Riedls Dax-Radar
Die Aktie der Deutschen Telekom zählt seit Jahren zu den Favoriten im Dax, vor allem auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hält sie sich an der Börse gut.

Starke Favoriten gegen schwache Börsen

Nach sechs Wochen akuter Kursverluste probt der Dax eine Zwischenerholung. Wer darauf setzt, kann sich auf wenige Favoriten konzentrieren. 

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An der deutschen Börse vollzieht sich eine bemerkenswerte Entwicklung. Liefen die Kurse noch bis vor wenigen Wochen, besonders in der ersten Phase des Ukrainekriegs, deutlich schlechter als die Börsen in den USA, hat sich dieses Verhältnis nun umgekehrt: Während Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq-Index zuletzt neue Tiefpunkte erreichten, kann sich der Dax eine Stufe weiter oben behaupten. Ein Grund dafür ist die geringere Bedeutung, die Technologieaktien im Dax haben. Zudem gibt es gerade unter den schwergewichtigen Titeln einige Papiere, die in der aktuellen Zitterpartie eine vielversprechende Entwicklung zeigen. 

Deutsche Telekom: Defensivklassiker mit Aussicht auf Kaufsignal

Dazu gehört zuallererst die Deutsche Telekom. Sie ist seit Jahren der wichtigste Defensivwert im Dax, der vor allem in konjunkturell schwierigen Zeiten vergleichsweise gute Ergebnisse liefert; auch jetzt wieder. Im ersten Quartal kletterte der Umsatz um 6,2 Prozent auf 28 Milliarden Euro. Der Nettogewinn, bereinigt um Unternehmensverkäufe, erhöhte sich um 86 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro. Besonders gut läuft es beim Ableger T-Mobile US. Hier baut die Telekom ihren Anteil weiter aus und dürfte in Kürze die Mehrheit haben. Ebenfalls stark ist die Servicesparte und das Neukundengeschäft. Nachholbedarf hat weiterhin das Großkundengeschäft T-Systems. Die Nettoschulden sind zwar mit 136 Milliarden Euro enorm, dennoch konnte die Eigenkapitalquote von 28,3 Prozent auf 30 Prozent zulegen. Mittelfristig, vor allem in einer Zeit steigender Zinsen, sollte die Telekom einiges daran setzten, ihre hohe Verschuldung zu reduzieren. Der Verkauf des Funkturmgeschäfts, der nun eingeleitet wurde, wäre dazu ein wichtiger Schritt. 

Unterm Strich sollte die Telekom in diesem Jahr kein Problem haben, den von Banken erwarteten Nettogewinn von knapp fünf Milliarden Euro zu erreichen. Dank reichlichem Cashflow kann dann auch die Dividende wieder steigen. Die Aktie gehört zu den wenigen Titeln im Dax, die sich seit Wochen oberhalb der 200-Tagelinie halten kann. Kurzfristig wäre ein nachhaltiger Anstieg über das Niveau um 17,70 Euro ein Kaufsignal. Mittelfristiges Ziel könnten dann 19 Euro sein.

Allianz: Hoffnung auf ein Ende des US-Fondsdebakels

Ebenfalls vergleichsweise stabil, von der kurzfristigen Dynamik aber nicht so stark wie die Telekom, ist die Allianz. Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, da die Allianz gerade mit einer eigenen, milliardenschweren Belastung zu kämpfen hat. In der Coronakrise haben strukturierte Fonds der Allianz schwere Verluste eingefahren, obwohl sie als krisenresistent galten. Amerikanische Großanleger, die damit mehrere Milliarden verloren hatten, klagten dagegen. Nach längerem Zögern und Eingreifen der mächtigen Aufsichtsbehörde SEC und des amerikanischen Justizministeriums lenkte die Allianz ein. 

Nun hat sie für Vergleiche insgesamt 5,6 Milliarden Euro zurückgestellt. Das ist fast soviel, wie die 6,3 Milliarden Dollar, auf die sie von US-Großinvestoren verklagt wurde. Auch wenn die letzte Einigung mit den US-Behörden noch nicht erreicht ist, die Gespräche dafür seien, so die Allianz, fortgeschritten. Insgesamt dürften durch die Rückstellungen die finanziellen Belastungen des US-Problems zu einem wesentlichen Teil verarbeitet sein. 

Die gute operative Entwicklung der Allianz kann sich nun umso mehr im Kurs bemerkbar machen. Im Schaden- und Unfallgeschäft steigen Preise und Volumen. Wenn sich dann die zuletzt hohen Belastungen aus Naturkatastrophen wieder normalisieren, sollten auch die Gewinne zulegen. In der Kranken- und Lebensparte ziehen die Margen an. Und in der Vermögensverwaltung sind zwar die Gelder für Dritte vor allem wegen der Entwicklung an den Märkten etwas zurückgegangen, der operative Gewinn aber zieht an. 

Insgesamt dürfte die Allianz damit 2022 trotz riesiger Rückstellungen gut abschneiden und ihre Dividende abermals erhöhen. Günstig bewertet ist die Aktie ohnehin. In unsicheren Börsenzeiten wie diesen ist die Allianz ein Basisinvestment. Unter 180 Euro sollte die Aktie in einer eventuellen Schwächephase des Marktes aber nicht mehr rutschen. 

