Riedls Dax-Radar

Wichtige Stabilisierung nach der Bärenrally

Trotz Terror und Ölpreiskapriolen wächst die Wirtschaft moderat. Im zweiten Halbjahr hat der Dax sogar die Chance auf einen nachhaltigen Anstieg.

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Aktienhändler sitzen auf dem Parkett der deutschen Börse in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Die deutsche Wirtschaft wächst etwas langsamer, so die jüngsten offiziellen Prognosen. Nun sollen es statt 1,6 Prozent nur noch 1,5 Prozent werden. Immerhin, das Jahr ist noch lang genug, es kann sich noch einiges ändern – in beide Richtungen.
Terroranschläge und Terrorgefahr haben dabei einen ambivalenten Effekt: Abgesehen von den direkt betroffenen Unternehmen und Branchen (Luftfahrt, Tourismus) sind für die Gesamtwirtschaft kaum Folgen spürbar.

Und wenn, wie in solchen Fällen üblich, die betroffene Währung aus Krisenangst nachgibt, führt das über Wettbewerbsvorteile im internationalen Geschäft sogar zu einem Ausgleich. Welchen Einfluss Terror auf die Märkte hat, lässt sich durch einen Blick auf einen mittel- bis langfristigen Kursverlauf feststellen: Schaut man sich den Dax etwa seit fünf Jahren an, fallen die kurzfristigen Verwerfungen, die es bei Terroranschlägen gegeben hat, überhaupt nicht ins Gewicht.

Selbst der Terroranschlag auf das World Trade Center 2001, der kurzfristig zu einem Crash geführt hat, war kein Auslöser einer Baisse. Die Baisse der High-Tech-Unternehmen hatte schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 begonnen. Der WTC-Crash war nur eine zusätzliche, hektische Phase in einem schon bestehenden Abwärtstrend.

Die zehn schrecklichsten Aktien
Platz 10: SKW Stahl-MetallurgiePunkte (gesamt) Performance: -646 Kursentwicklung in Prozent (5 Jahre): -80,2 Punkte (5 Jahre): -405 Kursentwicklung in Prozent (1 Jahr): -4,7 Punkte (1 Jahr): -13 Ende Januar kündigte der Stahlzulieferer eine außerordentliche Hauptversammlung für seine Aktionäre an, nachdem Verluste die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt hatten. Quelle: Presse
Wilex Quelle: Presse
Solarworld Quelle: dpa
Tom Tailor Quelle: Presse
Platz 6: YocPunkte (gesamt) Performance: -724 Kursentwicklung in Prozent (5 Jahre): -94,1 Punkte (5 Jahre): -475 Kursentwicklung in Prozent (1 Jahr): -2,3 Punkte (1 Jahr): -6 Der Anbieter innovativer mobiler Werbeformate musste in den vergangenen Jahren saniert werden und eine Kapitalerhöhung durchführen.
RWE Quelle: dpa
Aixtron Quelle: Presse


Auf die aktuelle Situation übertragen heißt das: Terroranschläge können zu kurzfristigen, hektischen Ausschlägen an den Börsen führen, ändern aber nichts an der grundlegenden mittel- bis langfristigen Tendenz.

Extreme sind derzeit unwahrscheinlich

Das womöglich etwas langsamere Wachstum der Wirtschaft gibt den Märkten ebenfalls keine neue Richtung. Ob die Konjunktur um ein oder zwei Prozent zulegt, ist für die Grundtendenz nicht entscheidend. Erst wenn die Wirtschaft in eine Rezession kippen würde oder in einem Boom durchstarten, wäre ein Umdenken notwendig.

Doch beide Extreme sind derzeit wenig wahrscheinlich. Das realistischste Konjunkturszenario für 2016 ist, wie bisher, ein Lavieren auf bescheidenem Niveau. Dass der Euro sich seit einigen Tagen wieder deutlich von der 1,15-Dollar-Marke entfernt, ist für die Unternehmen hierzulande eine Erleichterung. Die Aussicht auf einen stärkeren Euro wäre ein Bremsklotz für die europäischen Börsen. Besonders deutlich wurde das, als die US-Notenbank vor kurzem wieder ihre weiche Linie betonte und der Euro kurzfristig nach oben schnellte.

