Riedls Dax-Radar
Die neue Aufwärtsdynamik der weltweit führenden Technologieunternehmen und die Widerstandsfähigkeit klassischer Branchen helfen dem deutschen Markt. Quelle: Getty Images

Überflieger Nvidia hilft auch dem Dax

Der Boom um künstliche Intelligenz und die Lösung im US-Schuldenstreit stützen die Aktienmärkte. Wenn nun auch noch die Notenbanken mitspielen, könnte der Dax bis in den Sommer hinein in neue Höhen vorstoßen. Eine Kolumne.

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Die Entspannung im amerikanischen Schuldenstreit ist ein wichtiger Baustein für den Erhalt der Aufwärtsbewegung an den Weltbörsen. Zwar ist das Grundproblem dabei, die enorm hohe Verschuldung der USA, nicht gelöst. Doch die akuten Auswirkungen eines Zahlungsausfalls sind erst einmal abgewendet.

Und auch wenn die Frage der amerikanischen Schuldenobergrenze dieses Mal ziemlich knapp und kritisch gewesen ist (was sich besonders an hohen Ausfallprämien für US-Staatsanleihen zeigte), war es letztlich wieder vor allem ein Kräftemessen auf politischer Bühne. Stellt man den Kursverlauf des amerikanischen Aktienbarometers Dow Jones dagegen, so kam es hier zu einer völlig unspektakulären Entwicklung: von Mitte März bis Mitte April hat der Aktienmarkt gerade einmal die Hälfte seiner erreichten Gewinne wieder abgegeben; eine typische Aktienmarktkorrektur, in der sich der Schuldenstreit nur als Episode erweist. 

Star an den internationalen Aktienmärkten aber ist längst wieder ein anderer: Der amerikanische Nasdaq-Index, sowohl in Form seiner führenden 100 Werte also auch in der marktbreiteren Composite-Version. Seit seinem jüngsten Tief bei 10.679 Punkten zum Jahresende 2022 hat das Technologiebarometer Nasdaq 100 nun 35 Prozent gut gemacht. 

Jüngster Treibsatz sind die Chipaktien, allen voran Branchenikone Nvidia, die vor allem durch die Begeisterung um künstliche Intelligenz angefeuert werden. Nach einem klassischen Doppelboden von Oktober bis Januar gab der Nasdaq-Markt Anfang Februar ein Kaufsignal, kam im März in Form eines Pullbacks noch einmal zurück – und zieht derzeit dynamisch nach oben. Auch wenn der Abstand zur Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage, die derzeit bei 12.149 Punkten verläuft, fast 20 Prozent beträgt und dies gern als Überhitzung des Marktes interpretiert wird, gibt es noch keine Anzeichen für ein neues Abdrehen der Börsen nach unten. 

Der Anstieg ist untermauert. Oft wird darauf hingewiesen, dass der Trend nur von einer kleinen Anzahl von Aktien getragen werde. Allerdings, die operativen Geschäfte dieser Unternehmen, deren Aktien derzeit so stark nach oben drängen, repräsentieren auch einen großen Teil des echten Marktes. Die Stärke der Aktien entspricht damit der operativen Dynamik dieser Marktführer.

Nvidias-Chef Jensen Huang hat dank dem Hype um Künstliche Intelligenz seinen „iPhone-Moment“. Nvidias Aktie ist satter bewertet als einst die von Tesla. Doch Google und andere schwingen sich zu Konkurrenten auf.
von Matthias Hohensee

Das zeigt sich ganz besonders an Nvidia. Keines der weltweiten Chipunternehmen kann bei Hochleistungshalbleitern und entsprechenden Bauteilen für den Megamarkt künstliche Intelligenz dem kalifornischen Marktführer das Wasser reichen. Und das ist nicht erst seit einigen Wochen so, sondern schon seit vielen Jahren. Um mehr als 10.000 Prozent sind Nvidia-Aktien deshalb in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Auch wenn die Aktie ungewöhnlich hoch bewertet ist und deshalb früher oder später eine Korrektur absolvieren dürfte, ändert das nichts an der fundamentalen Aufwärtsbewegung der technischen Flaggschiffe. Und das gilt genauso für Apple, Microsoft oder Alphabet und die nun ebenfalls wieder nach oben drehenden Aktien Amazon, Meta Platforms oder Adobe

Breite Basis für weitere Dax-Gewinne 

Die Renaissance der Technologiewerte gibt auch im Dax zahlreichen Aktien Rückenwind. Chiphersteller Infineon, ungleich günstiger als Nvidia und mit Halbleitern für Elektromobilität, neue Energien und Sicherheit ebenfalls gut in Trendmärkten positioniert, steht bei Notierungen von knapp 36 Euro vor einem neuen Kaufsignal in dem seit Herbst vergangenen Jahres bestehenden Aufwärtstrend. 

