Riedls Dax-Radar
Handelsstreit, die Abschwächung der Wirtschaft und jetzt auch noch der Crash der Türkischen Lira lassen den Dax taumeln. Quelle: dpa

Zitterpartie für deutsche Aktien

Handelsstreit, die Abschwächung der Wirtschaft und der Crash der türkischen Lira lassen den Dax taumeln. Was ihn vor größeren Verlusten bewahren könnte.

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Das Umfeld für den Dax trübt sich ein. Der Handelskrieg der USA, der sich vor allem gegen China richtet, hinterlässt auch in Europa immer tiefere Spuren. Die Unternehmen werden pessimistischer. Nach den heftigen politischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate ist das kein Wunder.

Nicht nur die Stimmungsindikatoren werden schlechter, auch die reale Auftragslage. Für die nächsten Monate lässt das auf eine verhaltene Wirtschaftsentwicklung schließen. Ob die Konjunktur in der EU in diesem Jahr wie bisher erwartet um deutlich mehr als zwei Prozent zulegt, wird immer fraglicher.

Für die Börse ist ein etwas flacheres Wachstum kein Beinbruch. Solange die großen Volkswirtschaften nicht in die Rezession abrutschen, ist das Umfeld in Ordnung. Mehr noch: Das Abflauen der Wirtschaft wird dazu führen, dass die Geldpolitik in Europa weiter großzügig bleibt.

Die spannendsten Dax-Aktien der Woche

Zehnjährige Bundesanleihen rentieren derzeit mit weniger als 0,4 Prozent. Der seit Februar bestehende Abwärtstrend der Renditen hält unverändert an. Am Kapitalmarkt zeichnet sich ein Szenario ab, bei dem die Zinsen (entgegen der vielfach erwarteten Zinswende nach oben) nun sogar wieder sinken könnten. Damit wären die 0,8 Prozent bei Bundesanleihen Anfang des Jahres erst einmal das Zinshoch gewesen. Sollten die Bund-Renditen in den nächsten Wochen sogar unter 0,25 Prozent rutschen, könnte es am Kapitalmarkt einen erneuten Anlauf in Richtung Nullzinsen geben.

Die Währungsmärkte bestätigen dieses Szenario. Wie vor zwei Wochen beschrieben, deutet sich für den Euro eine neue Schwächephase an. Der Euro ist derzeit nicht nur gegenüber den führenden Währungen Dollar, Yen und Franken angeschlagen, sondern verliert auch Boden gegenüber dem Kanadischen Dollar, der Indischen Rupie und dem Mexikanische Peso.

Eine brisante Entwicklung zeichnet sich im Zusammenhang mit der Türkischen Lira ab, die ungebremst an Wert verliert. An den Märkten geht die Angst um, dass europäische Banken von der Krise in der Türkei schwer getroffen sein könnten. Auch wenn die Türkei nicht Mitglied der EU ist, bestehen intensive wirtschaftliche Verbindungen zu den europäischen Ländern. Eine Krise der Türkei wäre eine zusätzliche Belastung für die europäische Wirtschaft und den Euro.

Der Rückgang des Euro, den die wenigsten Banken und Analysten in ihren Gewinnprognosen für die Unternehmen bisher auf der Rechnung haben, könnte für den Dax im zweiten Halbjahr eine wichtige Stütze werden. Noch ist in den Halbjahresberichten deutscher Unternehmen viel von Währungsnachteilen zu lesen. Gemeint ist hier der starke Euro – doch das Problem löst sich seit einigen Wochen in Luft auf. Sollte der Euro in den nächsten Monaten weiter nachgeben und etwa in den Bereich um 1,10 Dollar abdriften, ergäbe dies für die Unternehmen einen positiven Effekt. Dieser unerwartete Währungsvorteil könnte zusammen mit dem Zinseffekt den Nachteil der schwächeren Konjunktur ausgleichen.

