Riedls Dax-Radar
Mit Cash und Gold durch die Börsenkrise. Quelle: Getty Images

Mit Cash und Gold durch die Börsenkrise

Konjunkturschwäche, Handelsstreit, politische Konflikte und wackelige Währungen setzen der Börse zu. Warnsignale sind der gestiegene Goldpreis und der hohe Cash-Bestand von Warren Buffett. Die Aussichten verfinstern sich.

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Im Handelskonflikt zwischen den USA und China verhärten sich die Fronten und es sieht nicht nach einer schnellen Lösung aus. In Europa wächst das Risiko eines harten Brexits, die Regierung in Italien steht vor einem Scherbenhaufen. In Indien, einem der großen Hoffnungsträger der Weltwirtschaft, ist in der Kaschmir-Region die alte Rivalität mit Pakistan wieder aufgebrochen.

Weltweit deuten sich Verschiebungen mit erheblicher wirtschaftlicher Fernwirkung an: Immer mehr Währungen geraten in Bewegung. Der jüngste Absturz des Pfund Sterling zeigt, dass die Märkte bisher insgeheim gehofft hatten, dass der Brexit doch nicht so hart werde. Jetzt, mit dem Hardliner Boris Johnson, ist die Enttäuschung umso größer.

Durch die Abwertung des chinesischen Renminbi werden auch andere asiatische Währungen nach unten gezogen – die indische Rupie etwa und selbst der eigentlich robuste Singapur-Dollar. Der australische Dollar hängt ebenfalls an China. Zusätzlich belastet wird das Aussie-Geld durch nachgebende Rohstoffpreise.

Dagegen läuft der Run in die klassischen Krisenwährungen, vor allem in den Schweizer Franken und in den japanischen Yen; auch in den US-Dollar – was Donald Trump gar nicht gefällt. In die Defensive geraten deshalb immer mehr Schwellenländerwährungen: Der argentinische Peso dürfte bald ein neues Tief ansteuern. Der mexikanische Peso hat seine Erholung unterbrochen, der brasilianische Real droht wieder abzukippen, der südafrikanische Rand ist weit von einer Stabilisierung entfernt. Mit dem Verfall der Rohstoffpreise geraten die Ölwährungen unter Druck: der russische Rubel und selbst die norwegische Krone.

Gold profitiert von Misstrauen in Währungen

Ein ernstes Warnsignal ist der massive Anstieg des Goldpreises. Das gelbe Metall steigt derzeit nicht nur, weil die Realzinsen steil nach unten zeigen und sich dieser Trend auf absehbare Zeit kaum ändern dürfte. In er aktuellen Gold-Hausse spiegelt sich auch die tiefe Vertrauenskrise in die klassischen Währungen und das Wirtschaftssystem wider.

Fluchtziele sind die Staatsanleihen der führenden Industrienationen, vor allem US-Bonds und Bundespapiere. Dass die Renditen der US-Papiere deshalb dahinschmelzen und Euro-Anleihen (auf Endfälligkeit gerechnet) mittlerweile richtig Geld kosten, zeigt, wie angespannt das weltwirtschaftliche Geflecht ist. Anleihen werden von professionellen Investoren längst nicht mehr wegen Kuponzahlungen gekauft, sondern wegen der Aussicht auf Kursgewinne.

Die spannendsten Aktien der Woche

Nur die Aktienmärkte, die rangieren – mit etwas Abstand betrachtet – praktisch noch am Top. Der Dow Jones ist nur wenige Prozent vom Allzeithoch entfernt. Man muss kein notorischer Pessimist sein, um darin substanzielle Gefahren zu sehen.

In den vergangenen zwei Wochen hat der Dax etwa 1000 Punkte verloren. Anlass dafür war die Enttäuschung nach der nur kleinen Zinssenkung der Fed und den fehlenden Hinweisen auf einen neuen, expansiven Zinszyklus. Die eigentlichen Gründe für die Marktschwäche liegen tiefer: bei der immer schwächeren Wirtschaft, den zahlreichen Krisenbranchen, dem schwindenden Spielraum der Notenbanken, der weltweiten Konfliktstimmung und der dabei fortgeschrittenen Hausse-Verfassung der Märkte.

