Riedls Dax-Radar
Quelle: REUTERS

Warum es jetzt keinen Crash wie bei Corona gibt

Die Korrektur der Technologieaktien kann noch dauern, doch gerade an der High-Tech-Börse Nasdaq besteht ein Puffer gegen Kursrückschläge. Wenn es Gefahr für den großen Börsentrend gibt, kommt sie eher von anderer Seite.

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Die Europäische Notenbank hält fest an ihrer bisherigen Geldpolitik. Das war zu erwarten, da EZB-Chefin Christine Lagarde immer noch im Findungsprozess ihrer spezifischen monetären Linie ist und erst einmal auf absehbare Zeit den bisherigen Kurs weitersteuert. Zudem haben sich die Erwartungen der EZB an die Wirtschaft kaum geändert: 8,0 Prozent Minus für dieses Jahr, so die Prognose der EZB zur Konjunktur, bisher lag die Prognose bei minus 8,7 Prozent.

Während die amerikanische Notenbank Fed seit Kurzem einer latenten Inflationierung mehr Raum gibt, erfolgt bei der EZB keine Änderung. Die Quittung an den Märkten kam sofort: Der Euro schoss nach einigen Tagen der Lethargie sogleich bis auf 1,19 Dollar hoch.

Ob er nun auf die Schnelle die große Hürde um 1,20 Dollar überwindet, ist wenig wahrscheinlich. An der Zinsdifferenz zwischen zehnjährigen US-Anleihen und Bundesanleihen hat sich kurzfristig nichts geändert: Hier heißt es plus 0,71 Prozent für die US-Papiere und minus 0,44 Prozent für die Bunds. 

Während manche Beobachter an der Börse im neuen Kurs der Fed eine echte Hilfe sehen, weil die Notenbank noch mehr Spielraum und ein größeres Zeitfenster für ihre expansive Politik hat, gibt es von der EZB nichts Neues. Kein Wunder, dass die seit einigen Tagen nervösen Aktienmärkte erst einmal den Rückwärtsgang einlegen. 

Kleinanleger sind unschuldig am Kursrückschlag

Am Rätselraten über den heftigen Einbruch bei den Technologiefavoriten und der Frage, ob nun das Ende des großen Trends bevorstehe, hat sich nichts geändert. Kleinanleger mit ihren Derivaten für den Einbruch von billionenschweren Aktien verantwortlich zu machen, verkennt die Funktionsweise und Macht von Optionen. Der Einfluss von Derivaten auf Aktien ist nur indirekt, da die überwiegende Masse von Optionen, Futures und anderen Vehikeln dieser Art gegenseitig verrechnet werden, sich also neutralisieren und nicht zu effektiven Käufen oder Verkäufen in echten Wertpapieren führen. Eine echte Wirkung haben sie in der Regel erst dann, wenn es zu einer physischen Lieferung kommt – genau deshalb kommt es ja auch an den wichtigen Verfallsterminen von Termingeschäften an den Börsen oft zu hektischen Kursbewegungen. 

Sicherlich, wenn ein Markt so weit gelaufen ist wie derjenige der Technologieaktien, kann ein Tropfen genügen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Auch kleine Auslöser am Terminmarkt können große Wirkungen entfalten. Dennoch, die aktuelle heftige Korrektur ist als technische Folge des vorangegangenen, besonders dynamischen Anstiegs ein natürlicher Vorgang an der Börse. Das gilt auch für einen kurzfristigen Favoritenwechsel von Hightechs hin zu mehr konjunkturorientierten Werten. Die Coronagewinner aus den Bereichen Biotech und Gesundheit hat es ja schon vor einigen Wochen erwischt. 

Dass es an den Börsen nun einen so heftigen Einbruch geben könnte wie Februar und März, ist wenig wahrscheinlich. Dafür sprechen im wesentlichen zwei Argumente: Erstens war der Grund für den einmaligen Crash an den Aktienmärkten das schockartige Einfrieren der weltweiten Wirtschaft als Folge von Corona. Weder ist ein massives Grassieren der Krankheit in Sicht noch eine abermalige, administrativ verordnete Vollbremsung der Wirtschaft. 

