Riedls Dax-Radar
Mit Aktien auf der Flucht vor Inflationsgefahren. Quelle: Getty Images

Mit Aktien auf der Flucht vor Inflationsgefahren

Die Inflation ist da und der Dax notiert am Allzeithoch. Industrieaktien wie Continental sind immer noch günstig, Chiphersteller Infineon steht mitten im Boom – und sogar SAP ist nach den letztjährigen Enttäuschungen wieder im Kommen. 

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Mit einer Jahresrate von 5,0 Prozent hat die Inflation im Mai in den USA einen neuen Höchststand erreicht. Die lebhafte Nachfrage in der durch Konjunkturhilfen und Geldpolitik angefeuerten Wirtschaft, Engpässe bei Arbeitskräften, Rohstoffen und Schlüsselmaterialien treiben die Preise. In Europa sind die Inflationsraten zwar bisher erst halb so hoch wie in den USA; doch die Dynamik, mit der sie sich nun auch hier nach oben schrauben, ist so stark wie seit gut zehn Jahren nicht mehr. 

Ein Treibsatz dafür sind die Rohstoffmärkte. Öl der Sorte Brent kostet mittlerweile mehr als 70 Dollar je Fass. Das ist doppelt soviel wie vor einem Jahr. Bei Erdgas und Ethanol sind die Aufschläge ähnlich. Kupfer, das wichtigste Industriemetall, hat sich seit Anfang Mai bei Preisen um 10.000 Dollar je Tonne festgefahren. Nach einer Wende nach unten sehen die kurzfristigen Korrekturen aber nicht aus. Der Bedarf an Kupfer für den Ausbau von Infrastruktur, neue Energien und Elektromobilität dürfte das rote Metall bald deutlich über den bisherigen Höchstpreis befördern. Wie schnell es nach einer kurzen Verschnaufpause wieder nach oben gehen kann, zeigt die Preiskurve von Eisenerz, die kurz vor einem neuen, langfristigen Hoch steht. 

Dass in diesem Umfeld auch die Notierungen für Silber und Gold wieder ins Laufen kommen, verwundert nicht. Eher ist bemerkenswert, dass beide Edelmetalle angesichts des hohen Inflationsdrucks und – im Fall Silbers – der steigenden industriellen Nachfrage die Preise nicht schon jetzt deutlich höher stehen. 

Trotz Inflation bleiben die Notenbanken expansiv – bis auf weiteres jedenfalls 

Anzeichen dafür, dass sich an der bisher großzügigen Geldpolitik der Notenbanken etwas ändert, gibt es bei der EZB derzeit überhaupt nicht. Präsidentin Christine Lagarde erwartet in den nächsten Monaten zwar eine Beschleunigung der Konjunktur, die aktuelle Inflationsdynamik aber hält sie für vorübergehend. Für 2021 liegen die Inflationserwartungen bei 1,9 Prozent, für 2022 bei 1,5 Prozent – bei jährlichen Wachstumsraten der Wirtschaft von 4,6 bis 4,7 Prozent. 

Die amerikanische Fed ist einen Schritt weiter. Hier wird immerhin über ein mögliches Ende der Anleihekaufprogramme diskutiert, ohne an den Zinsen selbst zu drehen. Mittel- bis langfristig deutet sich zumindest langsam ein möglicher Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik an. Da allerdings auch die Fed die aktuelle Inflationsdynamik als vorübergehend einstuft, dürften die Korrekturen am bisherigen Notenbankkurs nur marginal ausfallen. 

An den Anleihemärkten haben die jüngsten Inflationsdaten zu keinem weiteren Renditeanstieg geführt – im Gegenteil: Die Rendite für zehnjährige amerikanische Staatsanleihen, die wichtigste Kurve der weltweiten Bondmärkte, hat sich binnen einer Woche von 1,63 Prozent auf 1,43 Prozent verringert. Damit ist die Rendite sogar unter die bisherigen Tiefpunkte seit März gerutscht. Ähnlich ist die Entwicklung bei Bundesanleihen, der zentralen Marktzinskurve in Europa. Hier haben sich die Renditen seit Mitte Mai von minus 0,11 auf minus 0,27 Prozent abgebaut. 

Für die Börsen stecken im Renditeverlauf der Marktzinsen vor allem zwei Botschaften: Erstens haben die Anleihemärkte schon frühzeitig, vor allem mit dem Renditeschub im Februar und März dieses Jahres, die nun auch in der Wirtschaft angekommene Inflationstendenz vorweggenommen. Zweitens, wenn die Anleihemärkte weiter so treffsicher funktionieren, deutet die jüngste Entspannung bei den Marktzinsen auf ein Abflauen der Inflationsraten im späteren Jahresverlauf. So gesehen wäre die Entwicklung an den Anleihemärkten sogar eine Bestätigung für die geldpolitische Linie der Notenbanken. 

Technologieaktien nehmen langsam wieder Fahrt auf 

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq. Sie reagiert besonders empfindlich auf die Zinstendenz, weil viele Technologieunternehmen auf teure Finanzierungen angewiesen sind. Kapitalstarke Protagonisten wie Apple und Microsoft werden dann in Sippenhaft genommen. Im Zuge der jüngsten Zinsentspannung konnten sich die Notierungen an der Nasdaq wieder erholen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Nasdaq-100-Index in den nächsten Wochen sogar das bisherige Hoch um 14.000 Punkten hinter sich lässt. 

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