Riedls Dax-Radar
Klassiker wie die Aktien von Allianz, BASF und BMW stützen den Dax. Quelle: imago images

Neue Favoriten gegen den Crash

Inflation und Zinsen haben die Aktienmärkte im Griff, sogar Hightech-Ikonen kippen ab. Doch der Dax lebt: Vor allem Klassiker wie BASF, BMW und die Allianz sollten ihn vor dem Absturz bewahren.

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Die Angst geht um an den Weltbörsen. Die empfindlichen Kursverluste bei Technologieaktien, ausgelöst durch horrende Inflationszahlen und eine auf härteren Kurs einschwenkende amerikanische Notenbank, sind eine Erschütterung für den großen Trend. Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Tesla waren die Aktien, die den weltweiten Boom seit dem Coronacrash ganz besonders getragen haben. Im Dax macht sich die Technologiedominanz nicht so stark bemerkbar, weil der hierzulande wichtigste Hightech-Wert SAP nach vorübergehend schwachen Zahlen und zähem Strategieschwenk seine einstige Lead-Funktion verloren hat. Dafür hat sich Infineon nach oben geschoben, flankiert von Dax-Aufsteigern wie Sartorius. Dennoch: Dass die Träger der großen Hausse ins Straucheln geraten, ist für die Dynamik des Aktienaufschwungs eine gefährliche Entwicklung. 

Eine zweite Veränderung kommt hinzu; auch sie führt zu einer Umwälzung an den Aktienmärkten: Corona verliert seinen Schrecken. Zu den Aktien mit den größten Abschlägen in den vergangenen Tagen gehören Siemens Healthineers, Qiagen, Merck KGaA und Sartorius. Über den Dax hinaus ließe sich die Reihe fortsetzen, vom hanseatischen Maskenhersteller Dräger über den amerikanischen Medizintechniker Danaher bis zu den Impfstoffherstellern Moderna, Curevac und selbst Biontech

Allen gemeinsam sind die umfangreichen Umsätze und Gewinne, die diese Unternehmen durch Produkte im Kampf gegen Corona erzielt haben. Natürlich ist die Pandemie alles andere als vorbei. Doch die Börse blickt in die Zukunft – und hier zeichnen sich zwei Tendenzen ab: Dass früher oder später wirkungsvolle Medikamente der Virusbedrohung den Schrecken nehmen; das ist, nach der Einführung der Impfstoffe, ein weiterer Gamechanger in der Bekämpfung von Corona. Zweitens ist es langfristig wahrscheinlich, dass sich die außergewöhnliche Sonderkonjunktur um Produkte gegen Covid in dieser Weise nicht mehr wiederholen dürfte. 

Je stärker Aktien in den vergangenen Monaten von der Pandemie nach oben getragen wurden, desto weiter dürfte nun das Ausschwingen der Kurse auf der Suche nach einem neuen Gleichgewicht ausfallen. Siemens Healthineers profitiert dabei von seinem breiten Produktprogramm, die Aktie sollte sich nach dem Bruch ihres mittelfristigen Aufwärtstrends in den nächsten Wochen zwischen 55 und 60 Euro stabilisieren. Sartorius dürfte nun seine enorme Überbewertung abbauen und könnte sich in der Spanne zwischen 500 und 400 Euro auspendeln. Bei Merck könnte die Stabilisierung zwischen 200 und 180 Euro stattfinden, bei Qiagen zwischen 46 und 38 Euro. Vorteil dabei: Bei keinem der Pharmawerte im Dax, der Medizin-, Labor- und Biotechzulieferer gibt es Anzeichen für ein Ende des langfristigen operativen Wachstumstrends. 
(Lesen Sie hier die Empfehlungen für jede der 40 Dax-Aktien unserer großen Analyse.)

Dass der Dax vergleichsweise wenig von reinen Technologieunternehmen geprägt ist, gerät ihm jetzt zum Vorteil. Die Allianz, die Münchener Rück und die Deutsche Bank, vor einer Woche hier als Rezept gegen Inflation vorgestellt, sind in den vergangenen Tagen kräftig angesprungen. Die Allianz-Aktie hat dabei nicht nur die 200-Tagelinie hinter sich gelassen, sie ist gleich über die Kursspitzen vom vergangenen Frühjahr hinausgestiegen. Die Topkurse aus der Zeit vor Corona, die um 232 Euro lagen, sollten mittelfristig kein Problem sein. Die hohe Dynamik des jüngsten Anstiegs deutet darauf hin, dass finanzkräftige Investoren zugegriffen haben. Sie setzen nicht nur auf die starke operative und substanzielle Kraft der Allianz; sie setzen auch darauf, dass Versicherer von tendenziell steigenden Zinsen profitieren – weil sich neue Policen, Verträge und Investmentprodukte dann attraktiver gestalten und regelmäßige Erträge leichter hereinholen lassen. Kursverluste bei Anleihen im Bestand fallen dagegen weniger ins Gewicht. 

Unterschätzte Erfolgsgeschichten: BASF und BMW

Neben den neuen Zinsgewinnern ziehen derzeit auch klassische Industrieaktien wieder an. BASF hat genau auf der Unterstützung bei 58 Euro gedreht und sich in der jüngsten Erholung wieder über die wichtige Kursmarke bei 65 Euro gerettet. Es ist, trotz Warnungen vor einer weltweiten Konjunkturabschwächung, ein gutes Zeichen, wenn ein breit aufgestellter Chemiekonzern, der vor allem in Asien ein reichhaltiges Exposure hat, deutlich anzieht. Sollte BASF in diesem Jahr sogar über die mittelfristigen Kursspitzen bei 74 bis 75 Euro kommen, gäbe die Aktie ein weiteres, prozyklisches Kaufsignal. Auch Henkel kann sich von sehr gedrücktem Niveau aus erholen und könnte nun zumindest eine Bodenbildung einleiten; ebenfalls kein schlechtes Zeichen für die Chemie. Sogar Sonderfall Bayer hat mit dem jüngsten Anstieg über 50 Euro ein Hoffnungszeichen gesetzt – dank guter Verkaufsmeldungen zu neuen Krebs- und Nierenmedikamenten. 

