Riedls Dax-Radar
Eine Korrekturbewegung im Aufwärtstrend 2023 sollte nicht erschrecken.  Quelle: imago images

Künstliche Intelligenz gibt es auch im Dax

Aktien wie Nvidia sorgen mit ihrem KI-Geschäft für Furore. Der robuste Technologietrend dürfte auch dem Dax helfen, die laufende Kurskorrektur glimpflich zu überstehen.

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Die Zitterpartie um den amerikanischen Schuldenstreit, immer mehr Zeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung und nun auch noch die faktische Rezession in der wichtigsten Volkswirtschaft Europas, der deutschen, lassen den Dax an seinem Top-Niveau um 16.300 Punkte erst einmal abprallen. Die jüngste Abwärtsdynamik ist hoch, aber plötzlich nach unten gerichtet ist die allgemeine Tendenz an den Weltbörsen deshalb nicht. 

Während die meisten Aktienbarometer in Europa bis vor wenigen Tagen noch deutlich zulegten, hing der amerikanische Dow Jones schon seit Monaten hinterher und kam nicht mehr in den Bereich seiner Rekordnotierungen. Davon waren und sind die Technologiekurven an der Nasdaq zwar ebenfalls weit entfernt; doch durch die beeindruckende Aufholjagd der Chiptitel – vor allem um KI-Gewinner Nvidia – hat der Nasdaq-Index deutlich über seiner 200er-Durchschnittslinie nach oben gedreht. 

Der marktbreite S&P 500 sieht derzeit eher wie die Nasdaq-Kurven aus und nicht wie der Dow Jones, wenngleich es hier zuletzt nur zu einer stabilen Seitwärtsbewegung reichte. Ähnlich wie US-Standardwerte hat auch der chinesische Shanghai Composite Index in den vergangenen zwei Wochen an Boden verloren und ist dabei zurückgefallen bis zu seiner 200-Tagelinie. 

Die gemischte Lage an den Weltbörsen hat eine gute Seite: Aktuelle Risiken wie vor allem der Schuldenstreit in den USA führen an den Aktienmärkten nicht zu einer Neuorientierung, sondern bisher nur zu vorübergehenden Korrekturen. Und die sind, zuletzt vor allem im gut gestiegenen Dax, auch keineswegs überraschend. 

Erneuter Zinsanstieg als eigentliche Gefahr

Eine Entwicklung an den Märkten allerdings könnte die Aktien doch stärker bremsen: der markante Wiederanstieg der Zinsen an den Bondmärkten. Seit Mitte Mai sind die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen von 3,3 auf 3,8 Prozent geklettert; Renditen zehnjähriger Bundesanleihen erhöhten sich von 2,2 auf 2,5 Prozent. Dieser Zinsanstieg ist bemerkenswert, da es seit einigen Wochen eher Signale einer schwächeren Konjunktur gibt, etwa der sinkende Kupferpreis. Dazu kommen Inflationsraten, die in den USA im April mit 4,9 Prozent weiter auf dem Rückmarsch sind und auch in Europa mit 7,0 Prozent in die seit November 2022 anhaltende Abwärtstendenz passen.

Der jüngste Zinsanstieg könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Inflation im mittleren Bereich nun doch hartnäckig wird. Dem schnellen Rückgang der vergangenen Monate könnten zähe Schwankungen im Bereich zwischen 4,0 und 6,0 Prozent folgen – obwohl die Wirtschaft an Dynamik verliert. Ob die Notenbanken dann, wie an den Börsen erhofft, den Hebel in der Geldpolitik umlegen und bald wieder auf Expansion schalten, wird damit fraglich. Der jüngste Rückgang im Goldpreis, der besonders sensibel auf die Zinsen reagiert, dürfte eine Bestätigung sein, das nicht so schnell wieder mit einer Zinsentspannung zu rechnen ist.

Im Dax war der Motor der Rally in den vergangenen Monaten die starke Aufwärtsdynamik seiner führenden Einzelwerte. Hinter der wiederum steht eine robuste operative Entwicklung in den Unternehmen. Das gilt besonders für Siemens, SAP, Mercedes-Benz und BMW sowie für die Versicherer Münchener Rück und Allianz.