Eine beeindruckende Entwicklung vollzieht sich bei Adidas. Obwohl die Aktie schon gut gestiegen ist und die Erwartungen nicht bescheiden waren, sprang der Kurs nach den jüngsten Top-Zahlen und Prognosen noch einmal an. Selbst in einer allgemeinen Wackelbörse sollte Adidas sein bisheriges Hoch um 215 Euro mindestens erreichen. Bei Adidas läuft es derzeit auf allen wichtigen Märkten rund. Zudem ist es ein Vorteil, dass die Marke zunehmend mit Lifestyle und Luxus gleichgesetzt wird. Damit wird sie resistenter gegen Konjunkturschwankungen, was wiederum eine höhere Börsenbewertung erlaubt. Ein rückläufiger Euro wäre für Adidas allerdings ein Nachteil, da die Herzogenauracher weitgehend außerhalb des Euro-Raums produzieren und immer noch einen wesentlichen Teil ihrer Ware im Euro-Raum verkaufen.

Unter 12.000 Punkten droht eine Baisse

Mit einem Dämpfer muss Fresenius leben. Operativ verläuft das Geschäft zwar nicht schlecht, doch die fehlgeschlagene Übernahme des amerikanischen Generikaherstellers Akorn hat ein juristisches Nachspiel, das mit erheblichen Kosten verbunden sein könnte. Kurzfristig muss sich die Aktie erst wieder zwischen 60 und 65 Euro stabilisieren.

Bei der Deutschen Post haben die jüngsten Zahlen zu einer Zwischenerholung geführt. Die war nach der Gewinnenttäuschung Mitte des Jahres auch bitter nötig. Immerhin, da das Transport- und Expressgeschäft gut läuft und in der angeschlagenen Paketsparte die Sanierungen auf den Weg gebracht wurden, sollten die angepeilten, reduzierten Gewinnziele in diesem Jahr erreicht werden. Für langfristige Investoren könnten Post-Aktien zwischen 30 und 25 Euro wieder interessant werden.

Bei der Darmstädter Merck zieht sich die Erholung länger hin als erwartet. Dennoch ist der Ausblick für die nächsten Monate nicht schlecht. Seit März hat die Aktie ein Fünftel an Wert gewonnen. Eine Korrektur bis 85 Euro wäre kein Problem.

Eine Zitterpartie spielt sich bei Linde ab. Nach neuen Forderungen der amerikanischen Behörden steht die geplante Fusion mit Praxair auf der Kippe. Mit einem starken Rückgang hat die zum Umtausch eingereichte Aktie (die im Dax notiert) darauf reagiert. Sollte die Fusion endgültig abgeblasen werden, wäre ein weiterer Rückschlag möglich. Das aber sollte es dann gewesen sein. Linde hat sich im Vorfeld der geplanten Fusion gut entwickelt und hätte keine Probleme auch ohne Praxair. Andererseits wäre es für die Aktie schon besser, wenn es zur Fusion käme ohne weitere, substanzielle Zugeständnisse. Das Restrisiko für den Kurs sollte mit fünf bis zehn Prozent überschaubar sein.

Fazit zum Aktienmarkt: Der Dax hat in der Kurserholung von Ende Juni bis Anfang August weder die 200-Tage-Linie noch den seit Jahresanfang bestehenden Abwärtstrend überwunden. Beides sind Schwächesignale. Zudem läuft dem Dax seit einigen Tagen die Zeit davon, da mittelfristige Bewegungen in der Regel oft nur vier bis acht Wochen dauern (zuletzt etwa der Aufschwung von September bis November 2017 oder der Abschwung Januar bis März 2018). So gesehen wäre ab etwa Mitte August eine neue Abwärtsbewegung nicht überraschend.

Kurzfristig dürfte der Dax nun unter Druck bleiben. Bei gut 12.300 Punkten verläuft der seit 2016 bestehende Aufwärtstrend, die Trump-Hausse. Um 12.000 Punkte liegt die Untergrenze der Schwankungen, die der Dax seit 2017 vollzieht. Sollte der Index dieses Niveau nicht halten (wobei es nicht auf hundert Punkte mehr oder weniger ankommt), besteht die Gefahr einer längeren Baisse.

Der Mix aus moderater Konjunktur, sehr niedrigen Zinsen und wieder besserem Währungsumfeld ist eine fundamentale Stütze. Die Entwicklung an den taktgebenden US-Börsen ist robust. Damit könnte es dem Dax gelingen, auch in den statistisch gefährlichen Monaten von August bis Oktober den Kursbereich 12.500 bis 11.800 Punkte zu verteidigen.

Hinweis: Der nächste Dax-Radar erscheint erst wieder Ende August.

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