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SAP hat sich bei Notierungen zwischen 120 und 125 Euro oberhalb des seit 2020 laufenden Abwärtstrends gehalten. Beflügelt werden die Walldorfer von ihrem dynamischen Cloudgeschäft, dazu kommt eine gute allgemeine Marktverfassung, die sich auch in der starken Entwicklung des Konkurrenten Oracle zeigt. Siemens verläuft oberhalb 150 Euro nahe am Allzeithoch, profitiert von der Nachfrage seiner digitalen Geschäfte und der wachsenden Bedeutung, die hier künstliche Intelligenz mittlerweile hat. 

Im Gegensatz zum amerikanischen Technologiemarkt ist im Dax die Anzahl der aufwärtsgerichteten Aktien größer. Bei 24 von 39 Dax-Werten verlaufen die aktuellen Notierungen oberhalb der 200-Tagelinie. Das sind 61 Prozent; keine überschäumende Hausse, aber doch ein substanziell aufwärtsgerichteter Trend. 

Besonders stark sehen derzeit neben den Technologietiteln die Münchener und die Hannover Rück aus. Beide werden von der steigenden Nachfrage nach Absicherung und erhöhten Prämien angetrieben, wie sie sich derzeit in den Vertragserneuerungsrunden zeigen. Airbus profitiert vom Comeback der Flugindustrie nach dem Coronatief und der fundamentalen Aufwertung der Rüstungsindustrie. MTU Aero Engines hängt hier kurzfristig etwas hinterher, sollte aber im Bereich 210 bis 215 Euro wieder interessant werden. 

Ein gemischtes Bild ergibt die im Dax stark vertretene Autobranche. Während BMW und Mercedes-Benz in einer typischen Aufwärtsbewegung verlaufen, die operativen Geschäfte gut vorankommen und die Aktien günstig bewertet sind, verharrt Volkswagen seit zwei Jahren in einem hartnäckigen Abwärtstrend. Bei Kursen um 115 Euro rücken die zweistelligen Kurse der Coronatiefen immer näher.

Volkswagen stößt auf dem wichtigen chinesischen Absatzmarkt zunehmend auf einheimische Konkurrenz und kommt mit seinen Elektrofahrzeugen nicht so voran wie erwartet. Zudem erwirtschaften die Wolfsburger die meisten Gewinne mit ihren Ablegern Audi und Porsche. Im eigentlichen Kerngeschäft, Autos der Marke VW, bleibt netto zu wenig übrig. Und gerade weil VW seinen Gewinnbringer Porsche ausgegliedert hat und die Börse dies nun in einer eigenen Aktie bewertet, entfällt für den VW-Kurs diese bisherige Stütze. Da hilft es wenig, dass die Porsche AG via Mehrheitsbesitz nach wie vor in den Zahlen der Wolfsburger voll konsolidiert wird.

Fazit für den Dax: Die neue Aufwärtsdynamik der weltweit führenden Technologieunternehmen und die Widerstandsfähigkeit klassischer Branchen, wie sie sich im Dow Jones zeigen, helfen dem deutschen Markt. Infineon, Siemens und SAP sollten weiter überdurchschnittlich abschneiden; dazu Münchener Rück, Hannover Rück und dank günstiger Bewertung und hoher Dividende auch bald wieder die Allianz. Bei Mercedes-Benz und BMW ist eine Pause auf erreichtem Niveau möglich; bei Volkswagen gibt es – außer dem hohen Eigenkapital – aktuell noch kaum Anhaltspunkte für eine Erholung. Weiter in schwerem Fahrwasser sind die Chemieaktien BASF und Covestro; bei Bayer hat der Antritt des neuen Chefs noch keine Aufbruchsstimmung im Kurs hervorgerufen. 

Mit dem jüngsten Rücksetzer auf 15.600 Punkte und der von dort startenden Erholung hat der Dax das Topniveau vom März erst einmal verteidigt. Ein weiterer Anlauf über 16.000 Punkte hinaus ist möglich, doch ob der Dax gleich neue Höhen erobert, ist fraglich. Spätestens im Bereich 16.200 bis 16.300 könnte es vermehrt wieder zu kurzfristigen Verkäufen kommen. 

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Eine entscheidende Rolle werden dann die Notenbankentscheidungen Mitte Juni spielen. Der jüngste Rückgang der US-Bondrenditen von 3,85 auf 3,60 Prozent und die der Bundrenditen von 2,55 auf 2,25 Prozent könnte auf eine moderatere Phase der Geldpolitik deuten. Dazu passen die zuletzt wieder rückläufigen Inflationszahlen und die rezessiven Tendenzen in Deutschland. Dem Dax sollte das ermöglichen, in den nächsten Wochen seine Aufwärtsbewegung zu verteidigen um dann womöglich bis in den Hochsommer hinein neue Kurshöhen anzulaufen. 

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