Riedls Dax-Radar
Neuer Auftrieb für den DAX: Können die zehn neuen Titel den Index abheben lassen? Quelle: Marcel Stahn

Mehr Risiken durch die Neulinge im Dax

Mit seinen zehn neuen Aktien wird der Dax dynamischer, aber auch anfälliger für Rückschläge. Anleger können gegensteuern: durch klassisches Stock-Picking, statt nur dem Index hinterher zu laufen. 

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Mit Airbus kommt eine brisante Aktie neu in den Dax. Jahrelang galt die Flugzeugindustrie als ausgesprochene Wachstumsbranche. Dass die entsprechenden Unternehmen auch in verwandten Geschäftsfeldern unterwegs waren – von der Rüstung bis zur Raumfahrt – wurde als weitere technische Qualifikation angesehen. Entsprechend stark ist die Aktie bisher gelaufen: Von 2009 bis 2020 hat sich Airbus versechzehnfacht. Airbus ist viermal so stark gestiegen wie der Dax, der in dieser Zeit immerhin von 3700 auf 13.700 Punkte geklettert ist.

Vom Coronacrash jedoch wurde Airbus ganz besonders heftig erwischt, die Aktie verlor zwei Drittel ihres Werts. Der Dax hingegen büßte nur gut die Hälfte davon ein. Und während der Aktienmarkt mittlerweile längst über das Vor-Corona-Hoch hinausgekommen ist, hängt Airbus 15 Prozent unter seinen alten Kursspitzen. Diese relative Schwäche ist ein Hinweis darauf, dass die Luftfahrtindustrie womöglich gar nicht mehr an ihren alten Wachstumstrend anschließen könnte. 

Dass die Kurs-Gewinnbewertung der Aktie weit über dem bisherigen Dax-Durchschnitt liegt, der gemessen an den für 2021 erwarteten Nettogewinnen derzeit im 20er-Bereich pendelt, und dafür die Dividendenrendite nur ein Bruchteil des Dax-Durchschnitts beträgt, macht die Aktie zusätzlich spekulativ. 

Von den zehn Aktien, die demnächst neu in den Dax kommen und dann mit den 30 bisherigen Titeln den Dax 40 bilden, wird Airbus der gewichtigste unter den Debütanten. Die bisherige Entwicklung des Kurses, die schwierigen Aussichten der Branche und die Kennzahlen der Aktie signalisieren, dass mit Airbus mehr Unruhe in den Dax einzieht. 

Und es kommt noch heftiger. Kochbox-Lieferant HelloFresh und Onlinehändler Zalando, zwei weitere Aufsteiger, erzielen Gewinnbewertungen von 50 beziehungsweise 100. Dazu gibt es keine Dividende. Natürlich ist das Wachstum, das diese jungen Unternehmen in den vergangenen Jahren erzielt haben, bemerkenswert. Doch durch die enorme Performance der Aktien und den Aufstieg in die Bundesliga der Börse ist das mehr als belohnt. Was bleibt, ist ein mit gestiegenes Risiko, sollte die bisherige Erfolgsgeschichte doch einmal Risse bekommen. Und dieses Risiko steckt jetzt im Index – und das tragen all diejenigen, die etwa mit einem ETF, einem börsengehandelten Fonds, auf den deutschen Aktienmarkt als Ganzes setzen. 

Sicher, eine hohe Bewertung, noch dazu aus klassischer KGV-Perspektive, muss nicht automatisch rückläufige Kurse bedeuten. Neuling Sartorius, Spezialist für Labor- und Prozesstechnologie für Pharma, Biotech und Nahrungsmittelunternehmen, Aromenhersteller Symrise und Medizintechniker Siemens Healthineers sind ebenfalls überdurchschnittlich hoch bewertet. Doch alle drei Dax-Neulinge haben einen Track-Record als erfolgreiche Unternehmen, der bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Das macht zwar nicht immun gegen Börsenrückschläge; besonders Sartorius könnte mit seiner ungewöhnlich hohen Bewertung anfällig dafür sein. Doch alle drei Unternehmen haben bewiesen, dass sie selbst schwerste Krisen und Kriege überstehen. Für Langfrist- und Daueranleger, die ihre Aktien eigentlich nie verkaufen wollen, ist das besonders wertvoll. Für den Dax als Investmentvehikel sind solche Aktien eine Bereicherung. 

