Riedls Dax-Radar
Quelle: dpa Picture-Alliance

Stimmungsdämpfer an der Börse – vorbei ist die Party aber noch nicht

Erneute Corona-Ängste drücken den Dax unter die vor kurzem erreichte Marke von 14.000 Punkten. Die Stimulierungen, die nun vor allem aus den USA kommen, und die wieder zunehmende Stärke der Technologieaktien dürfte die Aktienmärkte aber vor größeren Rückschlägen bewahren.

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Als bekannt wurde, dass Janet Yellen neue amerikanische Finanzministerin wird, wurde das an der Börse zunächst mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Immerhin war es Janet Yellen, die in ihrer Zeit als Notenbankchefin die Zinsen nach einer längeren Zeitspanne des Rückgangs erstmals wieder erhöht hatte – und das gleich mehrmals hintereinander. Sollte der konsequenten Notenbankerin nun die sparsame Finanzministerin folgen? 

Danach sieht es derzeit nicht aus. Es sei wichtiger, die Wirtschaft angesichts der aktuellen Belastungen kräftig anzukurbeln als Schulden zu begrenzen, so ihr jüngstes Bekenntnis. Für Börsianer bedeutet das zunächst Entwarnung. Selbst wenn zugleich höhere Steuern für überdurchschnittliche Einkommen geplant sind, werden die nächsten Wochen und Monate vor allem im Zeichen der finanziellen und programmatischen Stimulierung stehen und weniger in der Begrenzung überbordender Marktmacht. 

An der Börse quittieren das nun auch die großen Technologiewerte wieder positiv. Sie standen in den vergangenen Wochen unter dem Druck drohender Regulierungen. Dass sich die Biden-Regierung nun zunächst auf das Thema Wirtschaftserholung konzentriert, schürt die Hoffnung, dass die Regulierung der Plattformkonzerne weiter hintenan gestellt wird und letztlich nicht so heftig ausfallen könnte wie befürchtet. 

Aktien von Amazon, Alphabet, Facebook und Microsoft ziehen seit einigen Tagen wieder deutlich an und haben dem Technologieindex Nasdaq zu einem neuen Hoch verholfen. Bei derzeit 13.350 Punkten verläuft der Nasdaq 100 oberhalb seiner vorangegangener Hochspitzen, am oberen Rand seines mehrmonatigen Aufwärtstrends und deutlich über seiner dynamisch steigenden 200-Tage-Linie. Das ist ein intakter, klassischer Aufwärtstrend. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich in den nächsten Wochen weiter fortsetzt, ist deutlich größer als die Gefahr eines kurzfristiger Einbruchs. 

Infineon top, Siemens stark, SAP mit Chancen

Auch im Dax sehen die führenden Technologieaktien gut aus. Selbst die im vergangenen Jahr schlimm abgestürzte SAP berappelt sich. Auslöser dafür könnte ein erfolgreicher Börsengang der amerikanischen Tochter Qualtrics werden. SAP hatten den Spezialisten fürs Datensammeln vor gut zwei Jahren für acht Milliarden Dollar gekauft. Ein hoher Preis für ein Unternehmen, das wahrscheinlich erst in diesem Jahr an die Umsatzmilliarde kommt und das bisher Verluste eingefahren hat. Dennoch, wenn SAP die nun geplanten Preise von bis zu 26 Dollar pro Aktie beim Börsengang erzielen kann, wird es erst einmal einen Erlös von rund 1,5 Milliarden Dollar geben. 

Zudem wird Qualtrics dann eine Marktkapitalisierung von gut 13 Milliarden Dollar erreichen. Da SAP erst einmal mit 84 Prozent an Bord bleibt, wäre dies allein ein Paket von etwa 11 Milliarden Dollar. Zudem wird SAP durch die zehnfachen Stimmrechte seiner Aktien selbst dann das letzte Wort behalten, wenn weitere Anteile verkauft werden. Insgesamt also ein cleverer Deal, mit dem SAP zum einen die besondere Stellung von Qualtrics innerhalb des SAP-Verbundes berücksichtigt und andererseits echte Wertschöpfung betreibt. 

Auch für SAP selbst war nach den bisher vorliegenden Eckdaten das vergangene Jahr keineswegs so düster, wie es an der Börse nach der Prognosekürzung vom Herbst eingeschätzt wurde. Das klassische Geschäft mit Softwarelizenzen schrumpft wie geplant, doch das Cloud-Geschäft legt weiter zweistellig zu. Zentrale strategische Aufgabe von SAP bleibt, die in den vergangenen Jahren zugekauften Unternehmen in einem umfassenden Angebot für Kunden zu integrieren.

Für Anleger sollte weiter gelten: Bei Schwäche unter 100 Euro ist die Aktie ein Kauf, darüber besteht die Chance auf weiteren Zugewinn. Und sollte SAP wider erwarten abermals enttäuschen, kann man um 90 Euro eine Verlustbegrenzung platzieren. 

Einen starken Lauf hat Siemens. Die vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal des Geschäftsjahres 2021 (das bis Ende September geht) sind besser als erwartet. Vor allem die digitalen Sparten legen deutlich zu. Am 3. Februar, zur Hauptversammlung, könnte es eine Anhebung der Geschäftsprognose geben. Das wichtige Kursniveau um 120 Euro hat die Aktie mittlerweile überwunden. Nächstes Ziel ist das 2017er-Hoch um 133 Euro. 

Infineon hat mit Kursen bis zu 36 Euro ein neues Hoch erreicht – wenn man von den extremen Kursen zur Jahrtausendwende absieht. Besonders beflügeln die positiven Daten aus der weltweiten Chipbranche, die derzeit veröffentlicht werden. Dass sich daran angesichts der umfassenden Digitalisierung, des Aufschwungs der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Kurzfristige Reaktionen sind angesichts der weit gelaufenen Kurse dennoch möglich. Infineon-Aktien könnten zunächst bis auf 33 Euro nachgeben und mittelfristig sogar bis in den Bereich um 30 Euro verlieren, an der großen Aufwärtsbewegung würde dies aber nichts ändern. 

Fazit für die Aktienmärkte: Nachdem der Dax im Januar mehrmals kurz die Marke von 14.000 Punkten überschritten hatte, kann er aktuell dieses Niveau nicht halten. Stimmungsdämpfer sind vor allem die Ängste vor einem erneuten Wirtschaftsabschwung wegen erweiterter, harter Coronamaßnahmen. Allerdings, die jüngsten, positiven ZEW-Erwartungen sprechen eher dafür, dass solche Ängste übertrieben sind. Unterm Strich führt die Pandemie gerade bei Megatrends wie Digitalisierung und Industrie 4.0 eher zu einer Beschleunigung als zu einem Abbruch. 

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Die jüngsten Rücksetzer im Dax könnten sich kurzfristig in den Bereich bis 13.500 ausdehnen, mittelfristig wäre sogar ein Rückgang in die Zone um 13.000 möglich. Am großen Aufwärtstrend sollte das nichts ändern. Im Gegenteil: Da um 13.000 zahlreiche, wichtige Marktmarkierungen verlaufen (und in einigen Wochen aller Voraussicht nach auch die 200-Tagelinie) dürften nach einer eventuellen Marktkorrektur spätestens in diesem Bereich die Käufer wiederkommen. 

Mehr zum Thema: Billige Smartphone-Broker und Langeweile im Lockdown treiben Millionen an die Börse. Sie zocken, was das Zeug hält – und treiben die Kurse. Aber nicht alle der „Generation Aktie“ wissen, was sie da tun. 

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