Riedls Dax-Radar
Wenn der Dax nicht bald wieder über 13.000 Punkte kommt, wird es gefährlich. Quelle: dpa

Kommt der Dax nicht bald über 13.000 Punkte, wird es gefährlich

Erholungsphase für den Dax: Die Beruhigung auf der Zins- und Währungsseite hilft deutschen Aktien. Doch es gibt neue Kursrisiken.

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Trump gegen den Rest der Welt – diese Konfrontation wird die Börsen in den nächsten Wochen in Atem halten.

Der Aufschwung der Weltbörsen nach der Finanzkrise ist zu einem wesentlichen Teil auf die Erholung des Welthandels zurückzuführen. Das gilt besonders für europäische Unternehmen, die neben ihren klassischen Auslandsmärkten Amerika und Osteuropa verstärkt Asien erschlossen haben. Doch weder Ökonomen noch Politiker können derzeit die Folgen der jüngsten Handelsstreitigkeiten abschätzten. Die Märkte auch nicht. Die größte Gefahr besteht in einer weiteren Verschärfung des Konflikts USA gegen China. Wahrscheinlich müsste auch Deutschland früher oder später Partei ergreifen. Im Fall der wirtschaftlich wichtigen Beziehungen zu China ist das seit jeher eine heikle Angelegenheit.

Bisher halten sich die konkreten Folgen des Handelskriegs jedoch in Grenzen. Die Frühindikatoren signalisieren in Europa zwar ein leichtes Abflauen der wirtschaftlichen Dynamik, gefährdet aber ist der Aufschwung noch nicht. Für die Börsen liegt darin sogar eine Chance, da die zuletzt aufkeimende Zinsangst wieder abflaut.

Zinsanstieg vollzieht sich langsamer als befürchtet

Der Kapitalmarkt reagiert schon: Für zehnjährige Bundesanleihen sind die Renditen in wenigen Wochen von gut 0,7 wieder auf 0,5 Prozent gesunken. In den USA ging es von knapp 3,0 Prozent auf 2,8 Prozent zurück.

Die spannendsten Aktien im Index

Für die Börsen entsteht kurzfristig ein Umfeld, das nicht einmal schlecht aussieht: Die Konjunktur zeigt weiter moderat nach oben und es besteht – wenn der Handelskrieg nicht eskaliert – keine Rezessionsgefahr und vorerst auch nicht die Gefahr einer Überhitzung. Die Zinswende ist, ausgehend von Amerika, zwar eingeleitet worden, aber kein hektischer Renditeanstieg in Sicht.
Wahrscheinlicher ist, dass sich die Zinsen von Plateau zu Plateau nach oben arbeiten. Ein solcher Prozess könnte Jahre dauern. Wirtschaft und Wertpapiermärkte hätten genug Zeit, sich darauf einzustellen. Der aus Liquiditätsgründen befürchtete Zusammenbruch der Märkte könnte vermieden werden.

Für europäische Aktien kommt aktuell als Entspannung ein wieder nachgebender Euro dazu. Die Anzeichen mehren sich, dass es in dem seit einem Jahr laufenden Aufwärtstrend gegen den Dollar eine Pause gibt. Womöglich pendelt sich der Euro in den nächsten Wochen um 1,20 Dollar ein. Ein Niveau, mit dem beide Währungsblöcke gut leben könnten.

Im Dax setzte nach dem Februar-Kursrutsch eine Stabilisierung ein. Obwohl es bisher im Wochenrhythmus zu weiteren Kurseinbrüchen kommt, kann der Index die Bandbreite 11.700 bis 12.500 Punkte verteidigen. Das Abwärtspotenzial der Korrektur, das wie 2015/16 etwa 20 Prozent betragen könnte und so gesehen bis 11.000 Punkte reicht, wurde bisher nicht ausgeschöpft.
Entscheidend ist die Stabilisierung der US-Märkte. Dow Jones und S&P haben fast punktgenau auf den Durchschnittslinien der vergangenen 200 Börsentage Halt gemacht. Die jüngsten Kurserholungen fielen heftig aus. Das ist ein gutes Zeichen, aber noch keine Entwarnung. Ein wesentlicher Teil dieser Kursgewinne ist technisch bedingt, weil Shortspekulanten Aktien zurückkaufen mussten, bei denen sie eigentlich mit weiteren Rückgängen gerechnet hatten.

