Riedls Dax-Radar

Neue Höchstkurse statt alter Crash-Ängste

April und Mai sind in der Regel gute Börsenmonate. Die Chance auf ein neues Allzeithoch im Dax ist groß.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Trotz Angst vor den Folgen des Brexit und dem Protektionismus der US-Regierung zeigen Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex nach oben. Quelle: dpa

Drei Tage nur hat der Dax gebraucht, um die Verluste des düsteren Dienstags, des 21. März, auszugleichen. Nach drei weiteren Tagen hat er ein neues, mittelfristiges Hoch markiert und macht sich nun daran, sein bisheriges Allzeithoch zu erklimmen, das am 10. April 2015 bei 12.375 (Schlusskurs) und 12.391 (im Tagesverlauf) lag.

Die Dax-Favoriten der Woche

Basis der stabilen Marktentwicklung ist eine Konjunktur, die nun auch in Europa besser läuft als befürchtet. Trotz Angst vor den Folgen des Brexit und dem Protektionismus der US-Regierung zeigen Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex nach oben. Das sind noch keine substanziellen Abschlusszahlen, doch was Anleger aus den Unternehmen hören, stimmt ebenfalls zuversichtlich: Immer mehr deutet darauf hin, dass die Wirtschaft in Europa von bescheidenem Niveau aus an Dynamik gewinnt.

Leichtes Wirtschaftswachstum, das einen Tick höher ausfällt, als erwartet, ist für die Börse optimal. Gefahren von Rezession, starker Inflation oder Deflation treten in den Hintergrund – dafür wächst die Hoffnung auf Unternehmensgewinne, die in Zukunft weiter zulegen können. Dass das Wachstum dabei nicht gleich wieder zu stark ausfällt, ist für den Aktienmarkt wie ein Stabilisator. Es verringert wegen der nicht zu hohen Erwartungen das Risiko von Gewinnenttäuschungen und reduziert die Gefahr schnell steigender Zinsen.  

Europa ist stärker als sein Ruf

Ein wichtiger Beitrag zu den robusten Börsen kommt vom politischen Umfeld. In der öffentlichen Diskussion und an den Märkten wurde im vergangenen Jahr der Abschied Europas durchgespielt. Auch an dieser Stelle wurde die These vertreten, dass die Anlagemärkte sich faktisch mit den desolaten Zuständen in Europa arrangiert hätten.

Der berühmte Ökonom John Maynard Keynes verglich die Einschätzung von Aktien mit der von Kandidatinnen eines Schönheitswettbewerbs. Das ist zwar einprägsam, aber irreführend. Wie Aktienkäufer stattdessen besser vorgehen.
von Thorsten Polleit

Nun aber mehren sich Signale, dass Europa keineswegs tot ist. Die jüngsten Wahlergebnisse und das schlechtere Abschneiden antieuropäischer Populisten deuten darauf hin, dass ein renoviertes Europa bei den Menschen durchaus eine Chance hätte. Selbst die Briten verabschieden sich zwar, wie sie sagen, von der EU, nicht aber von Europa.

Zugleich stabilisiert sich der Euro. Sein jüngster Anstieg bis auf 1,09 Dollar kam genau bis an die 200-Tage-Linie. Seitdem läuft eine Korrektur, die womöglich zunächst bis in den Bereich um 1,06 Dollar geht. Die Erholung der europäischen Konjunktur auf der einen Seite und die zuletzt zähere Entwicklung in den USA auf der anderen deuten darauf hin, dass ein Absturz des Euro immer unwahrscheinlicher wird. Dazu passt der schrumpfende Zinsvorsprung zehnjähriger US-Bonds gegenüber Bunds, der in wenigen Wochen von 2,4 Prozentpunkte auf 2,0 Prozentpunkte zurückgegangen ist. Gut möglich, das sich die europäische Währung in diesem Jahr in der Bandbreite 1,04 bis 1,16 Dollar stabilisiert. Die Börsen dürften mit diesem Währungsniveau gut leben können.

Gesunde Kurskorrekturen an den US-Aktienmärkten

Im Gegensatz zum Dax haben die US-Märkte im März etwas an Boden verloren, vor allem der Dow Jones. Die Technologieaktien an der Nasdaq konnten dagegen wieder auf ein neues Hoch vordringen – angeschoben durch neue Rekordkurse der Protagonisten Apple und Microsoft (beides übrigens Top-Investments in einem international ausgerichteten Aktiendepot).

