Riedls Dax-Radar
Dax im neuen Jahr. Quelle: Getty Images

Was Anleger 2018 erwartet

Stabiles Wirtschaftswachstum, niedrige Zinsen und steigende Unternehmensgewinne sind ein gutes Basisszenario für die Börsen. Dennoch, angesichts des erreichten Kursniveaus könnte es 2018 hektisch werden.

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2018 dürfte die laufende Aktienhausse ins zehnte Jahr gehen. Ausgangspunkt des aktuellen Kursaufschwungs ist das Tief der Finanzkrise, die den Dax im März 2009 bis auf 3677 Punkte gedrückt hat. Mit einem derzeitigen Indexstand von gut 13.000 Punkten sind das mehr als 250 Prozent Gewinn in knapp neun Jahren. Allein 2017 kamen bisher 13 Prozent dazu. Das ist die längste große Aufschwungsphase im Dax seit Bestehen der Bundesrepublik, nur unterbrochen von einem vorübergehenden Kursrückschlag 2011 und einer mehrmonatigen Marktkorrektur 2015/2016.

Zum Jahreswechsel 2017/2018 notieren die meisten großen Aktienmärkte auf Top-Niveau: Dow Jones, Nasdaq, Dax. Deutlich unter den ehemaligen Hochpunkten liegt der Euro Stoxx und der japanische Nikkei. Doch selbst die beiden haben mittlerweile mehrjährige Aufwärtsbewegungen hinter sich.

Anleger tun gut daran, diese fortgeschrittene Marktentwicklung im Hinterkopf zu behalten. Es gibt zwar keinen Automatismus, ab wann eine Hausse überzogen ist, doch bisher ging in der Börsengeschichte noch jede Hausse zu Ende – und fast immer kam dieses Ende schnell und es fiel ziemlich heftig aus. Selbst eines der wertvollsten und erfolgreichsten Unternehmen aller Zeiten, Online-Händler Amazon, verlor in der High-Tech-Baisse nach der Jahrhundertwende 94 Prozent seines Börsenwerts. Diese Zahl sollte sich jeder Anleger vor Augen halten, der vorhat, mit Aktien von Top-Unternehmen eine Baisse durchzustehen.

Eine Baisse kommt nicht aus heiterem Himmel. Im Kursrückgang 2000 bis 2003 wurden völlig überzogene Erwartungen an die High-Tech-Unternehmen zusammengestutzt. Die Finanzkrisen-Baisse 2008/09 war das Ergebnis einer kollektiven Überspekulation in Immobilien in Verbindung mit undurchsichtigen bis zwielichtigen Finanzprodukten. In beiden Fällen hatte dies schwere Rückwirkungen auf die allgemeine Konjunktur.

Brauen sich 2018 wieder solche Gefahren zusammen? Welche Szenarien lassen sich aus den Rahmenbedingungen für die Aktienmärkte ableiten – aus der Wirtschaftsentwicklung, den Zinsen, den Unternehmensgewinnen, der Marktbewertung? Sollte es hier, bei den Fundamentaldaten, eng werden, könnten auch externe Schocks eine Baisse auslösen.

Konjunktur: Zwei Prozent Wachstum wären optimal

Die Länder der EU dürften 2017 im Durchschnitt um 2,3 Prozent gewachsen sein. Für 2018 schwanken die Prognosen um zwei Prozent, 2019 wird vereinzelt sogar eine leichte Abschwächung erwartet. Wenn dieses Szenario eintritt, wäre das für die Aktienmärkte eine ideale Basis: Nicht zu wenig, damit nicht die Gefahr einer Rezession besteht. Nicht zu viel, damit es nicht zu einer Überhitzung kommt.