Zweitens besteht durch die Notenbanken ein so massives monetäres Polster, dass selbst mittlere Rückschläge bei der Konjunktur und ein neues, zeitweises Aufflackern der Krankheit abgefangen werden könnten. Dass sich sowohl die US-Wirtschaft als auch die Konjunktur in Europa Schritt für Schritt aus dem Tief arbeitet, passt zu diesem Erholungsszenario. Aktienkurse sind besonders dann gefährdet, wenn eine Konjunktur unerwartet abkippt oder wenn sie in einer anhaltenden Abwärtsbewegung steckt. Beides ist derzeit nicht der Fall.    

Nasdaq mit dem größten Sicherheitspuffer

Dabei haben die Aktienindizes selbst durchaus ein Sicherheitspolster aufgebaut. Der Nasdaq-100-Index notiert deutlich über dem Niveau zwischen 9500 bis 10.000 Punkten, die für den Erhalt des Aufwärtstrends entscheidend sind. Im Dow Jones ist der Spielraum zwar etwas kleiner – hier sollten 26.000 halten. Erstaunlich robust hält sich der Dax bei seiner Verteidigung des Niveaus um 13.000 Punkte. Bis 12.200 oder maximal bis 12.000 hätte er Spielraum für Korrekturen, ohne seine Ende März gestartete Aufwärtsentwicklung zu gefährden. 

Die Einzelwerte bestätigen diese innere Stärke. Die VW-Aktie etwa ist in den vergangenen Tagen über die wichtige Hürde bei 145 Euro gekommen, obwohl es Nachrichten zu technischen Mängeln beim Hoffnungsträger ID.3 gab und Lastwagentochter Traton für den Ausbau seiner Position beim US-Nutzfahrzeughersteller Navistar mehr bezahlen muss. 

Die im Crash arg gebeutelte Aktie von Adidas erholt sich zusehends, obwohl das weltweite Sportgeschäft noch weit von seinem Normalzustand entfernt ist. Zudem ist die Aktie selbst dann einer der teuersten Dax-Werte, wenn Adidas 2021 wieder an das gute Niveau der Jahre 2018/2019 anschließen kann. Darin steckt reichlich Vorschuss. 

Deutlich günstiger, aber dafür nun auch endlich ins Laufen gekommen ist Henkel. Der Anstieg über die Hürde bei 85 Euro ist ein klassisches Kaufsignal. Offensichtlich kam die jüngste Präsentation bei der Barclays-Bank bei Investoren gut an. Immerhin, viel zugetraut wurde Henkel in den vergangenen Monaten nicht, darin steckt positives Überraschungspotenzial. Dass nun gerade solche Aktien steigen, zeigt, wie begierig Investoren nach Anlagemöglichkeiten suchen. 


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Fazit für den Dax: Die Korrekturen der Technologiefavoriten dürften noch etwas anhalten, doch gerade wegen der vorangegangenen erheblichen Kursgewinne verfügen sie nun über ein Sicherheitspolster - im Dax gilt das besonders für die Technikwerte SAP und Infineon, die beide ihren Trend gut verteidigen. Knapper sieht es im Dow Jones aus, der im Grunde nur wenige Prozente bis zu einem Verkaufssignal Luft hat. Das heißt: Während die meisten Anleger derzeit die Gefahren für den Börsen von den Hightechwerten erwarten, ist die eigentliche Achillesferse der weltweiten Märkten derzeit der Dow Jones. Bleibt zu hoffen, dass auch hier die mittlerweile vertretenen Technik-Schwergewichte (vor allem die Erfolgsfirmen Apple, Microsoft und Salesforce) in den nächsten Tagen Boden finden.

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