Riedls Dax-Radar
Geht die Fed einen weiteren Schritt Richtung Zinswende, dürfte das den Märkten Aufschwung bescheren. Quelle: imago images

Neue Zinshoffnung statt Angst vor der Fed

Nach acht Wochen Kursgewinnen steht der Trendtest bevor. Die Entscheidung liegt bei der US-Notenbank, die Stärke der Aktienmärkte schürt Hoffnungen.

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Wenn am 13. Dezember die nächsten Inflationszahlen zum Monat November veröffentlicht werden und dann einen Tag danach die amerikanische Notenbank Fed die Zinsen abermals anheben wird, dürften hektische Marktturbulenzen wahrscheinlich sein: Sollte die Teuerung in den USA abermals, wie im Oktober, zurückgehen, könnte es noch einmal ein Feuerwerk an den Aktienmärkten geben. Dann nämlich dürfte die Fed das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln und ihre zentrale Funds Rate nur um 0,5 Prozentpunkte statt wie zuletzt um 0,75 Prozentpunkte anheben. Obwohl die Aktienmärkte seit dem jüngsten Tief Ende September schon weit gestiegen sind, wäre dann noch einmal ein Aufschlag möglich, der sogar über den oft freundlichen Jahreswechsel hinausreichen könnte.

Was aber, wenn die nächsten US-Inflationszahlen doch nicht so positiv werden wie erhofft? Wenn sie vielleicht, zum ersten Mal seit Juli, nicht zurückgehen, sondern stagnieren oder sogar einen Tick höher ausfallen? Dann könnte die amerikanische Notenbank die Zinsen durchaus noch einmal um 0,75 Prozentpunkte anheben. Für die Aktien- und Anleihemärkte wäre das eine herbe Enttäuschung, die schwere Kursverluste zur Folge haben dürfte.

Doch auch wenn die Fed die Zinsen nicht mehr ganz so stark anheben sollte und sie damit womöglich die Wende zu einer moderateren Geldpolitik vorbereitet, könnte es für die Aktienmärkte ungemütlich werden. Sowohl in den vergangenen zwei Jahrzehnten (in den Jahren 2000, 2007 und 2019) als auch in der Inflationsphase um die Siebzigerjahre (1969, 1973, 1981) kam es nach den jeweils ersten Zinssenkungen der Fed zu einem Einbruch an den Aktienmärkten. Der Grund dafür: Die Aussicht auf die bevorstehende Zinswende nach unten hatten die Börsen in den Monaten davor schon durch massive Kursaufschläge vorweggenommen. 

Klassische Aktien stärker als Hightech-Ikonen 

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Auch in den vergangenen Wochen kam es zu starken Kursgewinnen, die in den klassischen Aktienbarometern Dow Jones und Dax so dynamisch ausfielen wie nach dem Coronacrash von 2020. Weniger stark ist die Kletterpartie der Technologieaktien, sowohl an der Nasdaq-Börse als auch hierzulande im TecDax. Grund dafür ist die Zinssensitivität vieler Technikaktien. Das zeigt sich auch an den Anleihemärkten, die erst seit November wieder Fuß gefasst haben. In den USA sind die Renditen für zehnjährige Bonds von 4,2 auf 3,7 Prozent zurückgegangen; die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen sind von 2,4 auf 1,9 Prozent gesunken. 

Mit dem deutlichen Rückgang der Anleiherenditen hat sich allerdings die inverse Zinsstruktur weiter verfestigt: In Amerika gibt es mittlerweile sogar im Geschäft zwischen Banken über Nacht mit 3,8 Prozent mehr Zinsen als für zehnjährige Bonds. In Deutschland ist die Entwicklung nicht ganz so extrem, hier muss Geld mehr als sechs Monate angelegt werden, um über die 1,9 Prozent der zehnjährigen Bunds zu kommen. 

In den vergangenen Jahrzehnten war eine inverse Zinsstruktur oft ein Zeichen für eine wirtschaftliche Schrumpfung oder eine bevorstehende Rezession. Verantwortlich dafür sind die Probleme der Banken, denen dabei die kurzfristige Refinanzierung teurer zu stehen kommen kann als die Einnahmen für langfristige Kredite ausfallen. 

Noch ist die Wirtschaft hierzulande auf Wachstumskurs. Im dritten Quartal hat sich die deutsche Konjunktur mit 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal besser behauptet als befürchtet. Bei der Inflation ist im Gegensatz zu den USA hierzulande aber noch keine Entspannung in Sicht, im Oktober kletterte die Teuerung in Deutschland auf 10,4 Prozent. Für die nächsten Monate rechnen die meisten Volkswirte mit einer Abschwächung der Konjunktur, aber nicht mit einer schweren Rezession.

