Riedls Dax-Radar
Wie geht es an den Börsen weiter? (Symbolbild) Quelle: REUTERS

Von der V-Erholung zur nächsten Kurskorrektur

Nach Coronapanik und schneller Erholung kehrt an den Börsen schrittweise Normalität ein. Zu der gehört aber auch, dass nach acht Wochen starker Kursgewinne eine Korrektur wahrscheinlicher wird.

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Wenn eine Börsenkurve in den vergangenen Wochen eine V-Erholung geschafft hat, dann der Nasdaq-100-Index. Erst verlor das Barometer der amerikanischen Technologieaktien in der Spitze 2725 Punkte. Dann machte es davon wieder 2491 Zähler gut, glich also 91 Prozent der Verluste aus. Auch wenn der Nasdaq-Index dafür die doppelte Zeit brauchte wie für den Absturz, lässt sich das als V-Erholung einstufen. Selbst der Technologieindex hierzulande, der TecDax, hat 80 Prozent der Coronaverluste ausgeglichen. Er kommt in die Nähe einer V-Erholung.

Für Anleger heißt das: Bei den führenden Technologieunternehmen weltweit änderte Corona nichts an der langfristigen Aufwärtsbewegung, die von den Megatrends Internet, Cloud und Digitalisierung angetrieben wird.

In einigen Technologiebereichen führt Corona sogar zu einer Beschleunigung. Dazu zählt nicht nur der Onlinehandel, für den kein Name so prominent steht wie Amazon (eine Aktie, die in der Coronakrise auf neues Terrain vorgedrungen ist), sondern vor allem Biotech-Unternehmen. Der viel beachtete Branchenindex Nyse Arca Biotech ist mittlerweile auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Corona dürfte für die Branche die Initialzündung werden, die Konsolidierung der vergangenen fünf Jahre zu beenden und den langjährigen Aufwärtstrend fortzusetzen.

Preisstabilisierung bei Öl, Kupfer und Aluminium

Zur langsamen Rückkehr zur Normalität tragen die Rohstoffmärkte bei. Besonders heftig hat es hier den Ölpreis erwischt. Die Querelen zwischen den großen Förderländern machten den Markt schon Ende 2019 anfällig; der Nachfrageeinbruch durch Corona führte dann in den Brent-Notierungen zu einem Crash von 60 auf 20 Dollar.

Der Preisverfall seit Anfang 2018 hatte dabei fast das gleiche Ausmaß wie die große Ölpreis-Baisse von 2014 bis 2016 und der Öl-Crash in der Finanzkrise 2008. Auch das spricht dafür, dass der Ölpreis vom jüngsten Tiefpunkt um 20 Dollar eine längere Erholung einleiten könnte, die den Preis für ein Fass Brent in den nächsten Monaten wieder in Richtung 50 Dollar bringen könnte.

Die wichtigen Industriemetalle fassen ebenfalls Tritt. Die Aluminiumpreise haben zwischen 1400 bis 1500 Dollar je Tonne ihren Abwärtstrend erst einmal gestoppt. Kupfer hat sich von 4600 Dollar je Tonne auf bis auf 5400 Dollar hochgearbeitet. Das ist keine Wende nach drei Jahren Abwärtstrend, aber ein Zeichen dafür, dass der freie Fall seit Jahresanfang erst einmal beendet ist und in den nächsten Monaten eine Bodenbildung stattfindet.

Die jüngsten Nachrichten von der US-Wirtschaft passen zum Bild einer langsamen Stabilisierung: Die Frühindikatoren im April sind im Vergleich zum Vormonat um 4,4 Prozent gesunken. Dieser Rückgang fiel um einen ganzen Prozentpunkt geringer aus als befürchtet. Ein Grund dafür sind die deutlich gestiegenen Aktienkurse, die (neben Erstanträgen auf Arbeitslosigkeit oder der Auftragslage in der Industrie) in den Sammelindex einfließen.

Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass die Börsen in dem Augenblick, in dem es Anzeichen für eine Rückkehr zur Normalität gibt, sogar eher nachgeben. Doch zu diesem Normalzustand gehört eben, dass Aktien nach acht Wochen stürmischer Kletterpartie wieder in eine Korrektur münden.

Zudem wurde die jüngste Anstiegsphase an den US-Märkten seit Mitte Mai vor allem durch ein typisches börsentechnisches Phänomen beschleunigt, einen sogenannten Short-Squeeze. Durch den unerwarteten und sehr schnellen Kursanstieg mussten Baissiers reihenweise ihre Spekulationen auf sinkende Kurse abbrechen. Aktien, die zuvor in großem Umfang auf den Markt geworfen wurden und zunächst die Notierungen drückten, mussten schleunigst wieder zurückgekauft werden, befeuerten also den Kursanstieg zusätzlich. Im S&P-500-Index ließ diese Aktion die Kurse fast bis an die Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage klettern. Im Dax war, nun schon mehrmals seit Anfang Mai, im Bereich um 11.200 bis 11.250 Punkten Schluss.

Für die nächsten Wochen könnten sich damit folgende Aussichten ergeben: In den allgemeinen Konjunkturdaten wird sich der Rückgang fortsetzen, er könnte aber dank Fortschritten in den Technologie- und Onlinebranchen insgesamt nicht so dramatisch ausfallen wie befürchtet. Selbst in den klassischen Branchen, im Dax zeigt das etwa die Entwicklung beim Autobauer BMW, setzt mit den Lockerungen nach der akuten Coronakrise eine langsame Erholung ein.

Auf der anderen Seite rücken mit dem Abklingen der Corona-Ängste wieder neue, alte Probleme in den Blick der Investoren: vor allem der Konflikt um Hongkong, der die Rivalität zwischen China und den USA antreibt und die immer wiederkehrende Angst der Investoren vor einem Abknicken des chinesischen Wachstums. Der wichtigste Aktienindex Chinas, der Shanghai Composite, signalisiert nach dem Auslaufen einer zweimonatigen Erholungsphase ebenfalls zunächst wieder nachgebende Kurse.

Fazit für den Dax: Der deutliche Anstieg der vergangenen Wochen ist langfristig gesehen ein positives Signal. Es spricht dafür, dass eine zweite, starke Ausverkaufsphase unwahrscheinlich geworden ist. Es spricht aber nicht gegen eine moderate Korrektur, die den Dax nach acht Wochen Kursanstieg zumindest erst einmal wieder bis in den Bereich um 10.200 Punkte drücken könnte.

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