Riedls Dax-Radar
Quelle: imago images

Starke Zahlen sprechen gegen einen neuen Corona-Crash

Mit neuen Lockdown-Maßnahmen steuern immer mehr Länder in die zweite, akute Phase der Viruskrise. Doch im Unterschied zum Frühjahr haben die meisten Unternehmen gelernt, mit Corona zu leben. Für die weitere Börsenentwicklung ist das ein gutes Signal.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mit 40 Milliarden Euro Umsatz und zwei Milliarden Euro Nettogewinn im dritten Quartal liefert Daimler Dax-Aktionären genau das, was sie derzeit gut gebrauchen können: Belegbare Fakten dafür, dass die großen Unternehmen des Landes trotz Corona gutes Geld verdienen. Mehr noch: Daimler ist nach den heftigen Verkaufsrückgängen des ersten Halbjahres nicht nur im Autogeschäft wieder in der Spur; die konjunkturelle Erholung bringt auch die Nutzfahrzeugsparte wieder in Gang – zuallererst die Lieferwagen, die in Zeiten des Onlinebooms besonders gefragt sind. 

Daimler ist nicht allein. BMW erzielte im Sommer im Autogeschäft einen Geldzufluss von drei Milliarden Euro. Der Verkauf von Autos der Kernmarke stieg um zehn Prozent, in China kletterte der Absatz sogar um ein Drittel. Die Erholung in China ist besonders wichtig, da das Land mittlerweile eine Richtungsfunktion für die Weltwirtschaft hat und der entscheidende Zukunftsmarkt für die deutschen Autobauer ist.

Enttäuschend sieht dagegen die Entwicklung bei Continental aus, hier entstanden im dritten Quartal rote Zahlen. Dennoch, auch bei den Hannoveranern zieht das operative Geschäft an. Ins Minus gedrückt wird Conti durch Abschreibungen und Konzernumbaukosten in Höhe von insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Hier zeigt sich wieder einmal, wie gefährlich besonders Firmenwerte von übernommenen Unternehmen (Goodwill) werden können. Allein 649 Millionen Euro muss Conti hier nun abschreiben. 

von Frank Doll, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger

Entsprechend unterschiedlich sehen die Aktienentwicklungen aus: Daimler ist schon vor Wochen über das wichtige Niveau von 40 Euro gestiegen und dürfte mittelfristig das Niveau zwischen 52 und 55 Euro anpeilen. BMW gelang der entscheidende Anstieg über 60 Euro, nun liegen die Ziele für die nächsten Monate bei etwa 75 Euro.

Continental dagegen ist bisher an der 100er-Marke gescheitert. Allerdings hat der Kurs auf den aktuellen Milliardenrückschlag nur noch wenig reagiert. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt die negativen Nachrichten weitgehend verarbeitet hat. Kurzfristig könnte die Aktie noch etwas auf der Stelle treten, spätestens bei 90 Euro sollten vermehrt wieder antizyklische Käufer kommen. 

Weiteres Comeback trotz Corona 

Die Erholung im operativen Geschäft der Fahrzeugbranche ist ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft selbst bei fortgeschrittenen Lockdown-Maßnahmen nicht mehr so heftig abstürzt wie im Frühjahr. Die Gründe dafür sind nicht nur die auf absehbare Zeit sehr expansive Politik der Notenbanken, sondern auch die Fortschritte in den Unternehmen selbst, die zunehmend gelernt haben, mit Corona als Dauerkrise zu leben. Selbst wenn die Wirtschaft bei ihrer Erholung, wie etwa im jüngsten Konjunkturbericht der amerikanischen Fed, dem Beige Book, festgestellt wurde, nur leicht bis mäßig vorankommt, ist ein Aktiencrash wie im Frühjahr damit ziemlich unwahrscheinlich.

