als Superinvestor Warren Buffett vor gut einem Jahr frühzeitig seine große Position in Exxon räumte, zeigte er wieder mal feinsinniges Gespür. Allerdings kaufte er mit dem Geld IBM-Aktien – und die sind seitdem ebenfalls kräftig gesunken, zuletzt sogar noch stärker als Exxon. Wenn Buffett schon solche Rückschläge hinnehmen muss, wie traurig sieht es dann erst in den Depots ganz normaler Privatanleger aus?

Trotz der jüngsten kurzen Erholung verlaufen bei 77 Prozent der Dax-Werte und 80 Prozent der Dow-Aktien die aktuellen Notierungen unterhalb der 200-Tage-Linie. Selbst wenn die Erholung im Index noch etwas weiter geht, zeigt der breite Markttrend mittlerweile ziemlich hartnäckig nach unten. Die Gefahr ist groß, dass die jüngsten Kursrückschläge nicht einfach wie in den vergangenen Jahren eine Korrektur im langen Aufwärtstrend sind, sondern dass sie womöglich eine längere Baisse einleiten könnten.

Bis zum 17. Dezember 2015 war der Dax Radar an dieser Stelle von einem positiven Grundton getragen. Diese positive Grundeinschätzung ging über den Jahreswechsel verloren: Am 8. Januar wurde auf die drohende Gefahr hingewiesen („ganz knapp für den Dax“), am 15. Januar vor Baisse und weiteren Kursrückschlägen gewarnt.

Noch ist die große Baisse nicht Fakt. Im Dow Jones sieht das Kursbild seit Mitte 2013 zwar schon sehr nach einer klassischen Distributionsphase aus, nach einem Rounding Top, einer Kopf-Schulter-Formation oder wie immer man solche Kursbilder auch bezeichnen mag. Doch selbst wenn es wirklich auf eine große obere Wende hinauslaufen sollte, kann es noch Monate dauern, bis diese Wende endgültig komplettiert wird.

Es gibt dabei auch nicht einfach eine bestimmte Kursmarke, ab der eine solche weitreichende Entscheidung gefallen ist. Gerade der Dow Jones und der amerikanische Aktienmarkt sind bekannt dafür, dass plötzlich massive Käufe (wer immer solche konzertierte Aktionen auch anzetteln mag) schwer angeschlagene Märkte am Ende einer Sitzung oder einer Woche wieder nach oben ziehen. Diese Käufe sind eine Art Spiegelbild zur geldpolitischen Schützenhilfe der Notenbanken.

Fazit: Die Situation ist so brisant, dass derzeit die Begrenzung der Risiken absoluten Vorrang hat. Es geht jetzt nicht um „Schnäppchen“ oder „billige“ Aktien, sondern darum, Vermögen möglichst zu erhalten und gleichzeitig beweglich zu bleiben. Denn wenn der Markt wirklich in eine Baisse kippt, ist das nicht einfach mit ein paar Wochen Kursrückgang abgehakt. Und dass der Markt in seiner desolaten Verfassung einfach wie in den Jahren 2009 bis 2015 immer wieder neue Höhen markiert, ist bis auf weiteres wenig wahrscheinlich.  

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