Riedls Dax-Radar
Die Spannung steigt: In diesen Wochen entscheidet sich, ob der Dax es schafft, seinen alten langfristigen Aufwärtstrend wieder aufzunehmen. Falls nicht, drohen neue Kursstürze. Quelle: dpa

Showdown um den großen Börsentrend

Niedrigere Zinsen und ein gebremster Euro stützen die Erholung der Aktien. Doch wenn der Dax jetzt nicht weit genug vorankommt, droht ein weiterer Kursabsturz.

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Die Zahlen zur Inflation haben sich wieder beruhigt. Hintergrund sind abklingende Rohstoffpreise. Öl hat sich nach seinem Ausflug bis auf 70 Dollar je Barrel Brent wieder um 65 Dollar eingependelt. Die Förderung außerhalb der Opec zieht an, vor allem die Produktion aus US-Schiefergestein. Allerdings, auch die Nachfrage ist angesichts des globalen Konjunkturaufschwungs robust. Gut möglich, dass die Ölnotierungen in den nächsten Wochen zunächst zwischen 60 und 70 Dollar ein neues Gleichgewicht suchen.

Bei den Industriemetallen zeigt sich ein ähnliches Bild. Kupfer und Aluminium, die wichtigsten Preiskurven, haben den dynamischen Aufwärtstrend der vergangenen Monate unterbrochen. Ein großer Rückgang indessen ist nicht zu erwarten. Dafür ist die Nachfrage zu stark – etwa aus der Elektroindustrie oder dem Flugzeugbau.

Trotz der Inflationsentspannung haben die Renditen für US-Anleihen nur leicht nachgegeben. Nachdem sie in zwei Monaten von 2,40 auf 2,95 Prozent gestiegen sind, liegen sie seit einigen Wochen bei gut 2,80 Prozent. Darin spiegelt sich die Erwartung wider, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen weiter anheben wird. Bei der aktuellen Entspannung auf der Zinsseite handelt es sich also eher um eine klassische Korrektur und nicht um eine Trendwende. Kurzfristig wäre noch Spielraum bis 2,6 Prozent. Spätestens im Sommer aber könnten dann die US-Renditen bei rund drei Prozent stehen.

Diese Aktien

An den europäischen Zinsmärkten sind die Renditen in den vergangenen Wochen deutlicher gesunken als in den USA. Bei den zehnjährigen Bundesanleihen ging es von 0,76 Prozent auf 0,57 Prozent nach unten. Hintergrund sind die wachsenden Unsicherheiten in Europa. Zwar stimmt in den meisten Ländern die Wachstumskurve der Wirtschaft, doch die Risiken werden sichtbarer: von realen Brexit-Problemen über die Schwäche Italiens und die nationalen Tendenzen in Osteuropa bis zum drohenden Handelskrieg mit den USA.

Der Euro macht eine Pause, aber keine Trendwende

Der Zinsvorteil für US-Anleihen, der aktuell fast 2,3 Prozentpunkte beträgt, hat sich zuletzt leicht vergrößert. Das ist neben den jüngsten politischen und wirtschaftlichen Problemen in Europa der Hauptgrund für den wieder leicht nachgebenden Euro. Diese Korrektur kann noch etwas dauern, doch die übergeordnete Bewegung des Euro zeigt nach oben.

Im Hinterkopf haben die Märkte, dass die Amtszeit von EZB-Chef Mario Draghi im Oktober 2019 endet und danach eine Notenbankleitung ans Ruder kommen könnte, die mit der Zinswende ernst macht. Immerhin ging die Fed hier erfolgreich voran; damit ist der Nachholbedarf in Europa groß. Langfristig lagen die Renditen in Amerika und Europa in der Regel viel enger beieinander als dies seit der extreme Geldpolitik der vergangenen fünf Jahre der Fall ist.

Für den Dax kamen die Entspannung auf der Zinsseite und die Konsolidierung des Euro gerade zur rechten Zeit: Nachdem der deutsche Aktienmarkt in sechs Wochen zwölf Prozent verloren hat, machten sich Untergangsängste breit. Direkt nach dem frustrierenden Ausgang der Italien-Wahl kam es sogar zu einem kleinen Ausverkauf. Der ging im Tagesverlauf bis 11.730 Punkte und schöpfte damit sein theoretisches Potenzial (bis in Richtung 11.000) nicht aus. Dennoch war der Montag, der 5. März, kurzfristig ein klassischer Wendetag mit sehr schwachem Beginn, vorsichtigem Wiederanstieg und starkem Schluss. Seit dem 5. März läuft die Erholung im Dax.

Für Anleger stellt sich nun eine entscheidende Frage: Ist die laufende Erholung stark genug, damit der Dax danach wieder seinen großen Aufwärtstrend aufnehmen kann – oder ist die Erholung zu schwach und womöglich nur ein Zwischenschritt hin zu einer großen Trendwende mit nachfolgender Baisse?

