Riedls Dax-Radar

Korrektur oder Crash? Ab wann Dax-Aktien wieder ein Kauf sind

Die schnelle Erholung des Euro versetzt dem Dax einen Schlag. War es das schon mit der erwarteten Korrektur? Oder macht das den langen Aufwärtstrend zunichte? Es ist komplizierter, aber es gibt Hoffnung.

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Der Dax wird nicht ewig ein Himmelsstürmer bleiben. Quelle: Marcel Stahn

Die markanteste Entwicklung, die es derzeit an den Kapitalmärkten gibt, ist der Anstieg des Euros. Er vollzieht sich nicht nur gegen Wackelwährungen wie das Pfund Sterling. Alle großen Währungen weltweit verlieren derzeit gegenüber dem Euro: Der Dollar genauso wie der Yen; sogar der Schweizer Franken gibt homöopathisch nach. Das aber heißt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der aktuelle Euro-Anstieg nicht nur eine kurze Laune des Marktes ist, sondern dass dahinter eine komplette Neubewertung stecken könnte. Das hätte enorme Folgen für die gesamte Finanzwelt.

Seit mehr als zwei Jahren pendelt der Euro gegenüber dem Dollar zwischen 1,04 auf der Unterseite und 1,16 auf der Oberseite. In den Jahren davor notierte der Euro wesentlich höher, 2008 immerhin bei bis zu 1,60 Dollar. Sollte sich die aktuelle Erholung wirklich als Neubewertung herausstellen, wären mittelfristig Notierungen um 1,25 bis 1,30 Dollar denkbar.

Gibt es fundamentale Gründe, die hinter einer solchen Euro-Rally stehen könnten? Wirtschaftlich mehren sich die Anzeichen, dass es in Europa besser läuft. Das zeigen die Hoffnungen in Frankreich genauso wie der starke Ifo-Indikator hierzulande. Das wiederum schlägt sich am Zinsmarkt nieder. So sind die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen allein in den vergangenen Tagen von 0,24 auf 0,36 Prozent hochgeschnellt. In Amerika ging es nur von 2,14 auf 2,22 Prozent hoch. Das ist absolut gesehen ein geringerer Anstieg, relativ ohnehin. Der amerikanische Zinsvorsprung, lange Zeit eine feste Größe, schwindet dahin.

Die Dax-Favoriten der Woche

Der steigende Euro ist auch eine Folge von Donald Trump 

Die politische Großwetterlage passt dazu. Durch die unberechenbare Politik Trumps sinkt das internationale Ansehen und die Bedeutung Amerikas. Das drückt auch den Dollar. Zudem passt ein nicht mehr so starker Dollar durchaus ins Konzept Trumps, der besonders den Deutschen vorwirft, sie hätten ihren wirtschaftlichen Erfolg nur dem niedrigen Euro zu verdanken.

Steigende Zinsen und ein steigender Euro sind ein Mix, an den sich die Börsen hierzulande erst einmal anpassen müssen. Da in den meisten Hochrechnungen bisher vom Gegenteil ausgegangen wurde, hat sich durchaus Korrekturbedarf aufgestaut.

Eine differenzierte Entwicklung an den Börsen ist die Folge: Relativ stark im Dax sind Gewinner eines starken Euros beziehungsweise schwacher internationaler Währungen: die Lufthansa, die Treibstoff in Dollar einkauft; Sportartikelhersteller Adidas, der in Dollarwährungen produzieren lässt und mehr in Euro verkauft.

Die klassischen Exporteure dagegen stehen unter Druck: Vor allem gilt das für die Autowerte, die zudem unter der Diskussion um Abgase und neue Mobilität leiden. Bei Chemiewerten sieht es besser aus, weil sich durch günstige Rohölnotierungen der Einkauf verbilligt.

Spätestens 12.000 bis 12.300 Punkte im Dax sollten halten

Per Saldo ist ein steigender Euro für den Dax ein Nachteil. Die letzten großen Phasen, in denen der Euro dynamisch gegenüber dem Dollar nach oben zog, waren von 2000 bis 2004 und von 2007 bis 2008. In beiden Fällen ging das mit einer Baisse am Aktienmarkt einher.

In der aktuellen Korrekturphase hat es den Dax bisher schwerer erwischt als Dow Jones und Nasdaq. Das ist zum einen die direkte Folge der Euro-Erholung. Zum anderen steckt darin auch eine aufkeimende Zinsangst. Mehr als in Amerika sind die Anleger in Europa bisher davon ausgegangen, dass die Niedrigzinsphase praktisch ewig dauert. Diese Gewissheit ist durch jüngste Äußerungen von EZB-Chef Draghi ins Wanken gekommen. Wie in Amerika sieht es auch in Europa immer mehr danach aus, dass die Zinsen langfristig langsam wieder steigen.

Dass die US-Börsen die frühe Angst vor der Zinswende schon verarbeitet haben, kann auch für den Dax ein Rettungsanker werden. Einen Crash hat es an deutschen Börsen allein, also ohne Wall Street, in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben. Wenn sich die US-Aktien insgesamt halten, wird auch die Korrektur hierzulande nicht allzu schwer ausfallen.

Und dass der große Trend in Amerika hält, dafür gibt es Gründe: Die Wirtschaft kommt nur langsam voran, scharfe Zinserhöhungen sind nicht in Sicht. Die US-Währung könnte mittelfristig weiter nachgeben, das entlastet die US-Unternehmen. Die großen Trends von Digitalisierung über E-Commerce bis künstliche Intelligenz sollten noch Jahre anhalten­ - hier sind vor allem die großen börsennotierten US-Unternehmen im Geschäft.

Fazit: Es besteht eine gute Chance, dass die Aktienmärkte derzeit nur in einer mehrwöchigen Korrekturphase stecken und danach ihren langen Trend wieder fortsetzen. Gemessen an den Tagesschlusskursen ist der Dax in den vergangenen Tagen unter die Tiefpunkte vom Mai gerutscht, die bei 12.600 lagen. Wenn der Dax sich in den nächsten zwei bis drei Tagen nicht wieder über 12.600 rettet, hat er damit eine kleine Top-Formation ausgebildet. Deren Ziel läge etwa um 12.000 Punkte. Um 12.000 verläuft auch eine Unterstützung vom Tief im April, zudem dürfte in den nächsten sechs bis acht Wochen die 200-Tage-Linie bis hierhin vordringen.

Insgesamt könnte der Bereich 12.000 bis 12.300 Punkte Ziel einer mehrwöchigen Korrektur werden – und damit auch mögliche Einstiegszone für Nachkäufe.

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