Wo Kapitalmarktexperten 2018 den Dax und die Wirtschaft sehen
Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin HelabaPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,4 Prozent Deutsche Wirtschaft +2,0 Prozent Dax 10.500 bis 13.500 Goldpreis 1.400 US-Dollar je Unze Quelle: dpa
Ulrich Stefan, Chef-Anlagestratege Deutsche BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,8 Prozent Deutsche Wirtschaft +1,8 Prozent Dax 14.100 Quelle: dpa
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt DZ BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,8 Prozent Deutsche Wirtschaft +2,2 Prozent Dax 14.000 Quelle: Presse
Ulrich Kater, Chefvolkswirt Deka-BankPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,7 Prozent Deutsche Wirtschaft 2,2 Prozent Quelle: dpa
Uwe Burkert, Chefvolkswirt LBBWPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,6 Prozent Deutschland +2,3 Prozent Dax 13.700 Quelle: dpa
Erik F. Nielsen, Chefökonom UniCreditPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,9 Prozent Wirtschaft der Eurozone +2,3 Prozent Quelle: Presse
Stefan Krenzkamp, Chef-Anlagestratege Deutsche Asset ManagementPrognose für 2018: Weltwirtschaft +3,7 Prozent Wirtschaft der Europäischen Union +2,0 Prozent Dax 14.100 Quelle: Presse

Eine Garantie für optimales Wachstum gibt es nicht. Dass die Wirtschaft etwa 2008 und 2009 abschmierte, hatte 2007 fast niemand auf der Rechnung. Externe Risiken (etwa eine atomare Eskalation in Nordkorea oder eine plötzliche Implosion – zum Beispiel als Folge der Bitcoin-Manie) können solche Projektionen über den Haufen werfen.

Dennoch ist es an der Börse rentabler, mit wahrscheinlichen Szenarien zu kalkulieren und nicht mit extremen.

Deshalb: Die wahrscheinliche Wirtschaftsentwicklung spricht für Aktien. 

Notenbank-Zinsen: Eine oder zwei moderate Erhöhungen durch die Fed

In Amerika wird es eine neue Fed-Führung geben. Jerome Powell ist mit einem persönlichen Vermögen von etwa 130 Millionen Dollar und seiner Vergangenheit als Investmentbanker ein Mann des Geldes und der Märkte. Dass er nun plötzlich als Fed-Chef gegen die Märkte handelt, ist kaum zu erwarten. Zudem bekam er ja auch Donald Trumps Segen. Der US-Präsident hat sich sicherlich keinen Hardliner an so eine wichtige Stelle gesetzt. Dass Powell die Unabhängigkeit der Notenbank betont, ist weder eine Überraschung noch ein Indiz dafür, er könnte plötzlich zum geldpolitischen Falken werden.

Janet Yellen hat es geschafft, die sanfte Zinswende in Amerika einzuleiten, ohne die Märkte und die Wirtschaft abzuwürgen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Powell in ähnlicher Weise weitermacht: Leichte, medial vorbereitete Erhöhungen, die wie bei Yellen eher einen Tick unter den Befürchtungen des Marktes bleiben. Powell würde damit den Kurs der moderaten Zinswende weiterführen und gleichzeitig die Investoren bei Laune halten.

In Europa wird die Notenbankführung aller Voraussicht nach erst 2019 wechseln. Bis dahin dürfte Mario Draghi an seiner Politik festhalten. Anleihekäufe werden zwar reduziert, das aber ist kein Automatismus, der in eine Erhöhung der Leitzinsen mündet.

Kapitalmarkt-Zinsen: An die drei Prozent in den USA, ein Prozent in Europa

In den US schwankten die Renditen für zehnjährige Treasuries 2017 zwischen 2,0 und 2,6 Prozent. Seit dem Tief Ende September 2017 ging es deutlich nach oben, derzeit erreicht die Rendite fast 2,5 Prozent. Der US-Anleihemarkt hat damit durchaus auf die jüngste Zinserhöhung der Fed reagiert – und wahrscheinlich reagieren die Anleihen auch auf die nächste Erhöhung.

2018 könnten sich die Renditen für zehnjährige US-Anleihen schrittweise nach oben hangeln. Das nächsthöhere Niveau, das etwa zum Jahreswechsel 2013/14 erreicht worden war, liegt bei 3,0 Prozent. Eine weiter anziehende Wirtschaft und ein oder zwei kleine Zinserhöhungen durch die Fed würden gut zu einem solchen Zinsanstieg an den Anleihemärkten passen.

