Bei BASF bündeln sich die Probleme. Dabei läuft es operativ bei den Ludwigshafenern bisher keineswegs schlecht. Im ersten Quartal kletterte der Umsatz um fast ein Fünftel auf 23 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (Ebit, Gewinn vor Zinsen und Steuern) nahm sogar noch um einen Tick stärker zu und erreichte 2,8 Milliarden Euro. Das ist eine Marge von zwölf Prozent; eine respektable Leistung in einem schwierigen Umfeld. BASF gelingt es, enorm gestiegene Kosten für Energie und Rohstoffe auf die Preise zu überwälzen; sie vor allem sind für das Umsatzwachstum verantwortlich. Darin zeigt sich die führende Stellung von BASF auf den weltweiten Chemiemärkten und ein vorteilhafter Produktmix.
Dennoch hat BASF eine offene Flanke. Trotz des Anstiegs auf 2,8 Milliarden Euro Ebit blieb unterm Strich nur ein Nettogewinn von 1,3 Milliarden, ein Rückgang um 27 Prozent. Hauptgrund dafür sind Abschreibungen auf die umfangreich mit Russland verbundene Öl- und Gastochter Wintershall Dea, an der BASF mit 72 Prozent beteiligt ist. Sie allein machen 1,1 Milliarden Euro aus und betreffen die Gaspipeline Nord Stream 2, Vermögenswerte in Russland und das Gastransportgeschäft.
Bisher bestätigt BASF seinen Ausblick für 2022: Der Umsatz soll 74 bis 77 Milliarden Euro erreichen, das Ebit vor Sondereinflüssen in der Spanne zwischen 6,6 Milliarden und 7,2 Milliarden liegen. Allein diese Prognose des operativen Verlaufs ist durch die wacklige Konjunktur von hoher Unsicherheit geprägt. Und dabei sind mögliche Sondereinflüsse noch nicht mitgerechnet. Hier nämlich würden sich dann weitere Abschreibungen niederschlagen – je nachdem, wie sich der Rückzug von BASF aus Russland und Belarus letztlich gestaltet. Wintershall-Chef Mario Mehren spricht von „Milliardenwerten“, die bei einem Rückzug an den russischen Staat fallen würden. Die Abschreibungen, die dann anteilig zu 72 Prozent bei BASF landen würden, wären empfindlich.
Für BASF-Aktien ist die seit Kriegsbeginn im Februar anhaltende Abwärtsphase noch nicht durchstanden. Dass die Gewinnbewertung mittlerweile unter einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zehn liegt, ist noch keine Entwarnung. Hinter diesem günstigen Wert stehen immer noch die alten Hochrechnungen, die für dieses Jahr von knapp fünf Milliarden Euro Reingewinn ausgehen. Die Gefahr weiterer, möglicherweise erheblicher Abschreibungen bei einer Eskalation in Russland ist hierin noch nicht verarbeitet.
Für BASF-Aktien besteht das Risiko, dass die Notierungen sogar noch bis in den Bereich um 45 Euro nachgeben könnten. Hier verläuft der ganz langfristige Aufwärtstrend der Aktie, der sich aus den Tiefpunkten der Baisse 2003, der Finanzkrise 2008/09 und des Coronacrashs 2020 gebildet hat. Allein die Reihenfolge dieser Katastrophen zeigt, wie brisant die Lage für BASF-Aktien derzeit ist.
Günstiger Luxus gegen die Krise
Mit 35 Milliarden Euro Umsatz und 3,6 Milliarden Euro Nettogewinn im ersten Quartal hat Mercedes-Benz, die alte Daimler, einen starken Jahresstart erwischt. Das ist angesichts des Kriegs in der Ukraine und der scharfen Lockdownpolitik im großen Absatzland China eine starke Leistung. Mercedes profitiert davon, sich auf hochmargige Luxuskarossen zu konzentrieren, zudem ist das zähe Lastwagengeschäft, die neue Daimler Truck, seit vergangenem Jahr abgespalten. Das alles führt trotz Absatzrückgang zu stabilen Umsätzen und anziehenden Gewinnen. Selbst wenn Mercedes diese hohen Margen im Jahresverlauf nicht halten könnte, dürften 2022 insgesamt 140 Milliarden Euro Umsatz und mehr als elf Milliarden Euro Nettogewinn bleiben; beides wären sehr gute Ergebnisse.
Natürlich darf es dabei nicht zu einer Eskalation in der Ukraine kommen, auch nicht zu einem Absturz der chinesischen Wirtschaft infolge der Pandemiepolitik. Ähnlich wie BASF hat Mercedes Sonderbelastungen durch den Krieg in der Ukraine; sie machten im ersten Quartal 709 Millionen Euro aus. Zudem besteht noch ein weiteres Risiko, wenn Mercedes sein modernes Werk nahe Moskau in einer Eskalation des Konflikts verlieren würde. Bisher ist die Produktion dort auf Eis gelegt und die Löhne der gut 1000 Beschäftigten werden weiter gezahlt.