Öl wird Schritt für Schritt wieder wertvoller

Ziemlich stabil ist der Rohölpreis. Sollte es im April tatsächlich unter den Förderländern zu einem Konsens über Produktionsdeckelungen kommen, dürfte das zu einem weiteren Anstieg der Notierungen führen. Zwar wird der Iran aller Voraussicht nach das Angebot erhöhen, doch dafür machen sich in Amerika die Produktionskürzungen der Schieferölindustrie bemerkbar. Es sieht ganz danach aus, dass die hier vor einigen Wochen ins Auge gefassten Notierungen unter 30 Dollar der Tiefpunkt im Ölpreis gewesen sein könnten.

Zudem ist es bemerkenswert, dass Öl derzeit stabil ist, obwohl die Rohstoffe generell wieder an Boden verlieren, vor allem auch Gold. Öl gewinnt schrittweise relative Stärke, das ist ein typisches Zeichen für einen validen Aufwärtstrend. Der immer noch verbreitete Pessimismus gegenüber dem Ölmarkt passt dazu.

Starker Dow Jones, mühsame Stabilisierung im Dax

Es ist erst wenige Wochen her, als Prognosen von 20 Dollar oder weniger die Runde machten, selbst aus berufenem Investmentbanker-Mund. Nun kostet Brent mehr als 40 Dollar je Fass – und angesichts nicht mehr so strammer Lagerdaten sollte sich diese Tendenz in den nächsten Monaten fortsetzen. Spätestens im Sommer könnte Brent bei mehr als 50 Dollar stehen.

Solange der Ölpreis nicht völlig durchstartet (was erst einmal wenig wahrscheinlich ist), ist das für die Aktienmärkte kein Nachteil. Vor allem in Amerika stellt die Ölindustrie einen Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivität dar. Wenn es hier eine Erholung gibt, macht sich dies sofort in der Gesamttendenz und an den Aktienmärkten bemerkbar.

Das ist auch ein Grund dafür, warum der Dow Jones bei zuletzt 17.500 Punkten wieder bis an seine mittelfristige Abwärtstrendlinie zurückgekommen ist. Ein stabiler US-Aktienmarkt ist – wie mehrfach betont – ein optimaler Schutz vor einem Aktiencrash auch hierzulande. Eine starke Abwärtsbewegung im Dax bei gleichzeitig robusten US-Aktienmärkten hat es noch nie in der deutschen Nachkriegsgeschichte gegeben.

Diese Weltbörsen erklimmen Höchststände
Bild: Tankstelle in Kuala Lumpur, das Petronas-Hochhaus im Hintergrund. Quelle: dpa
Südkorea Quelle: AP
USA Quelle: dpa
Indonesien Quelle: REUTERS
Kanada Quelle: dpa
Mexiko Quelle: dpa
Großbritannien Quelle: dpa

Insofern ist es für Anleger übrigens wenig zielführend, sich von Kursschwankungen etwa in China oder Russland irritieren zu lassen. Ob man will oder nicht: die große Tendenz an den Märkten wird an der Wall Street gemacht. Und hier haben die wichtigen Indizes durch die Rally der vergangenen Wochen den schwachen Jahresstart weitgehend ausgeglichen.

Klassische Zwischenrally

Auch im Dax war der jüngste Anstieg nicht schlecht. Immerhin ging es in sechs Wochen von 8700 auf 10.100 Punkte hoch. Doch im Gegensatz zum Dow hat der Dax nur etwa die Hälfte der Verluste wettgemacht, die von Dezember bis Februar entstanden sind. So gesehen ist die jüngste Dax-Erholung bisher nur eine klassische Zwischenrally in einer übergeordneten Abwärtsbewegung.

Was Dax-Konzerne an ihre Anleger ausschütten

Dies muss jetzt nicht bedeuten, dass der Dax gleich wieder mit Tempo auf Baisse dreht. Vielmehr sollte der Dax in den nächsten Wochen erst einmal die bisher übersprungenen Hürden auf Stabilität testen. Zunächst wäre dies das Niveau um 9500. Hier kam es seit Sommer vergangenen Jahres mehrmals zu Tiefspitzen.

Optimal wäre es nun, wenn der Dax sich in einer moderaten Abwärtsbewegung diesem Unterstützungsniveau nähert, es möglichst einige Tage hintereinander verteidigt und dann April/Mai wieder in Richtung 10.000 Punkte zieht. Aus den gesamten Schwankungen seit Januar könnte dann ein mehrmonatiger Boden werden, der im späteren Verlauf des Jahres sogar zu einem deutlichen Wiederanstieg führt.

In einem solchen Szenario könnten die Märkte im späteren Jahresverlauf ihre große Aufwärtstendenz fortsetzen, die seit 2009 besteht. Vielleicht gibt es ja dann sogar wieder einmal gute Nachrichten von der Konjunktur.

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