Riedls Dax-Radar
Die Bullen haben derzeit das Sagen an der Börse: Der Börsenindex Dax gibt ein klassisches Kaufsignal Quelle: imago images

Klassisches Kaufsignal für den Dax: Heimvorteil für deutsche Aktien

Zitterpartie an den US-Börsen, doch der Dax bleibt stabil. Deutsche Technikaktien profitieren von ihrem Bewertungsvorteil, Industrieaktien erholen sich und ein wichtiges Kaufsignal macht Hoffnung für den gesamten Markt.

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Auf den ersten Blick war es für viele Marktteilnehmer eine Enttäuschung, dass Jerome Powell bei seiner jüngsten Pressekonferenz nicht neue, stimulierende Geldmaßnahmen ankündigte. 

Dabei war das, was der Fed-Chef von sich gab, für die Märkte besser als eine abermalige Geldspritze: Denn erstens wolle er die Zinsen bis Ende 2023 nicht erhöhen – einen solchen Freibrief für Aktien hat es in der Geschichte der Notenbank noch nie gegeben. Zweitens ist es keineswegs negativ für die Börsen, wenn die Fed Spielraum für weitere Maßnahmen in Reserve hält. Und drittens erholt sich die amerikanische Wirtschaft um ein gutes Stück stärker als erwartet. 

Noch im Juni lag die 2020er-Prognose für die US-Wirtschaft bei Minus 6,5 Prozent, jetzt rechnet die Fed nur noch mit einer Schrumpfung um 3,7 Prozent. Wenn diese Rechnung aufgeht, wäre der säkulare Konjunktureinbruch durch Corona nur ein einmaliges Ereignis gewesen, das die Wirtschaft letztlich wegstecken kann. Es käme dann doch eine Art V-Erholung zustande, nach der Wirtschaft und Märkte nach einer scharfen Pause ihren übergeordneten Wachstumskurs wieder fortsetzen. 

Dennoch, die heftigen Kursrückschläge, zu denen es Anfang September an den Börsen kam, sind bisher noch nicht ausgeglichen. Nachdem der Dow Jones in einem ersten Rutsch von 29.100 bis 27.500 etwa 1.600 Punkte verlor, brachte er bisher nur eine mühsame Stabilisierung um 28.000 Punkte zustande. Sollte nun, was durchaus üblich ist, noch ein zweiter Rückschlag folgen, könnte der Dow hinab bis in den Bereich der 200-Tage-Linie sinken, die derzeit bei 26.300 verläuft. US-Technologieaktien zeigen die gleiche Schwäche, hier läge das kurzfristige Ziel nach einem solchen Verlaufsmuster im Bereich um 10.000 Punkte im Nasdaq-100-Index. 

Comeback bei Daimler, Henkel und Covestro 

Starker als die US-Börsen entwickelt sich derzeit der Dax. Vor allem setzt sich hierzulande die seit einigen Wochen laufende Erholung der Konjunkturwerte fort. Daimler-Aktien haben die wichtige Kurszone um 40 Euro nun hinter sich gelassen. Bei den Trucks gewinnt Daimlers Kombi-Strategie aus Wasserstoff- und Batterietechnik Kontur, mit der neuen Produktionsstätte Factory56 zeigt sich das Unternehmen digital, effizient und nachhaltig; und dass die Stuttgarter für zwei Milliarden Dollar einen Vergleich in den USA zustande gebracht haben, hält ihnen im Abgasstreit den Rücken frei. Mittelfristig könnten Daimler-Aktien nun bis in den Bereich um 55 Euro vordringen. 

Weiter voran kommt auch Henkel. Durch den jüngsten Kursschub hat die Aktie die wichtige Etappe um 85 Euro überwunden. Reinigungs- und Waschmittel erfahren seit der Pandemie eine Aufwertung. Während das Geschäft mit Klebstoffen im ersten Halbjahr um elf Prozent und die Sparte Pflege um acht Prozent geschrumpft sind, haben Reinigungsmittel um fünf Prozent Umsatz zugelegt. Netto verdiente Henkel im ersten Halbjahr 777 Millionen Euro. Das zeigt, wie robust das Geschäftsmodell in wackligen Zeiten ist. Im Kurs macht sich das umso mehr bemerkbar, da Henkel an der Börse in den vergangenen Monaten ein Schattendasein führte. Mit der allgemeinen Konjunkturerholung sollte nun auch die Industriesparte wieder zulegen, die für rund 45 Prozent der Umsätze steht. Das nächste Kursziel für Henkel liegt um 95 Euro, mittelfristig sind dreistellige Notierungen möglich. 