Siemens: Starke Aufträge stützen die Erholung

Seit Januar sind Siemens-Aktien mit dem Dax auf dem Weg nach unten, sollten sich nun aber wieder stabilisieren. Wegen des Ukrainekriegs zieht sich Siemens nun nach 170 Jahren komplett aus Russland zurück. Das macht sich in den aktuellen Zahlen bemerkbar, der Nettogewinn im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (bis September 2022) halbiert sich auf 1,2 Milliarden Euro. Besonders in der Automatisierung bekommt Siemens Lieferengpässe bei elektronischen Bauteilen zu spüren. Eine Dauerbaustelle bleibt Ableger Siemens Energy. Probleme in Spanien und Ausfälle wegen des Ukrainekriegs dürften in diesem Jahr hier netto wieder zu Verlusten führen. 

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Für den Gesamtkonzern Siemens sind die Aussichten für die nächsten Monate keineswegs trübe. Der Umsatz konnte schon bisher im abgelaufenen Quartal um 16 Prozent auf 17 Milliarden Euro zulegen. Die Neuaufträge nahmen um ein Drittel zu auf 21 Milliarden Euro. Das gesamte Auftragspolster erreicht mit 94 Milliarden Euro einen Rekordwert. Ein Anstieg des Nettogewinns um etwa ein Zehntel auf rund sieben Milliarden Euro sollte in der laufenden Geschäftsperiode damit möglich sein. Die 13-fache Gewinnbewertung, die sich dabei für dieses Jahr ergibt, ist für einen techniknahen Industriekonzern durchaus günstig. Sie sollte dazu beitragen, dass Siemens-Aktien in der Spanne zwischen 100 bis 120 Euro wieder Tritt fassen und langfristig die alten Höhen um 155 Euro ansteuern.

Infineon: Halbleiter für Antizykliker 

Chiphersteller Infineon steht vor einem Rekordjahr. Trotz Ukrainekrieg, Lockdown in China und weltweiter Konjunkturabschwächung ist die Nachfrage nach Halbleitern so groß, dass es in diesem Jahr (bis 30. September) wahrscheinlich 13,5 Milliarden Euro Umsatz werden und 1,9 bis 2,0 Milliarden Euro Nettogewinn. Die großen Trends Digitalisierung, Automatisierung, Elektromobilität und Umstellung auf neue Energien halten die Nachfrage auf hohem Niveau. Die Auftragslage ist so gut, dass Infineon auf mehrere Quartale hinaus voll ausgelastet ist. Die Margen sind stabil. 

Eine operative Schwäche ist bei Infineon derzeit nicht zu erkennen. Natürlich ist die Chipbranche besonders schwankungsreich – und genau das erwarten die Märkte, wenn sie Aktien wie Infineon unter Druck setzen. Allerdings legen die guten Geschäftsaussichten nahe, dass es sich dabei um eine Korrektur der vorher hochgelaufenen Bewertung handelt. Gut möglich, dass Infineon-Aktien im Zuge der Abkühlung der Hightech-Werte noch etwas nachgeben. Sollte sich die Aktien dann auf einer angemessenen 15-fachen Gewinnbewertung einpendeln, ergäbe das Kurse zwischen 22 und 23 Euro. Spätestens auf diesem Niveau dürften antizyklische Käufer wieder kommen. 

Fazit für den Dax: Die schwache Tendenz an den US-Börsen hat den Dax zwischenzeitlich unter 13.800 gedrückt; die robuste Entwicklung von Aktien wie der Telekom oder der Allianz half dann bei der Stabilisierung. Kurzfristig kommt Entspannung von den US-Bondmärkten, auf denen sich die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen nach ihrer Rally bis auf 3,20 Prozent etwas beruhigt haben. Allerdings, eine neue Abwärtstendenz bei den Zinsen ist angesichts der Inflationsentwicklung, der hohen Ölnotierungen und der bevorstehenden weiteren Zinserhöhungen der Notenbanken nicht in Sicht. Allenfalls dürfte es im Bereich 2,70 bis 3,20 Prozent zu einer mehrwöchigen Schaukelpartie kommen. 

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In diesem Zeitfenster könnte der Dax durchaus noch etwas zulegen. Nach sechs Wochen Kursrückgang seit dem Hoch um 14.800 Ende März wird eine Zwischenerholung ohnehin wahrscheinlicher. Erstes Ziel wäre der mittelfristige Abwärtstrend um 14.200 Punkte, dann die große Widerstandszone 14.800 bis 15.000 Punkte. Hier träfe der Dax in einigen Wochen zudem auf die 200-Tagelinie. 

Angesichts der hohen Abwärtsdynamik an den Weltbörsen und der Tatsache, dass nun selbst Hightech-Ikonen wie Apple unter Druck geraten, dürfte damit die große Neubewertungsphase an den Börsen aber noch nicht beendet sein. Mehr als selektive Käufe kommen derzeit aus Sicherheitsgründen noch nicht infrage. 

Lesen Sie auch, welche von 2300 untersuchten börsennotierten Unternehmen Anlegern die höchste Rendite eingebracht haben – und welche Papiere jetzt kaufenswert sind – in der WiWo-Titelgeschichte „Die besten Aktien der Welt“. Oder lesen sie das WiWo-Dossier dazu mit einem Vergleich der besten Aktien aus mehr als 30 Branchen.

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