Auf weitere Kurskorrekturen müssen sich Anleger gleichwohl einstellen. Die Angst vor einem erneuten Lockdown drückte den Dax zuletzt im Tagesverlauf zeitweise unter die Marke von 12.500 Punkten. Gemessen am wichtigeren Tagesschlusskurs hat dieses Niveau aber bisher gehalten. Bei 12.500 Punkten liegt (gemessen am Tagesschluss) die Untergrenze der Dax-Schwankungen seit Juli. Noch etwas tiefer, aktuell bei 12.142 Zählern, verläuft die 200-Tagelinie. Beide bilden derzeit die wichtigsten Auffangzonen für den deutschen Aktienmarkt. 


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Rettung könnte wieder einmal von den US-Börsen kommen. Hier zeigen die zentralen Barometer einen wesentlich robusteren Verlauf als in Europa. Der Dow Jones hat sich souverän über 28.000 Punkten stabilisiert, der Nasdaq-100-Index ist ein gutes Stück von seiner wichtigen Untergrenze bei 11.100 bis 11.200 Punkten entfernt. Beides spricht dafür, dass sich auch der Dax trotz zwischenzeitlicher Schwächeanfälle weiter behauptet. 

Politische Investments nach der Wahlentscheidung 

Erstaunlich wenig Spuren an den Börsen hinterlässt die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl. In den Umfragen liegt derzeit Joe Biden vorne. Die zuletzt gute Entwicklung von Aktien aus der Branche erneuerbare Energien, die von einem Wahlsieg der Demokraten profitieren würden, und der wieder schwächere Dollar legen dies ebenfalls nahe. Allerdings hat gerade der überraschende Sieg von Donald Trump vor vier Jahren gezeigt, wie unsicher solche Prognosen sein können. Die Positionierung an der Börse dürfte deshalb erst dann einsetzen, wenn feststeht, wer nächster Präsident wird und welche Machtpositionen dazu Demokraten und Republikaner jeweils erreichen. 

Fazit für den Aktienmarkt: Bisher hat der Dax den wichtigen Kursbereich zwischen 12.200 und 12.500 Punkten verteidigt. Dazu beigetragen haben vor allem die konjunkturellen Schwergewichte Daimler, Siemens und BMW. Bei den High-Tech-Favoriten Infineon und SAP läuft eine kurzfristige Korrektur nach den zuvor erreichten Kursgewinnen; die Konsumchemiker Henkel und Beiersdorf profitieren von der lebhaften Nachfrage nach Pflege- und Reinigungsmitteln, bei der Deutschen Post nimmt die starke Kursentwicklung ein gutes Weihnachtsgeschäft vorweg, Vonovia und Deutsche Wohnen behaupten sich wegen ungebrochenem Bedarf an Wohnraum (zunehmend auch fürs Home-Office) auf hohem Niveau. Selbst die Deutsche Bank hat sich nach einem kurzen Absacker unter sieben Euro wieder gefangen und zählt nun schon seit fünf Monaten zu den stabilen Werten hierzulande. Der jahrelange Kampf um die große Bodenbildung des Kurses (zwischen fünf und zehn Euro) geht in eine neue, hoffnungsvolle Phase. 

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Dax-Aktien, die merklich angeschlagen sind: Fresenius, FMC und Allianz, die als Coronaverlierer eingestuft werden, aktuell auch die klassischen Defensivaktien Deutsche Börse und Deutsche Telekom, sowie der Dauerverlierer Bayer, der auf ein neues Neunjahrestief gestürzt ist. Bei 19 der 30 Dax-Werte verlaufen die aktuellen Kurse derzeit oberhalb der 200-Tage-Linie. Das ist ein Übergewicht der Haussiers von 63 zu 37 Prozent. Angesichts der Ängste um Corona und der Skepsis vieler Anleger ist das ein gutes Omen für die nächsten Monate. 

Mehr zum Thema: Während die Weltwirtschaft schrumpft, geht es mit den Vermögen weiter nach oben. Wie kann das sein?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%