Dass nun gleich wieder echte Investoren massiv einsteigen und damit die Erholung untermauern, ist unwahrscheinlich. An den großen Risiken des Aufschwungs hat sich nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Gerade die führenden Technologieunternehmen, die bisher an der Spitze der weltweiten Hausse standen, geraten zunehmend ins Zwielicht. Die jüngste Erholung an der Nasdaq-Börse fiel nur verhalten aus.

Auch am deutschen Aktienmarkt hat es trotz schneller Aufschläge noch nicht zu starken Kaufsignalen gereicht. Dazu müsste der Dax in den nächsten Wochen bis auf 12.500 Punkte klettern, die 200-Tage-Linie (aktuell bei 12.670) anlaufen und dann das Niveau 12.900 bis 13.000 Punkte zurückerobern, die Untergrenze der Top-Formation von Oktober bis Februar. Dass dem Dax ein solcher Kraftakt gelingt, ist angesichts der Risiken wenig wahrscheinlich.

Wenn schon, dann nur auf Top-Werte setzen

Im Gegensatz zur durchwachsenen Gesamttendenz gibt es bei einigen Einzelwerten vielversprechende Entwicklungen:

Adidas ist seit der Ankündigung eines umfangreichen Aktienrückkaufprogramms und einer überraschend starken operativen Entwicklung auf ein neues Hoch gestürmt. Technisch gab die Aktie über 180 Euro ein Kaufsignal. Im Vergleich zu anderen Dax-Aktien weist Adidas oft eine eigenständige Entwicklung auf; das macht die Aktie in der aktuellen Zitterpartie zusätzlich interessant.

Derzeit noch stärker als Adidas ist die Aktie der Deutschen Börse AG. Sie profitiert von lebhaften Wertpapiergeschäften genauso wie von der Tatsache, dass der Handelsplatz Frankfurt nach dem Brexit-Debakel der Briten aufgewertet wird. Billig ist das Papier nicht mehr, doch der Aufwärtstrend ungebrochen dynamisch.

Continental konnte in den vergangenen Tagen nur verhalten zulegen; Bewertung, Strategie und operatives Geschäft aber sehen gut aus. Ein Anstieg auf das Hoch bei 250 Euro ist immer noch möglich. Aufsteiger Covestro wird von der guten Chemiekonjunktur getragen und von der robusten Nachfrage nach seinen Kunststoff-Kernprodukten. Zusätzlicher Vorteil: Obwohl die Banken reihum bei Covestro mit sinkenden Gewinnen rechnen (weil Konkurrenten aufholen), ist die Aktie günstig bewertet.

Bei E.On und RWE läuft eine langfristige Wende. Bei der Rochade um die Sparten erneuerbare Energien und Netze geht es um ein völlig neues Geschäftsmodell. Je mehr sich das konkretisiert und in Zahlen niederschlägt, desto weiter werden die Kurse zulegen. Nach zehn Jahren Baisse ist hier ein hohes Potenzial entstanden.

Für die Deutsche Bank sollte das eigentlich auch gelten. Doch die Aktie ist ein Spezialfall. Während die Banken in Amerika, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien seit Jahren Milliardengewinne scheffeln hat die Deutsche noch immer kein nachhaltiges Geschäftsmodell erreicht. Das Muster der Commerzbank hat gezeigt, dass für Anleger ein erhebliches Risiko besteht: Sollte es aus Gründen der Staatsräson zu einer Bundesbeteiligung kommen, könnte das via Kapitalverwässerung zu einem erheblichen Kursdruck für freie Altaktionäre führen.
Diese Gefahr dürfte der Hauptgrund sein, der die Aktie selbst auf gedrückten Niveau so gefährlich macht. Dennoch: Im langfristigen Bild besteht die Chance, dass aus den gesamten Kursschwankungen der vergangenen zwei Jahre zwischen 10 und 18 Euro eine große Bodenbildung wird. Dieses Szenario könnte funktionieren, wenn die Sanierung der Deutschen Bank ohne Staatsbeteiligung gelingt.

Fazit für den Dax: Schnelle Kursanstiege sind derzeit eher ein Zeichen für eine Stabilisierung und nicht für eine neue Anstiegsphase. Zu den übergeordneten Risiken (schrittweiser Zinsanstieg, hoher Euro, Gewinnenttäuschungen, Überspekulationen) kommen zusätzlich die Folgen eines Handelskriegs. Bis auf weiteres dürfte es dem Dax damit kaum gelingen, sich über das Niveau von 13.000 Punkte zu retten. Und sollte der Dax in den nächsten, saisonal guten Frühjahrswochen nicht einmal über die 200-Tage-Linie steigen, wäre das sogar ein gefährliches Vorzeichen für den Sommer.

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