In Amerika rückt die Wahlentscheidung näher, und der Dow Jones verliert an Stärke. Obwohl die Chancen Donald Trumps derzeit sinken, kann die Börse davon nicht profitieren. Im Gegenteil: Wichtige defensive Branchen wie die Pharma- und Biotechindustrie werden eher von der Aussicht auf eine Präsidentin Clinton gedämpft.
Seit mehreren Wochen kommt der Dow Jones nicht mehr deutlich weg von dem Bereich knapp über 18.100 Punkten. Streng genommen hat er sogar den seit Februar bestehenden Aufwärtstrend gebrochen. Nur noch 18 der 30 Dow-Werte verlaufen oberhalb ihrer 200-Tage-Linie. Das heißt: Der amerikanische Aktienmarkt ist zwar immer noch in seiner langfristigen Aufwärtsbewegung, doch er gibt Schwächesignale.
Verantwortlich dafür sind vor allem zwei Gründe: Zum einen ist das Wachstum der US-Wirtschaft ziemlich flau geworden. Zum anderen steigen trotzdem die Zinsen am langen Ende. Bei den zehnjährigen Staatsanleihen sind mittlerweile 1,85 Prozent erreicht. Das schiebt auch den Dollar an. Beides dämpft die Aussichten der US-Wirtschaft.
An der Börse wird derzeit mehrheitlich mit einem Sieg Clintons gerechnet. Viele Marktteilnehmer haben aber auch das Debakel nach dem Brexit im Hinterkopf, schließen also eine Überraschung nicht aus.
Für die Börsen ist es ein Nachteil, dass die Chance auf eine positive Überraschung fehlt. Wenn Clinton gewinnt, ist das eben keine positive Überraschung, allenfalls eine Erleichterung. Wenn aber Trump gewinnt, wird das hektische Reaktionen zufolge haben: Womöglich steigen dann Aktien aus dem Bereichen Rüstung, Infrastruktur und Pharma, während der Markt insgesamt eher nach unten tendiert.
Zinsanpassungen am deutschen Aktienmarkt
Die Unsicherheit in Amerika spüren die Märkte auch hierzulande. Zwar hat der Dax wieder einmal versucht, die Spitzen von August und September bei 10.800 Punkten zu überwinden, ist aber sofort daran abgeprallt. Also, einen Durchmarsch wird es so schnell nicht geben.
Wie in Amerika wirkt sich als Belastung für den Dax der Zinsanstieg aus. Zweimal, im Juli und Ende September, ging die Umlaufrendite bis auf minus 0,3 Prozent zurück. Zweimal drehte der Zins nun nach oben. Mit minus 0,02 Prozent hat er aktuell das höchste Niveau seit Anfang Juni erreicht. Auch wenn das noch nicht die große Zinswende ist, so macht dies in den nächsten Monaten einen Anstieg bis auf plus 0,2 Prozent möglich. Auf eine solche Entwicklung muss sich der Markt erst einmal einstellen.
Dieser Prozess läuft derzeit im Dax. Zu den großen Favoriten gehören seit einigen Wochen die Allianz und die Münchener Rück, schwach sind im Gegenzug Vonovia (und auch andere Immobilienaktien außerhalb des Dax). Beides sind Begleiterscheinungen der anziehenden Zinsen. Übrigens sind auch im Dow Jones derzeit die Finanzwerte ziemlich stark – wobei in den USA auch die Banken mitziehen, weil die nicht mit solchen Spezialproblemen zu kämpfen haben wie die Deutsche Bank und die Commerzbank hierzulande.
Gut im Rennen: SAP, Siemens, BASF, Daimler, Allianz
Von den sieben schwersten Aktien im Dax, sind fünf positiv zu werten:
SAP ist im vollen Schub der Cloud-Geschäfte, bei dem jetzt mit Verzögerung die Erträge hereinkommen. Seit zwei Jahren hat die Aktie ihren großen Aufwärtstrend sogar noch beschleunigt. Kurzfristig wären Rücksetzer in den Bereich bis 75 Euro eine Nachkaufgelegenheit.
Siemens hat mit dem Sprung über 100 Euro eine neue Anstiegsphase eingeleitet. Aktuell läuft eine Rückreaktion, die spätestens im Bereich 97 bis 98 Euro aufgefangen werden sollte. Fundamental ist die Aktie zwar nicht billig, dennoch kommt die Umstrukturierung des Industrieriesen besser voran als befürchtet.
BASF hat sich mit dem Ölpreis gut erholt, könnte aber nach dem jüngsten Anstieg eine Verschnaufpause gebrauchen. Im Bereich zwischen 80 und 75 Euro wäre dann die nächste Einstiegsgelegenheit. Auf die gedämpften Quartalszahlen hat die Börse positiv reagiert. Nach dem verkaufsbedingt schwachen Geschäft 2016 stehen die Zeichen ab 2017 wieder auf Wachstum. Ein schneller Gewinner ist BASF nicht, dafür ein solides, dividendensicheres Industrieinvestment.
Allianz hat den Anstieg über 140 Euro zumindest schon einmal geprobt, könnte aber kurzfristig wieder bis 137/138 Euro abgleiten. Dennoch wirkt sich hier langsam die anziehende Tendenz am Zinsmarkt aus.
Daimler musste jüngst die Prognosen leicht zurücknehmen, die Zahlen selbst aber waren gut. Günstig und rentabel ist die Aktie obendrein. Bei 66 Euro legt die Aktie eine Pause ein, kurzfristig sollte sie nicht unter 62 sinken. In diesem Bereich ist sie interessant für Nachkäufe.
Schwächer als die fünf führenden Favoriten sind die Telekom und vor allem Bayer. Die T-Aktie, die im November vor 20 Jahren an die Börse kam, driftet seit einigen Monaten immer wieder in Richtung 14 Euro ab. In einem insgesamt robusten Gesamtmarkt ist das kein gutes Zeichen. Einer der schwächsten Dax-Werte ist nach wie vor Bayer. An der Börse kommt die Monsanto-Übernahme offensichtlich lange nicht so gut an, wie sich das die Manager in Leverkusen ausmalen.
Fazit für den Dax: Der deutsche Aktienmarkt ist derzeit robuster als der US-Markt. Die Mehrzahl der wichtigen Aktien verläuft in einer guten, aufwärtsgerichteten Entwicklung. Wie erwartet, hat die 200-Tage-Linie nun vor kurzem nach oben gedreht. Das gibt dem Markt einen wichtigen Rückhalt für einen möglichen Ausbruch über 10.800 Punkte. Für eventuelle Nachwahl-Turbulenzen wäre Spielraum nach unten bis etwa 10.200 Zähler, ohne das positive Gesamtszenario zu gefährden.