So gut performten die letzten Auf- und Absteiger im Dax

In Europa zeigt die Tendenz der langfristigen Zinsen seit einigen Wochen nicht mehr nach oben. Mit 0,4 Prozent liegt die Rendite sogar deutlich unter dem Hoch vom vergangenen Sommer. Dieser Rückgang der Renditen in der EU ist bemerkenswert, da die Wirtschaft in Europa in den vergangenen Monaten gut lief. Der Grund für die niedrigen Zinsen könnte darin bestehen, dass die Anlagemärkte immer weniger mit einer Zinswende unter der Ägide Draghis rechnen und sein Memento vom dauerhaft niedrigen Zins langsam verinnerlichen.

Insgesamt gibt es wenig Anhaltspunkte für höhere Kapitalmarktzinsen in der EU. Wahrscheinlich kommen die Renditen kaum über das 2017er-Jahreshoch hinaus. Insgesamt könnte der Bereich der Schwankungen bei 0,5 bis 1,0 Prozent liegen. Auch das wäre, wie in Amerika, für die Börsen ein verträgliches Niveau.

Wechselkurse: Der Euro ist ein Risikofaktor

Ginge es allein nach den Zinsen, müsste der Dollar eigentlich 2018 gegenüber dem Euro zulegen. Die Euro-Stärke der vergangenen Monate, die trotz US-Zinsvorteil zustande kam, spricht aber gegen einen solchen Dollar-Aufschwung.

Die latente Stärke des Euro, der deutlich über der wichtigen Schwelle von 1,16 Dollar notiert, könnte drei Gründe haben: die Konjunktur in Europa ist substanziell stärker als in den USA; die Märkte spekulieren darauf, dass es – spätestens nach Draghi – in Europa dann doch zu einem Zinsanstieg kommt; der politische Rückzug der USA auf dem internationalen Parkett führt auch zu einem Bedeutungsverlust des Dollars.

2017 kletterte der Euro von 1,04 auf 1,20 Dollar. Sollte er mit dem Anstieg über 1,16 Dollar nun die zweite Phase einer größeren Erholung eingeleitet haben, hätte er Spielraum bis in Richtung 1,30 Dollar. Andererseits dürfte die EZB wenig Interesse an so einem starken Euro haben. Ein Anstieg des Euro bis etwa 1,25 Dollar wäre realistisch.

Die Börsen könnten mit einem solchen Euro leben. Zwar waren schon 2017 einige der großen Exporteure nicht erfreut über den anziehenden Euro. Doch selbst in den guten Börsenjahren wie 2006 oder 2007 notierte der Euro viel höher als heute.

Unternehmensgewinne: Gut zehn Prozent mehr sind drin

Geht es nach den aktuellen Hochrechnungen der Analysten, steigen die durchschnittlichen Gewinne der Dax-Unternehmen 2018 um 12 Prozent. Diese Erwartung ist keineswegs überzogen. In wirtschaftlich ähnlich guten Jahren wie 2016 und 2017 legten die Unternehmensgewinne im Dax um 15 bis 20 Prozent zu.

Sollte sich die Wirtschaft in Deutschland und Europa 2018 dynamisch entwickeln, kann es sogar zu Hochstufungen der Prognosen kommen. Andererseits sind die bisherigen Erwartungen auch dann keine Luftnummern, wenn die Konjunktur nicht ganz so stark zulegt. Und selbst mit einem Euro von 1,25 Dollar dürften diese Prognosen noch bestehen bleiben.

Rechnet man die Gewinne der Dax-Unternehmen so um, dass sie sich auf den Index wie auf eine einzelne Aktie beziehen, dürften 2017 für die Nettoerträge etwa 680 Euro zusammengekommen sein. 2016 waren es 590 Euro, 2015 in einem etwas schwächeren Jahr 490 Euro. In diesen Zahlen sind auch Ergebnisse von Dax-Firmen enthalten, die Verlust gemacht haben. Bleibt man auf der vorsichtigen Seite und nimmt zehn Prozent Gewinnplus an, ergäbe das für 2018 einen Dax-Gewinn von rund 750 Euro.

