Riedls Dax-Radar
SAP: Die wichtigste Aktie im Dax. Quelle: imago images

Milliarden-Wetten auf SAP, Microsoft und Daimler

Die Rally der führenden High-Tech-Aktien und das Comeback der Autobranche sind die wichtigsten Stützen für den Dax. Kurze Rückschläge sind möglich, bis auf weiteres aber Kaufgelegenheiten.

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Wenn die wichtigste Aktie im Dax, die Softwareschmiede SAP, an einem Tag 17 Milliarden Euro an Börsenwert zulegt, steckt richtig Power dahinter. Der Anstieg ist umso bemerkenswerter, da SAP an diesem Tag (dem 24. April) sogar einen Quartalsverlust gemeldet hat – das erste Mal seit 17 Jahren. Hintergrund ist aber nicht ein schwaches operatives Geschäft, sondern massive Umbaumaßnahmen in Richtung Cloud und moderne Geschäftsfelder. Die bringen SAP nicht nur stärkeres Wachstum, sondern vor allem höhere und gleichmäßigere Renditen. Genau deshalb steigt die Aktie.

Dass der rührige Finanzinvestor Elliott bei SAP eingestiegen ist, wird an der Börse nicht als Nachteil gesehen. Allerdings gehört bei Elliott Klappern zum Handwerk. Für 1,2 Milliarden Euro hat Elliott SAP-Aktien. Das ist nicht einmal ein Prozent. Ein Großaktionär ist Elliott damit bei weitem nicht, eigentlich ist das nur Streubesitz. Dass Finanzinvestoren Positionen bis zu fünf Prozent halten, ist an der Börse gang und gäbe und kein besonderer Grund für Kurssteigerungen. Erst darüber beginnt das Terrain der strategischen, substanziellen Aktionäre. Und ein Großaktionär mit echter Macht in einem Unternehmen ist man erst ab 25 Prozent aufwärts.

Elliott ist also bei SAP – und bei vielen anderen Industrieunternehmen – nur ein kleiner Fisch, der mächtig Wellen schlägt. Bei Thyssenkrupp ist er an Bord, und wahrscheinlich in den vergangenen Monaten schwer ins Minus getaucht. Bei SAP dürfte das Spiel besser ausgehen.

Die spannendsten Aktien der Woche

Dafür sorgt schon Konzernchef Bill McDermott. Er propagiert für sein Unternehmen einen zukünftigen Börsenwert von bis zu 300 Milliarden Euro. Umgerechnet auf die einzelne Aktie wäre das ein Anstieg auf 244 Euro – ein ehrgeiziges Unterfangen, aber nicht utopisch.

Durch die Umbaumaßnahmen dürfte sich in den nächsten Jahren die Rendite bei SAP erhöhen. Zugleich wird SAP nach eigenem Bekunden keine großen Übernahmen vornehmen. Das ist strategisch vorteilhaft, denn die Walldorfer haben ja schon in den vergangenen Jahren kräftig zugekauft. Deshalb ist ihre Bilanz auch reichlich aufgebläht mit Firmenwerten – was Sie schon in unserer umfangreichen Analyse zu den Blendern im Dax lesen konnten.

Die Übernahmen von SAP wirken wie ein Hebel: Wenn es gut geht, wird dies zu hohen, zweistelligen Wachstumsraten führen, vor allem im Cloud-Geschäft mit Mietsoftware; wenn es schlecht läuft, drohen milliardenschwere Abschreibungen. Bisher läuft es bei SAP gut. Die Gewinne vor Abzug durch die aller Voraussicht nach einmaligen Umbaumaßnahmen sind zuletzt gestiegen, mittelfristig sollten die Renditen damit anziehen.

Ob SAP die durchschnittlich 20 Prozent Gewinnwachstum pro Jahr bis 2023 schafft, um bei gleichbleibender Bewertung den Anstieg auf 300 Milliarden Euro Börsenwert zu rechtfertigen, ist eine mutige Wette. Immerhin, 2002 bis 2007 hat SAP schon einmal eine vergleichbar starke Gewinnserie hingelegt.

High-Tech-Champions machen die Pace an der Börse

Wenn der wichtigste Wert im Dax langfristig gute Aussichten bietet, ist das eine Stütze für den Gesamtmarkt. Und SAP ist nicht allein. In dem Moment, in dem SAP den stärksten Kursgewinn seit Jahren erzielt, springt in Amerika Microsoft nach guten Geschäftszahlen auf einen Börsenwert von einer Billion Dollar. Microsoft hat in den vergangenen Jahren eine strategisch erfolgreiche Entwicklung absolviert: vom Windows-Anbieter hin zu einem umfassenden Konzern für Software, Internet, Daten und Cloud-Geschäft. Dass Microsoft-Aktien nun auf ein All-Time-High vorgedrungen sind, gibt für Amerika das gleiche Signal wie hierzulande SAP: Das Tempo wird an der Börse wieder von den High-Tech-Champions vorgegeben.