Wenn der Dax nun nach 1000 Punkten Verlust ein paar hundert Punkte gutmacht, ist das nur eine technische Reaktion und keine neue Richtung des Marktes. Um den Kurseinbruch der vergangenen zwei Wochen zu bereinigen, müsste der Dax kurzfristig auf 12.600 Punkte steigen; und dieses Niveau erst einmal verteidigen, um dann von da aus neue Höhen anzusteuern. Von einem solchen Kraftakt ist der deutsche Aktienmarkt meilenweit entfernt.

Spekulationen um Bayer, Frust um Thyssenkrupp

Viel eher besteht die Gefahr, dass der Dax nach dem ersten Absacker von 12.600 Punkten auf 11.600 Punkte und einer Erholung (die durchaus in den Bereich bis 12.000 gehen könnte) mindestens noch einmal abtaucht.

Blaupause für die weitere Entwicklung könnte der Abschwung Anfang 2018 werden, der mit einer ähnlichen Abwärtsdynamik begann wie der aktuelle Rückschlag. Von Februar bis März 2018 verlor der Dax in 45 Tagen 1900 Punkte. Übertragen auf die aktuelle Situation ergäbe das bis in den September hinein einen Dax-Rückgang bis in den Bereich um 11.000 Punkte. Im Dow Jones könnte mindestens noch einmal die 200-Tage-Linie um 25.600 Punkte getestet werden, wenn nicht sogar das Frühjahrstief im weiten Bereich um 25.000 Punkte.

Immerhin, dem Dax kommen im Augenblick sogar Krisenwerte zugute. Bayer-Aktien etwa, die den Gesamtindex durch ihre hohe Gewichtung lange gedrückt haben, zeigen seit einigen Wochen relative Stärke. Nach erfolgreichem Spartenverkauf fand zwischen 55 und 60 Euro eine erste Stabilisierung statt. Nun gibt es sogar Kaufsignale nach Meldungen über mögliche Vergleiche in Sachen Glyphosat-Klagen. Auch wenn die Aktie ihre hohe Volatilität – die Heftigkeit der Schwankungen – beibehalten wird, sind hier die spekulativen Chancen gestiegen.

Soweit ist BASF noch nicht. Nach der jüngsten Prognosekürzung rutscht die Aktie unter 60 Euro. Derzeit pendelt sie um das Niveau der Tiefpunkte der vergangenen sechs Jahre. Eine nachhaltige Erholung von hier aus wird schwierig, da BASF im gesamten zweiten Halbjahr nur mit einer zähen Geschäftsentwicklung rechnet.

Bei Thyssenkrupp kam es nach den jüngsten, schwachen Zahlen sogar zu einer kurzen Kurserholung. Die sollte nicht überbewertet werden. Überkapazitäten, Rohstoffkosten und wacklige Nachfrage aus der Autoindustrie machen Thyssenkrupp schwer zu schaffen. Auch wenn die Aktie gemessen am Geschäftsvolumen nicht teuer ist, sieht es derzeit nicht nach einer grundlegenden Erholung aus.

Wenn schon in Krisenzeiten investieren, dann mit mehr Sicherheit. Dax-Überflieger Beiersdorf glänzt mit guten Zahlen, solider Bilanz und neuen digitalen Offensiven. Bewertet ist die Aktie allerdings hoch, Käufer sollten deshalb eher einen Rückschlag in Richtung 100 Euro abwarten.

Auch bei der Deutschen Post sieht die geschäftliche Entwicklung wieder besser aus. Der online-getriebene Paket-Boom ist ungebrochen, die Erhöhung des Briefportos kam zur rechten Zeit, interne Kostenmaßnahmen greifen. Überschaubar sind bisher die Folgen des internationalen Handelskonflikts. Zwischen 25 und 30 Euro sollte die Aktie ein Investment für einen mittleren bis längeren Anlagehorizont werden.

Fazit für den Dax: Die brisante Gemengelage aus schwacher Wirtschaft, politischen Krisen und weit gestiegenen Märkten mahnt generell zur Vorsicht. Es geht derzeit weniger darum, neue Chancen zu entdecken, sondern darum, Risiken zu vermeiden. Wie Warren Buffett sollten auch Privatanleger derzeit lieber etwas mehr Cash haben, um gegebenenfalls dann zuzugreifen, wenn der Herbst an den Börsen stürmisch wird.

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