Brisanter Indexmechanismus: Nur teure Unternehmen steigen in den Dax auf

Unternehmen mit jahrzehntelanger Markterfahrung, die zugleich den Sprung in die Moderne geschafft haben, sind auch Chemikalienhändler Brenntag und Sportartikler Puma. Beide Aktien sind nicht billig, sonst würden sie auch nicht in den Dax aufsteigen. Bei Puma kam es krisenbedingt mehrmals zu hohen Ergebnisschwankungen, die Eigenkapitalquote ist seit einigen Jahren rückläufig, die Dividende mager. Brenntag hat sich besonders in der Coronakrise als erstaunlich robust erwiesen und seine weltweit führende Stellung in der Distribution von Chemikalien und Inhaltsstoffen ausgebaut. Beide Unternehmen sind substanzielle Werte der ersten Klasse – Puma spekulativ, Brenntag konservativer.

Ein Vorteil für den Dax wäre ein Aufstieg von Qiagen. Mit seiner führenden Stellung bei Proben- und Testtechnologie für die Diagnostik gehört das an der Universität Düsseldorf gegründete Unternehmen zu den Wegbereitern der Branche. Für viele Börsenanleger war Qiagen lange Zeit der wichtigste, biotech-nahe Wert heimischer Provenienz. Zugleich wies die Aktie im Gegensatz zu vielen kleinen Biotech-Highflyern weder eine utopische Bewertung noch erratische Kursschwankungen auf. Im Zuge des coronabedingten Aufschwungs der Bio-, Pharma- und Laborbranche ist auch Qiagen mittlerweile nicht mehr billig. Und zu einer Dividendenzahlung können sich die Manager aus dem rheinischen Hilden wahrscheinlich auch weiterhin nicht durchringen. Die Pionierfunktion des Unternehmens, die nun schon fast 40-jährige Historie und die insgesamt noch verträglichen Börsenkennzahlen würden Qiagen zu einem wertvollen Dax-Mitglied machen. 

In alter Frische kommt nun auch Porsche in den Dax. Im Grunde sind die Zuffenhausener als Großaktionäre von Volkswagen natürlich längst schon im Club. Ob Porsche als Dax-Wert in Zukunft mehr Eigenleben entwickelt, zum Beispiel durch Beteiligungen abseits der Autoindustrie, bleibt abzuwarten. Anfänge sind hier gemacht, aber überschaubar. Im Vergleich zu Volkswagen bot Porsche bisher eine noch günstigere Bewertung und eine höhere Dividende. Dieser Unterschied dürfte durch eine relativ stärkere Kursperformance von Porsche nun abgebaut werden. Als Vertreter der hierzulande wichtigen Fahrzeugindustrie, der zudem die Kurve vom klassischen Premiumprodukt zur neuen Elektromobilität besonders dynamisch angeht und dazu exzellente Börsenkennzahlen aufweist, ist Porsche ein Motor für den Dax. 

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Fazit zur Dax-Erweiterung: Die Neulinge im Index haben im Durchschnitt eine um 50 Prozent höhere Gewinnbewertung, bieten weniger Dividende und weisen stärkere Kursschwankungen auf. Für den Dax als Gesamtindex kann diese Dynamik im guten Fall zwar zu einem höheren Kursniveau führen – aber es bedeutet eben auch mehr Unruhe und mehr Risiko im Index. Für diejenigen, die etwa mit indexorientierten Fonds oder Zertifikaten einen dauerhaften und kontinuierlichen Vermögensaufbau mit dem Aktienmarkt als Ganzes planen, ist das ein Nachteil. Immerhin, als Ausweg bleibt die klassische Position eigenverantwortlicher Anleger, die sich die Wahl ihrer Aktien von keiner Indexmechanik abnehmen lassen. Und dass in Zukunft hierzulande nun 40 statt wie bisher 30 Top-Unternehmen im Mittelpunkt stehen, intensiv kommentiert und reichlich gehandelt werden, ist ein klarer Vorteil. 
Hinweis: Der nächste Dax Radar erscheint erst wieder Mitte September.

Mehr zum Thema: Mindestens zehn Unternehmen steigen in den neuen Dax 40 auf. Zugleich soll der Dax nach dem Wirecard-Skandal transparenter, repräsentativer und digitaler werden. Das gelingt leider nur zum Teil. Lesen Sie hier die ganze Wahrheit über den neuen Leitindex.

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