Lesen sie auch: Mit der autonomen S-Klasse unterwegs in Los Angeles
Insgesamt aber ist das finanzielle Russlandrisiko gemessen am gesamten Geschäfts- und Assetvolumen von Mercedes spürbar geringer als das von BASF. Zudem ist die Bewertung von Mercedes-Aktien mit einem nur sechsfachen KGV und sechs Prozent Dividendenrendite noch einmal deutlich günstiger als die von BASF. Die durch die Krisen gedrückten Notierungen bieten damit bei Mercedes eher Chancen als Risiken.
Zu Kursen zwischen 60 und 65 Euro dürften Mercedes-Aktien ein aussichtsreiches Investment sein. Unter das jüngste Tief um 56 Euro aber sollte die Aktie nicht sinken, sonst würde sie doch eine große obere Trendwende abschließen. Wahrscheinlich sind in diesem Bereich auch zahlreiche Verlustbegrenzungen platziert, die hier zu turbulenten Kursausschlägen führen können.
Zwischenerholung bei Aktien, keine Entwarnung bei Anleihen
Nun ist auch in Deutschland die Inflation wie schon zuvor in den Vereinigten Staaten mit 7,4 Prozent auf ein neues Hoch gestiegen. Der Druck auf die EZB, konsequenter in der Geldpolitik vorzugehen, nimmt weiter zu. Ohnehin kann es sich die Europäische Notenbank nicht erlauben, sich noch weiter abhängen zu lassen, nachdem die amerikanische Fed ihren stärksten Zinserhöhungszyklus seit vielen Jahren angekündigt hat.
Indessen, an den Aktienmärkten wächst schon wieder die leise Hoffnung, es könnte vielleicht doch nicht so schnell mit den Zinsen nach oben gehen. Auslöser dafür ist der überraschende Rückgang der US-Wirtschaft im ersten Quartal um 1,4 Prozent. Allerdings steckt dahinter keine generelle Schwäche der amerikanischen Konjunktur, sondern vor allem Belastungen vom Außenhandel. Privater Verbrauch und Investitionen sind robust. Eine weniger deutliche Zinswende lässt sich damit auf absehbare Zeit nicht begründen. Umso mehr, da die Inflationsrate in den USA mit 8,5 Prozent nun den höchsten Stand seit 40 Jahren erreicht hat.
Als die Inflation in den Vereinigten Staaten letztmals so hoch war, gab es für zehnjährige Bonds bis zu 16 Prozent Rendite. Aktuell sind es gerade einmal 2,82 Prozent, nachdem am 20. April bei 2,98 Prozent das jüngste Hoch erreicht wurde. Mehr als eine kurze Pause im Aufwärtstrend der US-Renditen, womöglich im Bereich zwischen 2,60 und 3,00 Prozent, ist vorerst nicht in Sicht. Danach könnte es dann zügig in Richtung 3,20 Prozent gehen, dem Hoch vom Herbst 2018.
Die jüngste Erholung an den Börsen kommt dabei keineswegs überraschend. An der amerikanischen Technologiebörse ist der Nasdaq-100-Index seit Anfang April in zwei typischen Abwärtsschüben bis auf 13.000 Punkte zurückgekommen; hier lag das mittelfristige Tief, das im Februar und im März erreicht worden war. Auch in der ersten Hälfte 2021 kam es hier zu mehreren Konsolidierungen. Dazu passen die jüngsten Unternehmenszahlen: vergleichsweise gut von Apple, nicht so gut von Amazon. So, wie sich die Renditen schubweise nach oben bewegen, haben die US-Aktienmärkte noch keinen tragfähigen Boden gebildet.
Fazit für den Dax: Nachdem der Aktienindex Ende März mit hoher Dynamik bis auf 14.800 gestiegen ist, läuft seitdem eine Abwärtskonsolidierung. Dabei konnte der Dax per Schlusskurs bisher die wichtige Untergrenze um 13.800 Punkten verteidigen. Von da aus ist eine Zwischenerholung möglich, die allerdings schon im Bereich um 14.300 auf Widerstand stößt. Von 39 Dax-Werten (Daimler Truck ist noch nicht lange genug an der Börse) notieren 33 unter ihrer 200-Tage-Linie. Damit ist die mittelfristige Tendenz weiter stabil nach unten gerichtet. Oberhalb der 200er-Linie notieren Allianz (Zinsgewinner), die Deutsche Börse AG (profitiert von Marktturbulenzen), RWE (ist voll unter Strom), Linde (hat langfristige Verträge und Wasserstoff), Bayer (Wendespekulation) und die Deutsche Telekom (stabiler Dividendenwert). In den USA dürfte die Neubewertung der großen Technologieaktien noch nicht abgeschlossen sein. Insgesamt sind damit im Dax weiter zwischenzeitliche Erholungen möglich, von einer nachhaltigen Wende aber sind die Aktienmärkte noch weit entfernt.
Lesen sie auch: Welche Aktien selbst bei wackeligen Börsen noch laufen