Riedls Dax-Radar
Kurseinbruch Nummer drei beim Zahlungsdienstleister Wirecard. Quelle: dpa

Neue Zitterpartie an den Börsen

Kapriolen um Wirecard, Dilemma bei Daimler, neue Schwäche bei VW: nach sechs Wochen Kurserholung steht im Dax nun eine Korrektur an.

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Keine Aktie im Dax erlebt derzeit so heftige Kursschwankungen wie der Bezahldienstleister Wirecard. Nach den Vorwürfen um Manipulationen geht das Unternehmen nun zur Gegenoffensive über: von rechtlichen Schritten bis zum Aktienkauf durch Vorstände. Dies kann durchaus dazu führen, dass sich die Aktie nach den jüngsten Kursstürzen wieder etwas erholt. Es wird aber nicht dazu führen, aus Wirecard ein Investment für Anleger zu machen.

Bisher haben das erfolgreiche Geschäftsmodell und die hohen Wachstumsraten von Wirecard zu einem Kursanstieg von mehr als 500 Prozent in drei Jahren geführt. Dabei ist es zu einer enormen Überbewertung der Aktie gekommen. Diese Überbewertung ist durch die heftigen Kursstürze der vergangenen Tage vollständig abgebaut worden.

Billig im Vergleich zu anderen Papieren der Branche ist Wirecard aber immer noch nicht. Das wäre erst bei Notierungen deutlich unter 100 Euro der Fall. Ein solcher Rückgang ist angesichts der aktuellen Turbulenzen nicht ausgeschlossen. Die wiederholten Attacken von Shortsellern deuten darauf hin, dass Wirecard auch in Zukunft mit solchen Aktionen rechnen muss. Dabei könnte die Aktie in den nächsten Wochen sogar bis zum langfristigen Aufwärtstrend zurückfallen, der bei rund 80 Euro verläuft.

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Als zusätzliches Problem kommt hinzu, dass die aktuelle Nachrichtenlage auch das operative Geschäft von Wirecard beeinträchtigen könnte. Ob das Unternehmen in diesem Jahr den von Banken hochgerechneten Gewinnanstieg von 40 Prozent schafft, darf bezweifelt werden.

Wenn sieben Milliarden Euro Nettogewinn nicht ausreichen

Daimler verdiente im vergangenen Jahr netto mehr als sieben Milliarden Euro, verkaufte 3,4 Millionen Fahrzeuge und hat in der Bilanz 65 Milliarden Eigenkapital stehen. An der Börse werden alle Daimler-Aktien zusammen aber nur noch mit 52 Milliarden Euro bezahlt. Darin steckt ein riesiges Misstrauen und viel Skepsis, was die Zukunft der deutschen Autobranche und Daimler betrifft.

Daimler ist derzeit in einer unglücklichen Lage. Das Unternehmen wird von den strukturellen Problemen der Branche erwischt (Wechsel zu neuen Antriebsformen) und gleichzeitig von der konjunkturellen Abschwächung. Das zeigte sich vor allem in den Zahlen des letzten Quartals 2018, die deutlich schlechter waren als der vorangegangene Jahresverlauf; selbst am chinesischen Markt, der für Daimler besonders wichtig ist.

Dennoch kann Daimler derzeit nicht zur großen Offensive ansetzen. Erst im Mai wird der neue Chef Ola Källenius zur Hauptversammlung die strategische Richtung präsentieren: Von der Elektromobilität über den Ausbau des klassischen Geschäfts bis hin zur neuen Unternehmensstruktur unter dem Dach einer Holding.

Bis dahin besteht für Daimler-Aktien eine Hängepartie. Aktuell zeigt sich das in schwachen Kursen, die wahrscheinlich in der laufenden Marktkorrektur noch einmal den Bereich der jüngsten Tiefen zwischen 50 und 45 Euro ausloten. Doch wenn Deutschland und Europa nicht in einer richtig schweren Rezession abkippt, dürfte Daimler 2019 aus dem Verkauf von wahrscheinlich 3,5 Millionen Fahrzeugen an die acht Milliarden Euro netto ziehen und mindestens eine Dividende auf dem zuletzt reduzierten Niveau zahlen. Das ergäbe bei Kursen um 50 Euro 6,5 Prozent Rendite.

Ein Zeichen von Schwäche

Auch andere Autoaktien wie VW zeigen einen brisanten Verlauf. Zunächst hat sich VW seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals Ende 2015 und dem damit verbundenen Kurscrash Schritt für Schritt erholt. Die operativen Ergebnisse waren in dieser Zeit zwar nicht berauschend, aber viel besser, als die Stimmung gegenüber VW.

Doch seit einigen Wochen neigen auch VW-Papiere wieder zur Schwäche. Das ist bemerkenswert, propagiert der Fahrzeugkonzern doch offensiv wie kein anderer großer Hersteller eine Strategie hin zum Elektrofahrzeug. Gleichzeitig deuten Verkaufszahlen und Verkaufspreise darauf hin, dass VW bei den Ergebnissen nicht schlecht abschneiden wird. Es sieht ganz danach aus, dass es den Wolfsburgern gelingt, mit Hilfe eines stabilen traditionellen Geschäfts und reichlichen Finanzreserven die langfristige Wende zum neuen E-Autobauer und Mobilitätskonzern zu schaffen.

von Anton Riedl, Sebastian Kirsch, Heike Schwerdtfeger

Geht es nach der Bewertung von Gewinnen, dem Eigenkapital oder der Marktposition, sind VW-Aktien derzeit günstig; sowohl im Vergleich zur eigenen Historie als auch zu Konkurrenten wie Toyota. Das spricht dafür, dass die Aktie die wichtige Zone um 135 Euro in der aktuellen Schwächephase verteidigen kann.

Mögliche Dax-Korrektur bis in den März hinein

Der Dax hat von Ende Dezember bis Anfang Februar 1000 Punkte gutgemacht. Die Erholung wurde angetrieben von rückläufigen Zinsen und von Unternehmenszahlen, die insgesamt auf eine schwächere Wirtschaft deuten, nicht aber auf eine schwere Rezession. Dass Anleger am Jahresende 2018 pessimistisch waren, half bei der Erholung zusätzlich.

Das angepeilte Ziel von 11.600 Punkte hat der Dax nicht erreicht, bei 11.370 Punkten ging ihm die Luft aus. Der schwere Einbruch am Donnerstag (7. Februar) spricht dafür, dass nun wieder eine Korrekturphase ansteht. Die könnte bis in die erste Märzhälfte hinein anhalten, im Dax eine typische Wendephase.

Für ein positives 2019er-Szenario wäre es gut, wenn der Dax nicht allzu viel von den erreichten Gewinnen wieder hergäbe. Ein klassischer Rücksetzer hätte ein Ausmaß von 40 Prozent, das ergäbe eine Kurskorrektur von 400 Punkten und eine Zielzone 10.900 bis 11.000 Punkte. Dass der Dax dieses Niveau schon nach zwei Tagen Korrektur erreicht hat, ist allerdings ohne Frage ein Zeichen von Schwäche.

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