Dax gibt wichtige positive Signale

Dem Dax gelang in diesem Umfeld ein bemerkenswerter Anstieg von 11.975 Punkten auf bisher 14.540 Punkte innerhalb von acht Wochen. Dieser Anstieg war nicht nur wesentlich dynamischer als die vorangegangene Abwärtsbewegung von August bis September; der Dax gab damit gleich drei positive Signale: Erstens brach er bei 13.300 Punkten den seit Januar bestehenden Abwärtstrend; zweitens überwand er bei 13.650 die Durchschnittslinie der vergangenen 200 Börsentage; drittens kletterte er deutlich über das vorangegangene Hoch vom 16. August, das bei 13.910 Punkten lag. Aus kurstechnischer Sicht sind dies typische Signale, die durchaus einen längeren Trendwechsel einleiten können.

Und die Aufwärtsbewegung gewinnt an Breite: bei 25 der 40 Dax-Aktien verlaufen die aktuellen Kurse mittlerweile oberhalb ihrer jeweiligen 200-Tagelinie. Das sind 63 Prozent der Einzelwerte und damit ein Übergewicht in Richtung Hausse. Besonders wichtig: Von den sieben schwersten Werten im Dax zeigen derzeit alle nach oben: Stabil im Aufwärtstrend sind Linde und die Deutsche Telekom; dynamisch zulegen konnten zuletzt Siemens, SAP und die Allianz. Airbus ist schon seit Monaten robust, und auch Mercedes-Benz hat nun den Sprung über wichtige Abwärtstrends geschafft. Insgesamt hat der deutsche Aktienmarkt damit eine so robuste Verfassung erreicht wie noch nie zuvor während der Schaukelpartie seit Jahresanfang.

Fazit für den Dax: Die Erwartung, dass die amerikanische Notenbank nicht mehr ganz so kräftig an der Zinsschraube dreht und eine allgemeine Konjunktur, die sich trotz verbreiteter Rezessionsängste noch vergleichsweise gut hält, haben am deutschen Aktienmarkt zu einer substanziellen Stabilisierung geführt. Allerdings: Nach acht Wochen steiler Kletterpartie und mehr als 20 Prozent Kursplus ist der Aktienmarkt kurzfristig überhitzt. Stimmungsindikatoren haben einen ähnlich hohen Optimistenstand erreicht wie bei den Kursspitzen im März, Juni und August. Das Angstbarometer V-Dax ist auf den niedrigsten Stand seit Januar gesunken. All das deutet darauf hin, dass kurzfristig mindestens eine Konsolidierung, wenn nicht sogar eine Korrektur sehr wahrscheinlich ist.

Diese Korrektur kann noch vor der anstehenden US-Zinsentscheidung beginnen oder erst durch sie ausgelöst werden. So oder so sind nach den kräftigen Kursgewinnen der vergangenen Wochen breit angelegte Käufe aus taktischer Sicht aktuell wenig sinnvoll. 

Entscheidend wird in den nächsten Wochen nicht nur sein, ob die Fed wirklich den Fuß vom Gas nimmt. Genauso wichtig ist, wie der Aktienmarkt damit umgeht. Das gilt im Fall einer unerwartet deutlichen Zinserhöhung genauso wie im Fall einer Entspannung. 

Ein Rückgang des Dax bis in den Bereich der 200-Tagelinie (die in den nächsten Wochen um 13.600 verlaufen könnte) oder der Unterstützungszone um 13.400 Punkte wäre kein Problem. Es wäre eine klassische Korrektur der seit acht Wochen eingeschlagenen Aufwärtsbewegung und würde diese Richtung damit bestätigen.

Kritischer wäre ein weiterer Rückgang in den Bereich 12.700 bis 12.400 Punkte, weil dies die Stabilisierung der 200-Tagelinie (ein wichtiger Indikator für die mittel- bis langfristige Tendenz) wieder abbrechen würde. Eine solches Schwächesignal könnte dann in einer weiteren Abwärtswelle Anfang nächsten Jahres sogar zu einem Unterschreiten der Tiefpunkte vom September führen.

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Insgesamt aber spricht die gewonnene Stärke des deutschen Aktienmarkts eher dafür, dass es vorerst bei einer Korrektur bleibt und nicht wieder neue Tiefen angesteuert werden.

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