Marktbewertung: Mögliche Schwankung zwischen 10000 und 15000 Punkte

Bei einem Indexstand von 13000 Zählern und 750 Euro Unternehmensgewinn ergibt sich für den Dax ein 2018er-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von rund 17. In den vergangenen fünf Jahren lag die Spannweite der KGVs im Dax inklusive der Kursextreme zwischen 14 und 25. Werden die extremen Kursspitzen, die der Dax nur an einem oder wenigen Tagen erreicht hatte, geglättet, ergibt sich ein Bewertungsband  zwischen 15 und 19. So gesehen ist der Dax derzeit also weder besonders teuer noch billig. Eine solche mittlere Bewertung ist zudem typisch für einen ruhigen, stabilen Aufwärtstrend und nicht für eine hektische Phase, nach der die Märkte zusammenbrechen.

Mit dem Bewertungsband des Dax und den erwarteten Gewinnen lassen sich fundamentale Zielzonen hochrechnen. Bei einem 19fachen KGV ergäben 750 Euro Gewinn Spielraum bis 14.250 Punkte; ein 15faches KGV ergäbe nur 11250 Punkte.

Schon hier zeigt sich: Zehn Prozent Kursplus im Dax sind zwar keine Utopie, doch dafür müsste die Bewertung schon an den oberen Rand der durchschnittlichen Bandbreite gehen. Oder es müssten die Gewinne der Unternehmen 2018 noch besser ausfallen als erwartet. Sollten es 800 Euro werden und käme ein 19er-KGV dazu, ergäbe das Spielraum bis 15200 Punkte. Andererseits, sollten die Unternehmensgewinne 2018 nur auf der Stelle treten und etwa politische Krisen auf die Stimmung drücken, wäre bei einer 15fachen Bewertung auch ein Rückgang in Richtung 10.000 Indexpunkte möglich.

Fazit für 2018: Begrenztes Potenzial bei erhöhtem Risiko

Die Eckdaten für die Börse sehen zunächst nicht schlecht aus: Die Wirtschaft wächst wohl temperiert. Die Zinsen dürften marginal anziehen, doch ihr Niveau bleibt niedrig. Die Unternehmensgewinne können weiter zulegen und die Märkte sind noch nicht heiß gelaufen.

Das Problem dabei: Die aktuelle Bewertung signalisiert, dass die Aktienmärkte dieses Szenario zu einem großen Teil eingepreist haben. Um jenseits einstelliger Prozentschwankungen einen echten Zugewinn im Dax zu erschließen, müssten die Unternehmensgewinne entweder noch viel stärker zulegen; oder es müsste sich die Stimmung noch einmal aufheizen und die Bewertungen nach oben treiben. Beides ist ziemlich unwahrscheinlich.

Damit bleibt selbst im guten Fall wahrscheinlich nur ein überschaubarer Gewinn, der auch noch durch ein erhöhtes Risiko erkauft werden muss. Da der Aktienmarkt von einem positiven Szenario ausgeht, könnten schon kleine Abstriche zu deutlichen Kursrückgängen führen. Das muss nicht automatisch in einem Crash enden, doch auch ein Rückschlag auf 10.000 Punkte wäre vom aktuellen Stand aus gerechnet fast 25 Prozent Verlust – doppelt so viel, wie das vergleichsweise gute Börsenjahr 2017 an Gewinn gebracht hat.

Ein vorsichtiger Blick auf 2018 heißt nicht, jetzt hektisch Aktien über Bord zu werfen. Dennoch ist es ratsam, bei guten Gewinnen auch einmal Kasse zu machen und bei Neukäufen sehr selektiv vorzugehen. Also: Favoritenunternehmen nur bei Rückschlägen kaufen und im Zweifelsfall lieber Pulver trocken halten.

Und wer weiß, vielleicht führen die wachsenden Schwierigkeiten an den Aktienmärkten dazu, dass der Goldpreis seine fast fünfjährige Bodenbildung abschließt und nach oben dreht. Ein starkes Kaufsignal gäbe es hier, wenn die Feinunze über das Niveau von 1350 Dollar klettern würde.

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