Einen massiven Kurssprung gab es beim WirtschaftsWoche-Favoriten Covestro. Spekulationen, nach denen der Kunststoffspezialist übernommen werden könnte, trieben die Notierungen vorübergehend bis auf 50 Euro. Das Dementi von Covestro ließ die Aktie danach wieder purzeln – dennoch bleibt die seit August besonders dynamisch laufende Aufwärtsbewegung intakt. Angesichts der im Branchenvergleich günstigen Bewertung, der starken Stellung im Markt für Kunststoffvorprodukte und der anvisierten Neuorientierung in Richtung Nachhaltigkeit und Recycling ist Covestro ein aussichtsreiches Investment in der Chemiebranche. 

Infineon viel günstiger als Nvidia und ARM 

Deutsche High-Tech-Werte halten sich trotz der Schwäche amerikanischer Technologieaktien gut. Infineon notiert mit Kursen zwischen 24 und 25 Euro fast am Top-Niveau der Jahre 2017 und 2018. Die angekündigte Mega-Übernahme in der Chipbranche hat bisher zu keinen Irritationen geführt. Halbleiter-Überflieger Nvidia will für 40 Milliarden Dollar den Chip-Designer ARM übernehmen. Sollte der Kauf genehmigt werden, würde mit Nvidia und ARM ein neuer Big Player der Branche entstehen, der durch sein Position beim Chip-Design eine Schlüsselstellung in vielen Industriebereichen einnehmen dürfte. 

Offiziell geht die Stoßrichtung von Nvidia in Richtung künstliche Intelligenz; die Zusammenarbeit mit Daimler zeigt aber, dass es auch in Richtung Automotive gehen könnte – und das war bisher das Kerngeschäft von Infineon. Immerhin, durch die diesjährige Übernahme von Cypress hat Infineon das Geschäft mit Sicherheitschips verstärkt, also die Auto-Abhängigkeit etwas reduziert. Dass Aktien von ARM im Zuge des Deals wie auch Nvidia selbst mit weit mehr als dem Zwanzigfachen des Geschäftsjahresumsatzes bezahlt werden, lässt Infineon mit seiner nur vierfachen Umsatzbewertung geradezu günstig erscheinen. Kurzfristige Rückschläge im Kursbereich 24 bis 20 Euro wären für Infineon strategische Nachkaufgelegenheiten. 

Fazit für den Dax: Die Wirtschaftserholung kommt voran, Corona erweist sich konjunkturell immer mehr als einmaliger Schock. Dass die Geldpolitik dennoch expansiv und die Zinsen niedrig oder negativ bleiben, ist für die Börsen ein positives Umfeld. Die technischen Schwächen an den US-Märkten, die noch einige Wochen anhalten können, sollten deshalb nur vorübergehend sein. Im Dax halten sich die Technologieaktien stabiler als in den Staaten, dazu rücken immer mehr Industrie- und Konjunkturwerte nach vorn. Die Verteidigung der Zone um 13.000 Punkte dürfte weiterhin gelingen. 

Dabei schaffte der Dax nun das seit Wochen angekündigte, klassische Kaufsignal: der Anstieg der 100-Tage-Durchschnittslinie durch den trägeren 200-Tage-Durchschnitt. Ein solches Muster ist ein typisches Zeichen dafür, dass sich Schritt für Schritt eine höheres Momentum aufbaut, also zunehmend stärkere Käufer im Markt sind. In den vergangenen zwei Jahrzehnten kam es neunmal zu einem solchen Kaufsignal. Siebenmal folgten danach deutlich steigende Kurse. Das ist eine Trefferquote von 78 Prozent - und die macht Hoffnung für die nächsten Monate. 

Mehr zum Thema: Die MDax-Aktie sowie die Anleihe des Finanzierungspezialisten Grenke stehen nach Betrugsvorwürfen eines Shortsellers massiv unter Druck. Was Anleger jetzt wissen müssen und warum es erstmal eins zu null für den Leerverkäufer steht. Wie sich die Situation nach einer ersten Stellungnahme von Grenke darstellt, erfahren Sie hier.

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