An den Aktienmärkten hat die Nervosität zuletzt zugenommen. Der Dax konnte die kurzfristige Unterstützung bei 10.600 Punkten nicht mehr halten; die nächste, entscheidende Auffangzone liegt nun bei 10.250. Hier zieht die steigende 200-Tage-Linie nach oben.
Die Kräfte, die derzeit auf den Dax einwirken, sind unterschiedlich. Die Unsicherheiten wegen Italien sind negativ – vor allem, da 360 Milliarden Euro an problematischen Krediten bei italienischen Banken mit keinem Abstimmungsergebnis aus der Welt geschafft werden können. Andererseits wäre ein weiterer Rückgang des Euro zunächst sogar ein Vorteil für die großen Exporteure im Dax. Diesen Effekt gab es nach dem Brexit-Schock, als britische Export-Aktien haussierten.
Mehr noch: Ob sich dann die Angst vor einem weiteren Verfall der EU wirklich negativ auf den deutschen Aktienmarkt auswirkt, wird zweifelhaft. Die Auflösungserscheinungen der EU gibt es ja nicht erst seit ein paar Tagen – und dennoch haben sich europäische und deutsche Aktien in den vergangenen Jahren nicht schlecht entwickelt.
Dass sie seit einiger Zeit nicht ganz so gut wie US-Papiere laufen, hat auch mit der Zusammensetzung der europäischen Indizes zu tun, in denen die europäischen Krisenbranchen besonders stark vertreten sind, vor allem Banken und Versorger. Im Gegensatz zu den Europäern haben es die Amerikaner geschafft, ihre Banken zu sanieren. Mit der Trump-Hoffnung auf Deregulierung haben Goldman & Co. nun sogar wieder die Hausse-Richtung eingeschlagen.
Immerhin, die gute Verfassung der US-Märkte sollte wesentlich dazu beitragen, dass die europäischen Märkte nicht abstürzen. Fundamental ist die Bewertung im Dax und im Euro Stoxx nicht überzogen, die Dividendenrendite liegt um Welten über der Anleihenrendite, und die Gewinnaussichten großer Indexkonzerne sind nicht schlecht.
Diese robuste Mischung liegt derzeit vor allem bei den schweren Aktien im Dax vor: Bei Siemens, BASF, Allianz oder SAP. Für den Gesamtmarkt ist das eine wichtige Stütze, die hilft, nach kurzfristigen Turbulenzen (etwa nach einem negativen Votum in Italien) wieder zur Tagesordnung überzugehen. Und die dürfte ohnehin bald von den Hoffnungen und Ängsten im Vorfeld einer möglichen US-Zinserhöhung am 14. Dezember geprägt sein.
Fazit: Politische Richtungsentscheidungen wirken sich derzeit viel direkter an den Währungsmärkten aus als in den Aktienindizes. Wenn der Euro weiter abrutscht, muss das den Dax nicht nach unten ziehen. Die passable Gewinnentwicklung und die stabile Verfassung der führenden Aktien sprechen dafür, dass der Dax auch nach möglichen kurzfristigen Turbulenzen das wichtige Niveau 10.000 bis 10.200 in den nächsten Wochen verteidigen kann. Und wer weiß, sollte der Ausgang in Italien nicht so desaströs ausfallen wie befürchtet, ist auf dieser Basis sogar noch eine kleine Jahresendrally möglich.