Die geringen Verluste im Dow und das neue Hoch an der Nasdaq sprechen dafür, dass es sich insgesamt nur um eine vorübergehende Korrektur handelt und nicht um eine tiefere, allgemeine Schwäche des US-Markts.

Im Gegenteil: Im Dow Jones haben in den vergangenen Wochen gerade die Aktien etwas abgegeben, die in den Monaten davor nach oben geschossen sind – vor allem Bankwerte. Solche Kursverluste markieren keine allgemeinen Wendepunkte, sondern sind gesunde Korrekturen in einer größeren Aufwärtsbewegung. Zugleich legen langfristige Klassiker wie McDonald`s, Coca-Cola, Disney oder 3M wieder zu.

So viel schütten die Dax-Unternehmen aus

Bei 23 von 30 Dow-Werten verlaufen derzeit die aktuellen Kurse oberhalb der 200-Tage-Linie. Diese Quote von 77 Prozent signalisiert mittelfristig eine gute Hausse-Verfassung des amerikanischen Aktienmarkts.

Der Branchenmix spricht für weitere Kursgewinne im Dax

Auch der Dax ist in einer stabilen, breiten Aufwärtsbewegung. Protagonisten sind die Technologiekonzerne, die von den Megatrends profitieren: Derzeit zuallererst SAP und Siemens. Während der Aufwärtstrend der Softwareschmiede schon seit mehr als zwei Jahren läuft und mit den Gewinnen aus dem Cloud-Geschäft an Kursdynamik gewonnen hat, haben Siemens-Aktien gerade erst nach 17 Jahren ein neues Hoch erreicht.

Heimische Börsenunternehmen schütten so viel Geld aus wie nie. An den Deutschen geht der Geldregen allerdings größtenteils vorbei.
von Mark Fehr

Dass Siemens derzeit auch in den politisch brisanten Märkten (in den USA und in Großbritannien) offensiv Flagge zeigt, ist ein gutes Zeichen für einen Weltkonzern. Und als solcher ist ein Börsenwert in einem Bereich um 100 Milliarden Euro langfristig nicht das Ende der Fahnenstange. Das gilt besonders auch für SAP – wenn man einmal deren Börsenwert von 112 Milliarden Euro im Vergleich zu Oracle (170 Milliarden Euro) oder gar Microsoft (475 Milliarden Euro) betrachtet.

Dem Dax hilft es, dass nun auch die schweren Finanzwerte nach oben drücken: vor allem die Allianz und die Münchener Rück. Beide befinden sich angesichts des niedrigen Zinsniveaus in einem schwierigen Umfeld. Die Münchener Rück leidet zusätzlich unter der verschärften Konkurrenz von Hedgefonds und Pensionskassen, die nach alternativen Anlagemöglichkeiten suchen und auch rückversicherungsähnliche Leistungen anbieten.

Dividenden sind die neuen Zinsen, heißt es immer. Aber bei der Auswahl von Dividendentiteln ist weit mehr zu beachten als die aktuelle Dividendenrendite. Worauf es bei der Auswahl ankommt und welche Aktien geeignet sind.
von Christof Schürmann

Dennoch ist der operative Geschäftsverlauf der Versicherer insgesamt stabil. Die günstige Bewertung, die hohe Dividende und dazu noch die Aussicht, langfristig zu den Gewinnern zu gehören, wenn eines Tages vielleicht doch die Zinsen nach oben drehen, stützen die Kurse.

Der Dax hat mit dem jüngsten Anstieg über 12.100 Punkte ein kurzfristiges Kaufsignal gegeben. Der seit Anfang Dezember laufende Aufwärtstrend wird damit bestätigt. Der Abstand zur 200-Tage-Linie, die derzeit bei knapp 11.000 verläuft, ist weiterhin relativ hoch, aber stabil. In Zusammenhang mit der nach wie vor verbreiteten Skepsis (bis hin zu latenten Crash-Ängsten) ist dies typisch für einen stabilen Hausse-Markt. So gesehen sollte der Dax in den guten Monaten April und Mai mindestens das bisherige Hoch erreichen, eher noch in neue Höhen vorstoßen. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%