Riedls Dax-Radar
Die Deutsche Bank kämpft seit Längerem mit schweren Problemen Quelle: AP

Signale für eine neue Finanzkrise verdichten sich

Italien, Strafzölle, Währungsschwankungen und ein gebeutelter Finanzsektor belasten die Börse. Die Kurse könnten bis in den Herbst noch stark unter Druck geraten. Anleger sollten sich für eine neue Krise rüsten.

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Zittern um Italien, den Euro und die Deutsche Bank – das war an dieser Stelle vor einer Woche die Überschrift. Diese Dramatik spitzt sich jetzt zu und wird die Märkte im Griff behalten. Die Probleme der Deutschen Bank, die zu einem Showdown der Kurse führte, sind dabei keineswegs neu. Es sind Folgen der Finanzkrise vor zehn Jahren, als das Institut glaubte, in Amerika die angelsächsischen Investmentbanker rechts überholen zu können. Unter den Folgen der Fehleinschätzungen mit Risiken von Hypotheken und verbrieften Papieren leidet das Institut bis heute. 

Von der US-Notenbank und der amerikanischen Einlagensicherung wird das US-Geschäft der deutschen Bank und die Deutsche Bank selbst als Problemfall eingestuft. Die Ratingagentur Standard & Poor’s setzt die Note auf BBB+ herab. Das ist noch Investmentgrade. Die Aussicht hat S&P sogar von negativ aus stabil heraufgesetzt. Das heißt: Während die bisherige Herabstufung schon vor Wochen angekündigt wurde, dürfte nach dem Vollzug der Herabstufung von dieser Seite erst einmal wieder Ruhe einkehren. 

Für die Deutsche Bank sind die schlechten Nachrichten deshalb nicht vom Tisch. Von neuen Kartellproblemen in Australien über Belastungen aus Stellenstreichungen bis hin zur Italienkrise wird die Deutsche Bank in den nächsten Monaten immer wieder im Mittelpunkt stehen. Dass sich der Aktienkurs in einem solchen Umfeld wesentlich erholt, ist wenig wahrscheinlich. 

Ein Damoklesschwert für die Kurse bleibt eine mögliche staatliche Rettung. Dass die Bundesregierung angesichts der kritischen Lage und der Bedeutung der Bank für den Fall der Fälle keinen Rettungsplan in der Schublade hat, ist undenkbar. Für Privatanleger, die heute Aktien der Deutschen Bank haben oder im Zuge einer Turnaround-Spekulation hier einsteigen wollen, ist das eine ambivalente Angelegenheit: Einerseits könnte ein staatlicher Einstieg im ersten Moment zu einem massiven Kursanstieg führen, weil es zunächst die massenhafte Eindeckung von Short-Spekulationen auslösen dürfte. Andererseits könnte es dann aber ähnlich laufen wie bei der Commerzbank, so dass alte Anteile durch neue Staatsanteile und daran anschließende Kapitalerhöhungen eine massive Verwässerung erfahren – also Wertverluste. 

Ein Katalog an Belastungen kommt auf die Börsen zu 

Fast alle Finanzaktien in Europa – zunächst die Banken, zunehmend auch die Versicherungen -  drehen nach unten ab. Im Dax erwischte es neben der Deutschen Bank und der Commerzbank nun auch die Allianz und die Münchener Rück; obwohl der operative Geschäftsverlauf beider Versicherungen nicht schlecht ist. 

Besonders anschaulich zeigt sich die Schwäche der Finanzaktien am europäischen Branchenindex Stoxx 600 Banken. Hier ist mittlerweile eine klassische Wende entstanden wie letztmals 2015/2016. Damals führte dies zu einem Kursrückgang von 30 Prozent in sechs Monaten. Überträgt man das auf die aktuelle Lage, ergäbe das bis weit in den Herbst hinein deutliche Kursrückgänge an europäischen Börsen.  

Die spannendsten Aktien im Dax

Auch andere Krisenindikatoren schlagen aus. Die Volatilitätsbarometer V-Stoxx und V-Dax haben das erhöhte Risikoniveau 15 bis 20 Prozent erreicht. Das signalisiert eine erhöhte Nervosität, die Aktienmärkte anfällig macht. 

Einen Schritt weiter ist der Bund-Future. Er hatte in den vergangenen zwei Wochen die stärkste Rally seit mehr als zwölf Monaten hingelegt. Bei den Zinsen kam es dementsprechend zu einem heftigen Rückschlag. Zehnjährige Bundesanleihen brachten zeitweise nur noch 0,25 Prozent. Derzeit pendeln die Renditen zwischen 0,3 und 0,4 Prozent. Extrem niedrige Zinsen sind ein Krisensignal, weil Erhöhungen der Leitzinsen durch die EZB angesichts der neuen Probleme auch in Zukunft unrealistisch erscheinen.