Technologiewerte sind die globale Stütze des Aktientrends

An der Spitze der Erholung stehen weltweit die großen Technologiewerte. In Amerika hat der Nasdaq-Index ein neues Hoch erreicht. Amazon, Intel, Microsoft oder Cisco, die mitten im Boom von Cloud und Big Data stehen, ziehen ungebrochen nach oben. Es wäre wenig sinnvoll, solche Power-Papiere mit einem verzagten Blick auf den Dax herzugeben.

Doch im Dow stecken auch angeschlagene Werte wie Coca-Cola, DowDuPont, Exxon, Procter & Gamble oder General Electric. Auch die US-Aktienmärkte sind, obwohl sie besonders von der Stärke der High-Techs profitieren, nicht unverwundbar.

In Deutschland zeigt sich die Stärke der Technologieaktien mehr in der guten Entwicklung des TecDax als im Dax selbst. Hier sieht unter den Technologieaktien Infineon am besten aus, kurzfristig könnte die Erholung die Notierungen wieder auf über 25 Euro steigen lassen. Infineon ist es in den vergangenen Jahren gelungen, seine Chip-Sparten ideal auf die großen Technologietrends Mobilität, Kommunikation und neue Energien auszurichten.

Der größte Technologiewert im Dax hingegen, SAP, kann derzeit die Margenerwartungen nicht erfüllen. Zudem ist SAP wegen hoher Firmenwerte in der Bilanz, die durch die Übernahmen der vergangenen Jahre entstanden sind, ein Hebel auf eine erfolgreiche Entwicklung: Mit hohem Potenzial, wenn die gekauften Unternehmen gut integriert werden – und mit hohem Risiko, wenn es hier zu Verzögerungen oder Enttäuschungen kommt.
Wieder interessant im Dax ist Continental. Keiner der großen Fahrzeugwerte ist so eng mit den Zukunftsthemen autonomes Fahren und Elektromobilität verbunden und verfügt gleichzeitig (mit den Reifen) über ein hochprofitables und aussichtsreiches Basisgeschäft. Nachdem die Aktie vorübergehend nachgegeben hat, könnte sie in einer allgemeinen Zwischenerholung mindestens noch einmal bis an das Hoch um 250 Euro klettern.

Auch einige Sonderentwicklungen im Dax dürften profitieren. Adidas wird vom jüngsten Rückkaufprogramm beflügelt und von einer starken operativen Entwicklung. Zudem wäre es nicht verwunderlich, wenn das Dauerproblem der US-Tochter Reebok bald gelöst wird – entweder durch radikale Sanierung oder Verkauf. Dass Sportartikelaktien – auch der große Rivale Nike – derzeit gut bezahlt werden, wäre dafür das passende Umfeld.

Eine besondere Entwicklung gibt es bei E.On und RWE. Für E.On liegt der Charme der jüngsten Rochade mit Innogy-Bestandteilen in der massiven Vergrößerung des lukrativen Netzgeschäfts und der zusätzlichen Ausrichtung auf Daten und Kommunikation. Beides könnte langfristig zu einer Neubewertung der Aktie führen. Bei RWE ist der Bruch nicht ganz so radikal, dafür ist die Aktie aber von einem wesentlich niedrigeren Börsenwert aus gestartet.

Für Daueranleger kommt die Münchener Rück infrage. Nach dem Desaster mit den Naturkatastrophen 2017 besteht in diesem Jahr die Chance auf eine deutliche operative Erholung. Die Prämieneinnahmen ziehen an, steigende Zinsen wären langfristig ein Vorteil, hohe Dividenden und Aktienrückkäufe sind ein Netz gegen Kursrückschläge.

Ausblick für den Dax: Gemessen an den Tagesschlusskursen hat der Dax vom 23. Januar bis 2. März in 28 Tagen 1646 Punkte verloren.  Das sind durchschnittlich 59 Punkte Verlust pro Tag. Nun läuft seit zehn Tagen die Erholung. Dabei hat der Dax bis zur Stunde 480 Punkte gut gemacht, rechnerisch 48 pro Tag. Die Erholung ist damit weniger dynamisch als der vorangegangene Einbruch. Doch der Unterschied ist nicht so dramatisch, dass man jetzt schon mit großer Wahrscheinlichkeit nach der aktuellen Erholung einen neuen Kursrutsch erwarten müsste.

Andererseits ist die Erholung bisher aber auch nicht stark genug, um die Verkaufssignale von Ende Februar und Anfang März zu neutralisieren. Dazu müsste der Dax über die 200-Tage-Linie (aktuell bei 12.714 Punkte) klettern und im Anschluss danach über die wichtige Widerstandszone bei 12.900. Sollte er im weiteren Verlauf der Erholung daran scheitern, wächst das Risiko eines neuen, scharfen Einbruchs. Geht es nach den durchschnittlichen Schwüngen im Dax, reicht das Zeitfenster der Erholung bis Mitte April.

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