Nur drei Aktien im Dax mit langfristiger Abwärtswende

Von Coronarisiken gebeutelt wurden in den vergangenen zwei Jahren besonders die Autohersteller. Auch BMW musste zuletzt im vierten Quartal wiederum einen Absatzrückgang hinnehmen. Insgesamt aber konnten die Bayern im schwierigen Jahr 2021 mit gut 2,5 Millionen Fahrzeugen mehr verkaufen als jeder andere Premiumhersteller weltweit. Dauerrivale Mercedes wurde leicht überholt, der einstige Angstgegner Audi regelrecht abgehängt. Mehrere neue Modelle stehen am Start, der Absatz von E-Autos zieht an, Renditen und Gewinne steigen. Und auch wenn die Designsprache der Bayern bei europäischen Käufern zuletzt für Irritationen sorgte, auf den wichtigen Märkten in Asien kommt das an – vor allem in China. Mit der Mehrheit am Gemeinschaftsunternehmen mit Brilliance dürfte der bisher schon hohe Gewinnanteil, den BMW hier einfährt, weiter steigen.

Skeptiker befürchten, dass darin ein unkalkulierbares Risiko liege. In der Tat wird der politische Einfluss der chinesischen Regierung auf die Märkte immer offensichtlicher. Andererseits haben die europäischen Hersteller angesichts der Bedeutung dieses riesigen Absatzmarktes auch kaum eine andere Wahl, als hier mitzuspielen – und das macht BMW offensiv. Langfristig dürfte es dabei keine schlechte Option sein, in beiden großen geopolitischen Lagern, in China und in den USA, so prominent vertreten zu sein wie BMW. 

von Frank Doll, Julian Heißler, Niklas Hoyer, Heike Schwerdtfeger, Anton Riedl

Dass die Aktie mittlerweile zu einer tief einstelligen Gewinnbewertung gehandelt wird, neben guten Geschäftsaussichten eine hohe Rendite und neben Beiersdorf die solideste Bilanz aller Dax-Werte bietet, macht BMW zu einem echten Favoriten. BMW Stammaktien, die im Dax gelistet sind, haben mit dem jüngsten Anstieg über 95 Euro hinaus ein starkes Kaufsignal gegeben. Wer nicht unbedingt Wert auf Stimmrechte und HV-Debatten legt, bekommt BMW über die seltenen Vorzugsanteile auch noch mit gut 15 Prozent Preisvorteil. 

Fazit für den Dax: Trotz hoher Coronainfektionen, sieben Prozent Rekordinflation in den USA und einem zwischenzeitlichen Anstieg der Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen in den Bereich um 1,80 Prozent hält sich der deutsche Aktienmarkt einigermaßen gut. Bei 20 der 40 Dax-Aktien verlaufen die aktuellen Kurse oberhalb der 200-Tagelinie – eine unentschiedene Bilanz. Wichtig dabei ist, dass bisher nur drei Aktien das Bild einer langfristigen Abwärtswende bieten: Delivery Hero, HelloFresh und Zalando. Alle drei sind ehemalige Coronagewinner und hochbewertete Indexneulinge, die sich in der Realität des Dax-Alltags erst einpendeln müssen. Eine Indikation für den Gesamtmarkt sind sie nicht. Für den sind gewichtige Klassiker wie Allianz, BASF, Daimler, BMW, Siemens, Linde und Münchener Rück wesentlich aussagekräftiger; und die zeigen allesamt nach oben. 

Der Dax ist nach den Schockwellen aus den USA, ausgelöst durch Inflationsdaten, massivem Zinsanstieg und ungewohnt rauer Notenbanktöne am Top um 16.300 Punkten abgeprallt. Bisher hält er sich deutlich oberhalb der 200-Tagelinie, die aktuell bei 15.600 verläuft und stetig nach oben zieht. Die Tiefspitzen von Oktober, November und Dezember steigen an, der Markt ist damit weiterhin in einem klassischen Aufwärtstrend.

Kurzfristig, vor allem bei neuen Schwächeanfällen der US-Börsen, wäre durchaus noch ein Abwärtsrutsch möglich. Der könnte bis zur 200er-Linie oder sogar knapp darunter gehen. Um 15.500 verläuft, je nach Zeitfenster, die nächste Trendunterstützung. Die letzte Linie im Sand dürfte, gemessen am Tagesschlusskurs, für viele Investoren das Niveau um 15.000 Punkte sein. In diesem Bereich hat sich der Dax seit Frühjahr 2021 immer wieder nach oben retten können. Ein Absacken unter 15.000 wäre ein fatales Signal für den Markt. 

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Immerhin, die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen, die wichtigste Kurve der weltweiten Finanzmärkte, haben sich zuletzt wieder unterhalb der Marke von 1,80 Prozent etwas beruhigt. Das lässt hoffen, dass die verbreiteten Crash-Ängste wohl übertrieben sein dürften. 

Mehr zum Thema: In einer dreiteiligen Serie stellen wir drei Gruppen von Dax-Aktien auf den Prüfstand. Lesen Sie hier über die Überflieger und Newcomer, Antizykliker und Trendsetter sowie die gefallenen Engel und Loser im Dax.

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