Riedls Dax-Radar
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Viel Optimismus im Kampf gegen Rezession und Inflation

Aktien wie SAP und RWE bieten hoffnungsvolle Perspektiven, Newcomer Sartorius und Symrise stabilisieren sich. Fragt sich nur, ob die US-Notenbank nun wirklich so zahm wird, wie die Märkte das erwarten. Eine Kolumne.

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Mit dem Abgang von Industriegasekonzern Linde wird SAP wieder die wichtigste Einzelaktie im Dax. Allerdings, von ihrer einstmaligen Rolle als langjähriger Wachstumswert unter den Technologietiteln ist SAP weit entfernt. Geht es nach den jüngsten Schlagzeilen vom Abbau von 3000 Stellen, Restrukturierungsplänen und dem möglichen Verkauf der 2021 in den USA an die Börse gebrachten Tochter Qualtrics, so macht SAP eher den Eindruck einer großen Baustelle. Immerhin bescherte das den Walldorfern in den vergangenen Monaten einen Umsatzzuwachs – wenn auch unterm Strich 2022 ein Gewinnrückgang von zwei Dritteln stand.

SAP-Aktien rutschten auf die Gemengelage der Zahlen erst einmal ab, sollten aber das vor einiger Zeit zurückeroberte Niveau um 100 Euro vorerst halten. Das hat vor allem zwei Gründe: Für 2023 kündigt SAP dank guter Auftragslage merkliche Fortschritte im Cloudgeschäft an und will demnächst eine neue Mittelfristplanung vorstellen. Dazu könnte der Verkauf von Qualtrics sich zu einem strategischen Joker entwickeln, mit dem SAP sein aussichtsreiches Cloudgeschäft weiter verstärkt.

Zweiter Grund für die Widerstandsfähigkeit des Kurses sind die mittlerweile reduzierten Erwartungen unter Investoren, die nach zahlreichen Enttäuschungen SAP immer noch die Stange halten.

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Für die Börse liegt genau darin erhebliches Potenzial: Sollte den Walldorfern die strategische Konzentration auf das Cloudgeschäft gelingen, dort Aufträge, Umsätze und Margen weiter zulegen und SAP zugleich wieder verlässlich gute Zahlen abliefern, dürfte die Aktie an der Börse vor der Wiederentdeckung stehen.

Der Börsenwert ist mit gut 120 Milliarden Euro im internationalen Vergleich derzeit überschaubar, ein Anstieg auf 200 Milliarden Euro wäre langfristig keineswegs utopisch. Die Aktie käme dann nicht nur an das alte Hoch um 140 Euro, sondern weit darüber hinaus. Und dann hätte SAP im Dax auch wirklich wieder die Rolle als wichtigster Einzelwert zurückerobert.

RWE: Blaupause für nachhaltige Erholung 

Wie erfolgreich ein Comeback nach tiefem Fall im Dax aussehen kann, zeigt Energiekonzern RWE. Von 2008 bis 2015 verloren RWE-Aktien 90 Prozent ihres Börsenwerts. Der Niedergang des einstigen Stromversogers begann dabei schon lange vor der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 und der nachfolgenden Energiewende hierzulande. 

Ausgangspunkt für das Comeback von RWE war der geniale Deal, sich mit dem ehemaligen Konkurrenten E.On. zu verständigen. Dass RWE dabei im ersten Moment gar nicht so attraktiv aussah, weil die Essener die Belastungen durch problematische Kraftwerke am Bein hatten und dazu ein zunächst überschaubares Geschäft mit neuen Energien, ließ die Aktie nur langsam wieder klettern. Doch dafür vollzieht sich der Kursanstieg seit dem Katastrophentief um so nachhaltiger.

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Bei Kursen von über 40 Euro notiert RWE praktisch am Hoch seiner neuen Entwicklungsphase seit 2015. Dabei ist die Aktie mit einer Gewinnbewertung von über 20 im Branchenvergleich keineswegs mehr billig und die Dividendenrendite ist mit weniger als drei Prozent unterdurchschnittlich. In dieser fortgeschrittenen Bewertung der Aktie steckt die positive Einschätzung, das Wohlwollen, das der Markt mittlerweile gegenüber RWE hat. 

Diese neue Rolle können die Essener derzeit auch bestätigen. Dank eines starken Kerngeschäfts um Gas, Biomasse und Wasser sowie des lebhaften Energiehandels erzielte RWE 2022 ein bereinigtes Nettoergebnis von 3,2 Milliarden Euro. Das ist doppelt soviel wie im Vorjahr und deutlich höher als die Erwartungen, die bei 2,6 Milliarden Euro lagen. Im einzelnen wird das Zahlenwerk am 31. März vorgelegt. Ein besonderes Augenmerk dürfte dabei auf die Entwicklung des Eigenkapitals fallen, das im vergangenen Jahr wegen der Turbulenzen bei den Energiepreisen sogar in den negativen Bereich gerutscht war. Auch wenn dies faktisch keinen Kapitalabfluss bedeutet, sollte RWE hier mittelfristig wieder in positives Terrain kommen und möglichst eine nachhaltige Kapitalquote in der Bilanz von mehr als 20 Prozent ausweisen können. Das wäre dann auch eine gute Basis für den weiteren Aufwärtstrend der Aktie, dessen nächstes mittelfristiges Ziel Kurse um 50 Euro sein sollten. 

Sartorius: Comeback mit Hindernissen

Eine Erholung auf kürzerer Zeitebene vollzieht sich derzeit bei Biotech- und Laborzulieferer Sartorius. In der Coronapandemie hatte Sartorius als Lieferant für Impfstoffhersteller eine Sonderkonjunktur, die das schon bisher erreichte Wachstum noch verstärkte. Die traditionell hohe Bewertung der Aktie bekam dabei noch einmal einen Schub – und der beförderte die Aktie letztlich im Herbst 2021 in den Dax. 