In den USA zählen dazu Apple, Google Alphabet, Amazon, Intel, Facebook, Cisco und in der zweiten Reihe etwa Adobe oder Nvidia. Die starke Entwicklung dieser Aktien ist für die Weltbörsen in den nächsten Monaten der wichtigste Stabilisator. Im Dax sieht das etwas dünner aus. Siemens entwickelt sich zwar auch immer mehr ein High-Tech-Unternehmen, zuletzt waren die Erfolge der digitalen Fabrik auch bemerkenswert. Doch weder hinsichtlich Gewinndynamik noch mit Blick auf die Börsenbewertung können die Siemensianer mit der internationalen Tech-Elite mithalten; da ist vor allem das Kraftwerksgeschäft ein zu schwerer Bremsklotz.

Am besten passt noch Infineon in die High-Tech-Klasse. Mit dem Schwerpunkt Chips für Fahrzeuge schwimmt das Unternehmen auf der Welle Elektromobilität und autonomes Fahren – wobei Chips für klassische Autos nach wie vor ein lukratives Basisgeschäft sind. Wegen verhaltener Prognosen kam Infineon Ende März kurzzeitig unter Druck. Dass die Aktie danach aber gleich mit dem Anstieg über 20 Euro wieder ein Kaufsignal gab, markiert die Trendrichtung: Der Zyklus der Halbleiterindustrie dürfte schneller als erwartet die aktuelle Korrektur überstehen. Der Philadelphia Semiconductor Index hat mit einem All-Time-High schon eine neue Anstiegsphase eingeleitet.

Auto-Aktien zum Ausverkaufspreis

Der Dax ist gerade dabei, den seit Anfang 2018 laufenden Abwärtstrend nach oben zu durchdringen. Dieser Prozess kann angesichts der zuletzt aufgelaufenen Kursgewinne einige Wochen dauern. Dennoch sind auch auf dem deutschen Aktienmarkt die Aussichten gut.

Daimler verdient etwas weniger, doch 2,1 Milliarden Euro netto in einem wackligen Quartal wie den ersten drei Monaten 2019 sind angesichts der hitzigen Diskussionen um das Ende der alten Autoindustrie eine gute Leistung. Wahrscheinlich wird Daimler 2019 netto insgesamt um acht Milliarden Euro Gewinn erreichen. Einem Unternehmen mit einer solchen Gewinnstärke, einer führenden Marktposition im Auto- und im Nutzfahrzeuggeschäft (das derzeit anzieht), hoher Finanzkraft und üppiger Dividende könnte die Börse durchaus eine Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 bis 15 zugestehen. Eine solche Rechnung ergäbe Spielraum bis auf 120 Milliarden Euro Börsenwert. Nur die Hälfte wird für Daimler derzeit an der Börse bezahlt.

Diese Relation macht offensichtlich, wie viel Pessimismus derzeit in der Börse steckt und dass der Aktienmarkt in vielen Fällen alles andere ist als überbewertet. Volkswagen kommt nur auf eine fünf- bis sechsfache Gewinnbewertung. Es gibt keine große Branche, die eine solche mehrjährige Kursbereinigung hinter sich hat, wie die deutschen Autohersteller.

Ginge es nach den reinen Kursverlusten, kommt hier sogleich die Bankenbranche in den Sinn. Doch im Gegensatz zu den Fahrzeugwerten besteht dabei ein fundamentaler Unterschied: Während Daimler, BMW und Volkswagen trotz verbreiteter Krisenstimmung Nettogewinne in Milliardenhöhe erzielen, kommen die Banken operativ nicht auf die Beine.

Nach dem langjährigen Niedergang der Dax-Banken hierzulande (Bayerische Vereinsbank, Hypobank, Commerzbank) ist nur noch die Deutsche Bank im Dax. Sie hat zwar im ersten Quartal netto 201 Millionen Euro verdient. Doch vergleicht man die Zahlen mit den Milliardengewinnen der amerikanischen, britischen und französischen Konkurrenten, sind das nur Peanuts. Elf Jahre nach der Finanzkrise ist der ehemalige Bankenprimus hierzulande weiter von internationalem Niveau entfernt als jemals zuvor.

Für die Aktie der Deutschen Bank fehlt nach wie vor jede Fantasie. Dass die politisch gewollte Fusion mit der Commerzbank fehlschlug, drückt die Kurse auch nicht mehr tiefer; große Erwartungen gab es hier ohnehin nicht. Für die Aktie bleibt zu hoffen, dass sie sich am bisherigen Tief um 6,70 Euro hält, um von da aus einen neuen Bodenbildungsversuch zu starten.

Fazit für den Dax: Zwischen 12.300 und 12.500 Punkten dürfte der Verlauf zäher werden, Korrekturen sind jederzeit möglich. Maximaler Spielraum wäre bis 11.700 Punkte, hier verläuft die 200-Tage-Linie. Besser und zugleich ein gutes Zeichen für die innere Stärke des Marktes wäre es, wenn eine solche Korrektur nicht mehr unter das Niveau um 12.000 Punkte ginge.

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