Flaggschiff am deutschen Aktienmarkt ist derzeit Siemens. Mit Notierungen bis 160 Euro hat die Aktie zwischenzeitlich ihr Top erreicht; auch in der nachfolgenden Kurskorrektur hat sie bisher vergleichsweise wenig verloren. Siemens wird beflügelt von starken Geschäftszahlen und hochgesetzten Prognosen, von den großen Trends Automatisierung und Künstliche Intelligenz und vom nachhaltigen Erfolg seiner strategischen Abspaltungen.

Selbst beim Sorgenkind Siemens Energy gibt es an der Börse nun Hoffnung auf eine langsame Sanierung des Verlustablegers Gamesa. Auch in einer längeren allgemeinen Korrekturphase sollten sich Siemens-Aktien im Bereich 140 bis 150 Euro halten – und könnten von da aus womöglich in der zweiten Jahreshälfte zu neuen Höhen vorstoßen.

Soweit ist SAP noch nicht. Dennoch schafften die Walldorfer seit Ende September vergangenen Jahres mit 56 Prozent Kursplus und bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 141 Milliarden Euro den größten absoluten Wertzuwachs im Dax. Diese hohe Dynamik korrespondiert zum ebenfalls enormen Kursplus, das die amerikanischen Konkurrenten Oracle und Salesforce in der gleichen Zeit geschafft haben. Und dass auch Microsoft, der Programmkonzern schlechthin, seit Jahresanfang stark nach oben drängt, offenbart die wiedergewonnene Dominanz der Technologietitel.

Bleibt im Dax die Frage nach Infineon. Angesichts starker Chipaktien in den USA sollte auch Deutschlands führender Halbleiterhersteller stärker anziehen. Allerdings: Mit seinem Schwerpunkt Chips für Autos und Elektromobilität ist Infineon derzeit ins Hintertreffen geraten. Der große Trend zur Elektromobilität ist zwar ungebrochen, dennoch sind auf dem erreichten Niveau mittlerweile längere Korrekturen einzukalkulieren.

An der Börse zeigt sich das besonders am volatilen Kursverhalten des Protagonisten Tesla sowie am massiven Verfall des Lithiumpreises und den Kursen der damit verbundenen Aktien, etwa der amerikanischen Albemarle, größter Lithiumproduzent weltweit. 
Infineon ist deshalb nicht aus dem Rennen; dafür sind die operativen Aussichten zu gut und die Bewertung der Aktie zu günstig. Spätestens im Bereich knapp über 30 Euro sollten die Käufer wieder kommen.

Fazit für den Dax: Den ersten Anlauf zum alten Hoch um 16.300 Punkte hat der Dax geschafft. Dass er dabei im Tagesverlauf mit 16.332 Punkten und mit 16.275 Punkten Schlussstand (beides am 19. Mai) sogar knapp zwei neue Rekordmarken erreicht hat, ist eine gute Vorgabe. Kurzfristig allerdings ist oberhalb der 16.000er-Marke eine sogenannte Inselumkehr entstanden, gekennzeichnet vor allem durch zwei Kurslücken (gaps) zwischen 16.000 und 16.100 Punkten – einmal im Anstieg, einmal im Abverkauf. Ein solches Kursmuster könnte durchaus eine längere Korrektur, wenn nicht sogar eine Abwärtsbewegung einleiten.

Dagegen aber wirkt die Kraft der bisherigen Aufwärtsdynamik: Dank der starken Anstiege besteht in der generellen Aufwärtstendenz genügen Spielraum für Korrekturen. Auch wenn die seit Oktober ansteigende Trendlinie zuletzt geschnitten wurde, gibt es zwischen 15.500 bis 14.800 Punkten eine breite Unterstützungszone, die den Dax in den nächsten Wochen immer wieder auffangen sollte.

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Wichtigster Rückhalt dafür sind stabile Einzelwerte wie Siemens, SAP oder Infineon, die mitten in der globalen Renaissance der Hightechindustrie stehen. Sie könnten den Dax, vielleicht zur Jahresmitte, wieder nach oben drehen lassen. Wer die Multikrisen-Baisse des Jahres 2022 überstanden hat, den sollte eine Korrekturbewegung im Aufwärtstrend 2023 nicht schrecken.

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