Währungen, südamerikanische Länder und Autoindustrie unter Druck

Heftig sind die Ausschläge an den Währungsmärkten. Bemerkenswert ist dabei eine Zweiteilung: Als sicher eingestuft werden derzeit Dollar, Yen und Schweizer Franken. Unter Druck stehen dagegen der Euro, die türkische Lira, und die Währungen der großen südamerikanischen Volkswirtschaften, Brasilianischer Real und Argentinischer Peso. 

Die Krise in Südamerika ist übrigens nicht weit von Europa entfernt. Spanien und Portugal haben hier intensive Wirtschaftsverflechtungen. Sollte zur aktuellen Zitterpartie um Italien eine abermalige Schwäche der beiden iberischen Länder kommen, wäre das eine weitere Hypothek für den Euro-Raum. Das Misstrauensvotum gegen Spaniens Ministerpräsidenten Rajoy verschlimmert die Lage.

Am wenigsten im Krisenmodus ist noch der klassische Indikator Gold. Hier pendeln die Notierungen seit zwei Wochen um 1300 Dollar. Den Rückschlag vom Mai hat Gold damit zum Teil ausgeglichen, angesichts der zugleich sinkenden Zinsen hätte das gelbe Metall aber stärker kommen müssen. Eine Systemkrise befürchten die Märkte offensichtlich noch nicht. 

In Italien spielt sich ein beispielloses Polit-Chaos ab. Wird die Übergangsregierung überhaupt ins Amt kommen, gibt es schon eine Neuwahl im Juli. Oder es kommt doch anders. Das verschreckt die Anleger.

Nochmal verschärft hat sich das schwierige Verhältnis zu den USA. Nachdem es Strafzölle auf Stahl und Aluminium gibt, sind von der EU deutliche Gegenmaßnahmen zu erwarten. Bemerkenswert und letztlich eine Chance für die Märkte ist dabei die Einigkeit, mit der sich auch Länder wie Großbritannien und Kanada gegen die USA stellen. Der EU gibt dies Rückendeckung. Dass China den Amerikanern entgegenkommt ist wenig verwunderlich, da die Chinesen im Handel mit den USA bisher ein besonders großes Ungleichgewicht hatten. 

Für die Börsen sind die neuen US-Zölle bisher noch keine große faktische Belastung. Sie sind aber ein Risiko, wenn es im Zuge weiterer Gegenmaßnahmen Kernprodukte des deutschen Außenhandels treffen sollte, also Autos oder Maschinen. 

In Italien wird es aller Voraussicht nach keine wirtschaftliche Lösung des Schuldenproblems geben. Dazu sind die Schulden zu hoch und die Wirtschaft zu schwach. Zudem ist absehbar, dass den politischen Akteuren des Landes andere Lösungen vorschweben, bei denen die Europäer letztlich einen Großteil der Schulden tragen dürften. 

SAP und Infineon allein werden den Dax nicht retten

Deutsche Bank am Abgrund, Schuldenkrise in Italien, Divergenzen im Euro-Raum, neue Hindernisse für den internationalen Handel, dazu heftige Schwankungen bei Währungen und Zinsen. Der Krisenmix, mit dem die Börsen fertig werden müssen, wird immer dichter.

Bisher hat der Dax zweimal das Niveau um 12.600 Punkte verteidigt. Aktuell ist er Freitag morgens wieder bei der 200-Tage-Linie angekommen, die bei 12.730 verläuft. Für eine dauerhafte Stabilisierung wäre es wichtig, dass der Dax auch in den nächsten Wochen das Niveau um 12.500 verteidigt. Sollte der Dax bis in den Sommer hinein etwa zwischen 12.400 und 13.000 schwanken, könnte das die Basis für einen neuen Anstieg im Herbst werden. Das wäre das positive Szenario. 

Immer mehr aber wächst die Gefahr eines negativen Szenarios. Von den 30 Dax-Aktien verläuft nur noch bei einem Drittel der aktuelle Kurs oberhalb der 200er-Linie; etwa bei Adidas, Beiersdorf oder der Deutschen Börse AG, die ohnehin meist eine eigenständige Entwicklung aufweisen. Stark bleiben die Technikwerte Infineon und SAP. Das aber wird nicht reichen, den Gesamtmarkt nach oben zu ziehen. 

Fazit: In den nächsten Wochen geht es darum, Risiken soweit wie möglich zu begrenzen. Lieber Pulver trocken halten und im Zweifel einen Gewinn versilbern, als mit vollem Depot im Markt bleiben. Die Schwäche zahlreicher Einzelwerte deutet daraufhin, dass der deutsche Aktienmarkt schwer angeschlagen ist. Ein Rückfall unter 12.500 Punkte wäre ein ernstes Warnsignal und könnte einen Rutsch bis auf 11.900/12.000 Punkte zufolge haben. Sollte dann sogar dieses Niveau nicht halten, wäre das ein Signal für eine längere Baisse.

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