Seitdem macht der Kurs eine Bereinigung durch. Die Normalisierung nach der akuten Phase der Pandemie und der Abbau der Dax-Euphorie führten in der ersten Hälfte 2022 zu halbierten Kursen. Der Börsenwert schrumpfte von mehr als 40 Milliarden Euro auf rund 20 Milliarden; aktuell hat er sich wieder auf 27 Milliarden Euro erholt. 

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Für ein Geschäftsvolumen, das in diesem Jahr mit einer einstelligen Wachstumsrate auf 4,4 Milliarden Euro zulegen könnte, ist das ein stolzer Preis. Sartorius erreicht damit eine sechsfache Umsatzbewertung und ein Kurs-Gewinnverhältnis, das je nach Hochrechnung zwischen 40 und 50 liegt. Sartorius ist damit deutlich höher bewertet als Pharmaklassiker wie Novartis oder Roche, obwohl deren Nettomarge etwa doppelt so hoch ist wie die von Sartorius. Für die Erholung der Sartorius-Aktie ist diese hohe Bewertung die offene Flanke, die womöglich bei einem Anstieg bis in den Bereich um 500 Euro wieder zu einer längeren Korrektur führen könnte. 

Symrise: Auspendeln und neuer Anlauf

Zu den großen Verlierern der vergangenen Tage gehört Duft- und Aromahersteller Symrise. Wie Sartorius kam die Aktie im Herbst 2021 als Aufsteiger unter den mittelgroßen Werten in den Dax – und wie bei Sartorius kam es danach erst einmal zu einer Ernüchterung. Nun musste Symrise für 2022 unerwartete Abschreibungen auf sein Geschäft mit Tiernahrungszusätzen vornehmen; dazu kam eine Verschlechterung der operativen Marge. 

Symrise-Aktien, die in der Spitze einen Börsenwert von 18 Milliarden Euro und damit eine vierfache Umsatzbewertung erreichten, stehen nun erneut unter Druck. Auch wenn Duft- und Aromastoffe ein stabiler Wachstumsmarkt sind und Symrise hier eine Spitzenposition innehat, dürfte die Aktie für eine nachhaltige Erholung etwas Zeit brauchen. 

Selbst wenn Symrise nach den letztjährigen, wohl einmaligen Abschreibungen dann in diesem Jahr beim Gewinn wieder zulegt und etwa 450 Millionen Euro netto verdienen würde, ergäbe dies bei einer verträglichen 25-fachen Bewertung nur 11,25 Milliarden Euro Börsenwert, rund 80 Euro für die Aktien. Bezahlt wird Symrise derzeit aber bei Kursen von knapp 98 Euro mit 13,7 Milliarden Euro. In dieser 30-fachen Gewinnbewertung steckt die Erwartung des Marktes, dass Symrise schon 2023 den Ausrutscher des Vorjahres ausgleichen kann. Ob das in dieser Saison auch gelingt, bleibt angesichts der zuletzt schwächeren Margen abzuwarten. Gut möglich, dass die Aktie nach dem jüngsten Kursrutsch im Bereich um 95 Euro wieder auf Käufer stößt. Allerdings, unter dieses Niveau der mittelfristigen Tiefspitzen sollten Symrise-Aktien nicht rutschen. Dann könnte es sogar zu einem Ausverkauf in Richtung 80 Euro kommen. 

Schneller schlau: Rezession

Aussichten für den Dax: Im Fahrwasser der zuletzt starken US-Technologiewerte behauptet der deutsche Aktienmarkt bisher sein erhöhtes Niveau, das er in der beeindruckenden, 28prozentigen Rally der vergangenen dreieinhalb Monate erreicht hat. Fundamentale Untermauerung dafür sind Zahlen aus Wirtschaft und Unternehmen, die bisher keineswegs auf eine schwere Rezession deuten. So schaffte etwa die US-Wirtschaft dank lebhaftem Konsum im vierten Quartal 2022 mit 2,9 Prozent ein überraschend ansehnliches Wachstum. 

Allerdings, genau diese robuste Konjunktur könnte den erwarteten schnellen Rückgang der Inflation in Zukunft langsamer ausfallen lassen. Die jüngste Erholung zentraler Rohstoffpreise wie Öl und Kupfer deutet ebenfalls darauf hin, dass Inflation ein zähes Thema bleiben dürfte. Und ob die amerikanische Notenbank dann nächste Woche wirklich wie erwartet moderatere Töne anschlägt, die Zinsen nur noch in kleineren Schritten erhöht und insgeheim hier schon die Abwärtswende vorbereitet, ist keineswegs ausgemachte Sache. Die EZB jedenfalls bleibt nach eigener Aussage erst einmal bei ihrem konsequenten Kurs – mit dem der Euro gegenüber dem Dollar nebenbei zu einer starken Währung geworden ist. 

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Der jüngste Anstieg der in der Regel zinssensitiven Technikaktien könnte als Signal für eine Entspannung bei Inflation und Renditen interpretiert werden. Das Problem dabei: Mehrmals schon kam es im vergangenen Jahr im Vorfeld geldpolitischer Entscheidungen zu solchen Hoffnungsläufen, die dann von den Notenbanken schwer gebremst wurden. Ob es dieses Mal anders ausgeht, ist fraglich. Dem Dax jedenfalls täte zur Abkühlung des jüngsten Optimismus eine Korrektur durchaus gut – und wenn es auch nur bis in den Bereich um 14.500 Punkte nach unten gehen sollte. 

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